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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienstpflicht.
zu verlangen, ist nicht anerkannt; es hängt von der Entschließung
des Kontingentsherrn ab, ob dieselbe gewährt werde oder nicht.
Wenn der Offizier mit Rücksicht auf die von ihm genossene Aus-
bildung in Militair-Erziehungs-Anstalten zu einem activen Dienst
von gewisser Dauer verpflichtet ist 1), so muß er diese Verpflichtung
erst erfüllen, bevor er seine Entlassung fordern darf. Hat er seine
gesetzliche Dienstzeit noch nicht zurückgelegt, so wird er nicht
verabschiedet, sondern zunächst zu den Offizieren des Beurlaubten-
standes versetzt 2). Wenn der Offizier jedoch die zwölfjährige Dienst-
zeit absolvirt hat und den Abschied verlangt, ohne Ansprüche auf
Pension und militairische Ehrenrechte zu erheben, oder wenn er
vor Erfüllung der gesetzlichen Gesammt-Dienstzeit dringende
persönliche Gründe zur Rechtfertigung seines Abschiedsgesuchs an-
führen kann, so wird ihm die Entlassung schwerlich verweigert, da
dieselben Gründe, welche es als unthunlich erscheinen lassen, Je-
manden wider seinen Willen im Civilstaatsdienste zurückzuhalten 3),
in erhöhtem Grade auch bei Berufsoffizieren wirksam sind. Ab-
gesehen von diesem, im Allgemeinen nicht häufigen und praktisch
nicht belangreichen Falle tritt die Verabschiedung ohne Pension und
Ehrenrechte nur zur Strafe ein und zwar auf Grund eines Ur-
theils. Diese Ehrenstrafe hat mehrere Abstufungen.

a) Die Entfernung aus dem Heer oder der Marine. Ge-
gen Offiziere muß auf diese Strafe erkannt werden neben Zucht-
haus oder dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte ohne Rücksicht
auf die Dauer derselben, und in allen Fällen, wo gegen Unter-
offiziere oder Gemeine die Versetzung in die zweite Klasse des
Soldatenstandes geboten ist. Auf diese Strafe kann erkannt wer-
den neben Gefängniß von längerer als fünfjähriger Dauer und
in allen Fällen, wo gegen Unteroffiziere oder Gemeine die Ver-
setzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zulässig ist 4).

1) Vgl. §. 86. VIII.
2) Früher erfolgte die "Verabschiedung unter Vorbehalt der gesetzlichen
Dienstverpflichtung"; seit Erlaß der Heerordnung (II §. 25) findet diese Form
keine Anwendung mehr, sondern an ihre Stelle ist die Versetzung zur Reserve
oder Landwehr getreten. Vgl. die oben S. 210 Note 2 citirten Stellen.
3) Vgl. Bd. I S. 488.
4) Milit.Strafgesetzb. §. 31 und hierzu Koppmann Note 7--9. Vgl.
ferner R.Strafgesetzb. §. 31. 33.

§. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht.
zu verlangen, iſt nicht anerkannt; es hängt von der Entſchließung
des Kontingentsherrn ab, ob dieſelbe gewährt werde oder nicht.
Wenn der Offizier mit Rückſicht auf die von ihm genoſſene Aus-
bildung in Militair-Erziehungs-Anſtalten zu einem activen Dienſt
von gewiſſer Dauer verpflichtet iſt 1), ſo muß er dieſe Verpflichtung
erſt erfüllen, bevor er ſeine Entlaſſung fordern darf. Hat er ſeine
geſetzliche Dienſtzeit noch nicht zurückgelegt, ſo wird er nicht
verabſchiedet, ſondern zunächſt zu den Offizieren des Beurlaubten-
ſtandes verſetzt 2). Wenn der Offizier jedoch die zwölfjährige Dienſt-
zeit abſolvirt hat und den Abſchied verlangt, ohne Anſprüche auf
Penſion und militairiſche Ehrenrechte zu erheben, oder wenn er
vor Erfüllung der geſetzlichen Geſammt-Dienſtzeit dringende
perſönliche Gründe zur Rechtfertigung ſeines Abſchiedsgeſuchs an-
führen kann, ſo wird ihm die Entlaſſung ſchwerlich verweigert, da
dieſelben Gründe, welche es als unthunlich erſcheinen laſſen, Je-
manden wider ſeinen Willen im Civilſtaatsdienſte zurückzuhalten 3),
in erhöhtem Grade auch bei Berufsoffizieren wirkſam ſind. Ab-
geſehen von dieſem, im Allgemeinen nicht häufigen und praktiſch
nicht belangreichen Falle tritt die Verabſchiedung ohne Penſion und
Ehrenrechte nur zur Strafe ein und zwar auf Grund eines Ur-
theils. Dieſe Ehrenſtrafe hat mehrere Abſtufungen.

