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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.

III. Die angegebenen Rechtsvorschriften haben für Bayern
keine Geltung 1). Nur im Kriege sind die Bayerischen Truppen
verpflichtet, den Befehlen des Bundesfeldherrn (Kaisers) unbedingt
Folge zu leisten 2); im Frieden stehen sie ausschließlich unter dem
Befehl des Königs von Bayern. Der Oberbefehl des Kaisers tritt
ein mit Beginn der Mobilisirung 3). Im Frieden gelten nur
folgende Regeln, um die Einheitlichkeit des Deutschen Heeres auch
mit Rücksicht auf das Bayerische Kontingent zu sichern:

1. Der oben S. 25 in Betreff des Verordnungsrechts er-
wähnte Satz, daß Bayern verpflichtet ist, in Bezug auf Organisation,
Formation, Ausbildung und Gebühren, sowie hinsichtlich der Mo-
bilmachung volle Uebereinstimmung mit den für das Reichsheer
bestehenden Normen herzustellen, findet auch Anwendung auf die
Ausübung des dem Könige von Bayern zustehenden Oberbefehls-
rechtes.

2. Dem Kaiser steht das Recht der Inspektion des Baye-
rischen Kontingents, um sich von der Uebereinstimmung in Organi-
sation, Formation und Ausbildung, sowie von der Vollzähligkeit
und Kriegstüchtigkeit desselben Ueberzeugung zu verschaffen, grund-
sätzlich zu; in jedem einzelnen Falle der Vornahme einer solchen
Inspektion muß sich jedoch der Kaiser über die Modalitäten sowie
über das Ergebniß mit dem Könige von Bayern ins Verneh-
men
setzen 4). Ohne die Einwilligung des Königs von Bayern
kann daher der Kaiser sein Inspektionsrecht nicht ausüben, und es
besteht keine Verpflichtung des Königs, wenn bei einer statt-
gefundenen Inspektion persönliche oder sachliche Mängel bemerkt
werden, dieselben auf eine vom Kaiser an ihn gerichtete Aufforde-
rung abzustellen; es ist dies vielmehr dem eigenen Willensentschluß
des Königs anheimgegeben.

3. Die Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisirung) des
Bayerischen Kontingents erfolgt zwar Seitens des Königs von
Bayern; derselbe ist aber verpflichtet, diesen Befehl "auf Veran-
lassung des Bundesfeldherrn" zu ertheilen 5). Durch Erlaß der

1) Schlußbestimmung zum XI. Abschn. der R.V.
2) Vertrag v. 23. Nov. 1870. III §. 5 Ziff. IV.
3) ebendas. Ziff. III Abs. 1.
4) ebendas. Ziff. III Abs. 4.
5) ebendas. Abs. 5.
§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.

III. Die angegebenen Rechtsvorſchriften haben für Bayern
keine Geltung 1). Nur im Kriege ſind die Bayeriſchen Truppen
verpflichtet, den Befehlen des Bundesfeldherrn (Kaiſers) unbedingt
Folge zu leiſten 2); im Frieden ſtehen ſie ausſchließlich unter dem
Befehl des Königs von Bayern. Der Oberbefehl des Kaiſers tritt
ein mit Beginn der Mobiliſirung 3). Im Frieden gelten nur
folgende Regeln, um die Einheitlichkeit des Deutſchen Heeres auch
mit Rückſicht auf das Bayeriſche Kontingent zu ſichern:

1. Der oben S. 25 in Betreff des Verordnungsrechts er-
wähnte Satz, daß Bayern verpflichtet iſt, in Bezug auf Organiſation,
Formation, Ausbildung und Gebühren, ſowie hinſichtlich der Mo-
bilmachung volle Uebereinſtimmung mit den für das Reichsheer
beſtehenden Normen herzuſtellen, findet auch Anwendung auf die
Ausübung des dem Könige von Bayern zuſtehenden Oberbefehls-
rechtes.