α) Die Entfernung aus dem Heer oder der Marine. Ge-
gen Offiziere muß auf dieſe Strafe erkannt werden neben Zucht-
haus oder dem Verluſte der bürgerlichen Ehrenrechte ohne Rückſicht
auf die Dauer derſelben, und in allen Fällen, wo gegen Unter-
offiziere oder Gemeine die Verſetzung in die zweite Klaſſe des
Soldatenſtandes geboten iſt. Auf dieſe Strafe kann erkannt wer-
den neben Gefängniß von längerer als fünfjähriger Dauer und
in allen Fällen, wo gegen Unteroffiziere oder Gemeine die Ver-
ſetzung in die zweite Klaſſe des Soldatenſtandes zuläſſig iſt 4).

1) Vgl. §. 86. VIII.
2) Früher erfolgte die „Verabſchiedung unter Vorbehalt der geſetzlichen
Dienſtverpflichtung“; ſeit Erlaß der Heerordnung (II §. 25) findet dieſe Form
keine Anwendung mehr, ſondern an ihre Stelle iſt die Verſetzung zur Reſerve
oder Landwehr getreten. Vgl. die oben S. 210 Note 2 citirten Stellen.
3) Vgl. Bd. I S. 488.
4) Milit.Strafgeſetzb. §. 31 und hierzu Koppmann Note 7—9. Vgl.
ferner R.Strafgeſetzb. §. 31. 33.
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[236/0246] §. 89. Die freiwillig übernommene Militairdienſtpflicht. zu verlangen, iſt nicht anerkannt; es hängt von der Entſchließung des Kontingentsherrn ab, ob dieſelbe gewährt werde oder nicht. Wenn der Offizier mit Rückſicht auf die von ihm genoſſene Aus- bildung in Militair-Erziehungs-Anſtalten zu einem activen Dienſt von gewiſſer Dauer verpflichtet iſt 1), ſo muß er dieſe Verpflichtung erſt erfüllen, bevor er ſeine Entlaſſung fordern darf. Hat er ſeine geſetzliche Dienſtzeit noch nicht zurückgelegt, ſo wird er nicht verabſchiedet, ſondern zunächſt zu den Offizieren des Beurlaubten- ſtandes verſetzt 2). Wenn der Offizier jedoch die zwölfjährige Dienſt- zeit abſolvirt hat und den Abſchied verlangt, ohne Anſprüche auf Penſion und militairiſche Ehrenrechte zu erheben, oder wenn er vor Erfüllung der geſetzlichen Geſammt-Dienſtzeit dringende perſönliche Gründe zur Rechtfertigung ſeines Abſchiedsgeſuchs an- führen kann, ſo wird ihm die Entlaſſung ſchwerlich verweigert, da dieſelben Gründe, welche es als unthunlich erſcheinen laſſen, Je- manden wider ſeinen Willen im Civilſtaatsdienſte zurückzuhalten 3), in erhöhtem Grade auch bei Berufsoffizieren wirkſam ſind. Ab- geſehen von dieſem, im Allgemeinen nicht häufigen und praktiſch nicht belangreichen Falle tritt die Verabſchiedung ohne Penſion und Ehrenrechte nur zur Strafe ein und zwar auf Grund eines Ur- theils. Dieſe Ehrenſtrafe hat mehrere Abſtufungen. α) Die Entfernung aus dem Heer oder der Marine. Ge- gen Offiziere muß auf dieſe Strafe erkannt werden neben Zucht- haus oder dem Verluſte der bürgerlichen Ehrenrechte ohne Rückſicht auf die Dauer derſelben, und in allen Fällen, wo gegen Unter- offiziere oder Gemeine die Verſetzung in die zweite Klaſſe des Soldatenſtandes geboten iſt. Auf dieſe Strafe kann erkannt wer- den neben Gefängniß von längerer als fünfjähriger Dauer und in allen Fällen, wo gegen Unteroffiziere oder Gemeine die Ver- ſetzung in die zweite Klaſſe des Soldatenſtandes zuläſſig iſt 4). 1) Vgl. §. 86. VIII. 2) Früher erfolgte die „Verabſchiedung unter Vorbehalt der geſetzlichen Dienſtverpflichtung“; ſeit Erlaß der Heerordnung (II §. 25) findet dieſe Form keine Anwendung mehr, ſondern an ihre Stelle iſt die Verſetzung zur Reſerve oder Landwehr getreten. Vgl. die oben S. 210 Note 2 citirten Stellen. 3) Vgl. Bd. I S. 488. 4) Milit.Strafgeſetzb. §. 31 und hierzu Koppmann Note 7—9. Vgl. ferner R.Strafgeſetzb. §. 31. 33.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/246>, abgerufen am 23.11.2024.