2. Dem Kaiſer ſteht das Recht der Inſpektion des Baye-
riſchen Kontingents, um ſich von der Uebereinſtimmung in Organi-
ſation, Formation und Ausbildung, ſowie von der Vollzähligkeit
und Kriegstüchtigkeit deſſelben Ueberzeugung zu verſchaffen, grund-
ſätzlich zu; in jedem einzelnen Falle der Vornahme einer ſolchen
Inſpektion muß ſich jedoch der Kaiſer über die Modalitäten ſowie
über das Ergebniß mit dem Könige von Bayern ins Verneh-
men
ſetzen 4). Ohne die Einwilligung des Königs von Bayern
kann daher der Kaiſer ſein Inſpektionsrecht nicht ausüben, und es
beſteht keine Verpflichtung des Königs, wenn bei einer ſtatt-
gefundenen Inſpektion perſönliche oder ſachliche Mängel bemerkt
werden, dieſelben auf eine vom Kaiſer an ihn gerichtete Aufforde-
rung abzuſtellen; es iſt dies vielmehr dem eigenen Willensentſchluß
des Königs anheimgegeben.

3. Die Anordnung der Kriegsbereitſchaft (Mobiliſirung) des
Bayeriſchen Kontingents erfolgt zwar Seitens des Königs von
Bayern; derſelbe iſt aber verpflichtet, dieſen Befehl „auf Veran-
laſſung des Bundesfeldherrn“ zu ertheilen 5). Durch Erlaß der

1) Schlußbeſtimmung zum XI. Abſchn. der R.V.
2) Vertrag v. 23. Nov. 1870. III §. 5 Ziff. IV.
3) ebendaſ. Ziff. III Abſ. 1.
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[40/0050] §. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. III. Die angegebenen Rechtsvorſchriften haben für Bayern keine Geltung 1). Nur im Kriege ſind die Bayeriſchen Truppen verpflichtet, den Befehlen des Bundesfeldherrn (Kaiſers) unbedingt Folge zu leiſten 2); im Frieden ſtehen ſie ausſchließlich unter dem Befehl des Königs von Bayern. Der Oberbefehl des Kaiſers tritt ein mit Beginn der Mobiliſirung 3). Im Frieden gelten nur folgende Regeln, um die Einheitlichkeit des Deutſchen Heeres auch mit Rückſicht auf das Bayeriſche Kontingent zu ſichern: 1. Der oben S. 25 in Betreff des Verordnungsrechts er- wähnte Satz, daß Bayern verpflichtet iſt, in Bezug auf Organiſation, Formation, Ausbildung und Gebühren, ſowie hinſichtlich der Mo- bilmachung volle Uebereinſtimmung mit den für das Reichsheer beſtehenden Normen herzuſtellen, findet auch Anwendung auf die Ausübung des dem Könige von Bayern zuſtehenden Oberbefehls- rechtes. 2. Dem Kaiſer ſteht das Recht der Inſpektion des Baye- riſchen Kontingents, um ſich von der Uebereinſtimmung in Organi- ſation, Formation und Ausbildung, ſowie von der Vollzähligkeit und Kriegstüchtigkeit deſſelben Ueberzeugung zu verſchaffen, grund- ſätzlich zu; in jedem einzelnen Falle der Vornahme einer ſolchen Inſpektion muß ſich jedoch der Kaiſer über die Modalitäten ſowie über das Ergebniß mit dem Könige von Bayern ins Verneh- men ſetzen 4). Ohne die Einwilligung des Königs von Bayern kann daher der Kaiſer ſein Inſpektionsrecht nicht ausüben, und es beſteht keine Verpflichtung des Königs, wenn bei einer ſtatt- gefundenen Inſpektion perſönliche oder ſachliche Mängel bemerkt werden, dieſelben auf eine vom Kaiſer an ihn gerichtete Aufforde- rung abzuſtellen; es iſt dies vielmehr dem eigenen Willensentſchluß des Königs anheimgegeben. 3. Die Anordnung der Kriegsbereitſchaft (Mobiliſirung) des Bayeriſchen Kontingents erfolgt zwar Seitens des Königs von Bayern; derſelbe iſt aber verpflichtet, dieſen Befehl „auf Veran- laſſung des Bundesfeldherrn“ zu ertheilen 5). Durch Erlaß der 1) Schlußbeſtimmung zum XI. Abſchn. der R.V. 2) Vertrag v. 23. Nov. 1870. III §. 5 Ziff. IV. 3) ebendaſ. Ziff. III Abſ. 1. 4) ebendaſ. Ziff. III Abſ. 4. 5) ebendaſ. Abſ. 5.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/50>, abgerufen am 20.04.2024.