Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

§. 77. Allgemeine Prinzipien.

abgeschlossen worden und der Herzog übt im Allgemeinen die
Rechte eines Kontingentsherrn aus, insbesondere die Ernennung,
Beförderung, Verabschiedung der Offiziere; es sind aber die Braun-
schweigischen Truppen nicht nur ebenfalls nach dem Muster der
Preußischen formirt und in entsprechende taktische Verbände des
Preußischen Heeres eingereiht und den Preußischen Kommandobe-
hörden unterstellt worden, sondern es ist auch das Braunschweigische
Kontingent ganz in die finanzielle Verwaltung und Abrechnung des
Preußischen Heeres eingetreten 1).

Es bleiben demnach im Ganzen nur zwei Staaten übrig, auf
welche die in der R.V. normirte Ordnung des Heerwesens, insbe-
sondere die hier anerkannte Theilung der staatlichen Militair-
hoheitsrechte zwischen Reich und Einzelstaat wirklich Anwendung
findet, nämlich die Königreiche Sachsen und Württemberg; und
auch mit ihnen sind Militairconventionen abgeschlossen worden,
durch welche zwar nicht die prinzipiellen Grundlagen verändert,
wohl aber die in der Reichsverfassung gezogenen Grundlinien der
beiderseitigen Kompetenz verschoben worden sind, in praktisch minder
erheblichem Grade zu Gunsten Sachsens, in bedeutenderem Maße
zu Gunsten Württembergs.

Sowie hinsichtlich der Post- und Telegraphenverwaltung für
den größten Theil des Bundesgebietes thatsächlich eine größere
Einheitlichkeit und Concentration durchgeführt ist, als die Reichs-
verfassung anordnet, so ist auch hinsichtlich des Heerwesens die
Einheit thatsächlich weit über das in der Reichsverfassung bestimmte
Maß hinausgeführt. Die reichsverfassungsmäßigen Grund-
lagen der Militairorganisation lassen sich in dem Satze zusammen-
fassen: Dem Reiche steht zu die einheitliche Ordnung
und Einrichtung des Heeres, der Oberbefehl in Krieg
und Frieden, die Feststellung des Rekrutenbedarfs
und des Ausgabe-Etats; den Einzelstaaten ist ver-
blieben die Kontingentsherrlichkeit und die Selbst-
verwaltung.

Die in diesem Satze zusammengefaßten Momente werden nun
im Einzelnen darzustellen sein.

1) Militairgesetze des D. Reiches I S. 61.

§. 77. Allgemeine Prinzipien.

abgeſchloſſen worden und der Herzog übt im Allgemeinen die
Rechte eines Kontingentsherrn aus, insbeſondere die Ernennung,
Beförderung, Verabſchiedung der Offiziere; es ſind aber die Braun-
ſchweigiſchen Truppen nicht nur ebenfalls nach dem Muſter der
Preußiſchen formirt und in entſprechende taktiſche Verbände des
Preußiſchen Heeres eingereiht und den Preußiſchen Kommandobe-
hörden unterſtellt worden, ſondern es iſt auch das Braunſchweigiſche
Kontingent ganz in die finanzielle Verwaltung und Abrechnung des
Preußiſchen Heeres eingetreten 1).

Es bleiben demnach im Ganzen nur zwei Staaten übrig, auf
welche die in der R.V. normirte Ordnung des Heerweſens, insbe-
ſondere die hier anerkannte Theilung der ſtaatlichen Militair-
hoheitsrechte zwiſchen Reich und Einzelſtaat wirklich Anwendung
findet, nämlich die Königreiche Sachſen und Württemberg; und
auch mit ihnen ſind Militairconventionen abgeſchloſſen worden,
durch welche zwar nicht die prinzipiellen Grundlagen verändert,
wohl aber die in der Reichsverfaſſung gezogenen Grundlinien der
beiderſeitigen Kompetenz verſchoben worden ſind, in praktiſch minder
erheblichem Grade zu Gunſten Sachſens, in bedeutenderem Maße
zu Gunſten Württembergs.

Sowie hinſichtlich der Poſt- und Telegraphenverwaltung für
den größten Theil des Bundesgebietes thatſächlich eine größere
Einheitlichkeit und Concentration durchgeführt iſt, als die Reichs-
verfaſſung anordnet, ſo iſt auch hinſichtlich des Heerweſens die
Einheit thatſächlich weit über das in der Reichsverfaſſung beſtimmte
Maß hinausgeführt. Die reichsverfaſſungsmäßigen Grund-
lagen der Militairorganiſation laſſen ſich in dem Satze zuſammen-
faſſen: Dem Reiche ſteht zu die einheitliche Ordnung
und Einrichtung des Heeres, der Oberbefehl in Krieg
und Frieden, die Feſtſtellung des Rekrutenbedarfs
und des Ausgabe-Etats; den Einzelſtaaten iſt ver-
blieben die Kontingentsherrlichkeit und die Selbſt-
verwaltung.

Die in dieſem Satze zuſammengefaßten Momente werden nun
im Einzelnen darzuſtellen ſein.

1) Militairgeſetze des D. Reiches I S. 61.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0021" n="11"/><fw place="top" type="header">§. 77. Allgemeine Prinzipien.</fw><lb/>
abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden und der Herzog übt im Allgemeinen die<lb/>
Rechte eines Kontingentsherrn aus, insbe&#x017F;ondere die Ernennung,<lb/>
Beförderung, Verab&#x017F;chiedung der Offiziere; es &#x017F;ind aber die Braun-<lb/>
&#x017F;chweigi&#x017F;chen Truppen nicht nur ebenfalls nach dem Mu&#x017F;ter der<lb/>
Preußi&#x017F;chen formirt und in ent&#x017F;prechende takti&#x017F;che Verbände des<lb/>
Preußi&#x017F;chen Heeres eingereiht und den Preußi&#x017F;chen Kommandobe-<lb/>
hörden unter&#x017F;tellt worden, &#x017F;ondern es i&#x017F;t auch das Braun&#x017F;chweigi&#x017F;che<lb/>
Kontingent ganz in die finanzielle Verwaltung und Abrechnung des<lb/>
Preußi&#x017F;chen Heeres eingetreten <note place="foot" n="1)">Militairge&#x017F;etze des D. Reiches <hi rendition="#aq">I</hi> S. 61.</note>.</p><lb/>
            <p>Es bleiben demnach im Ganzen nur zwei Staaten übrig, auf<lb/>
welche die in der R.V. normirte Ordnung des Heerwe&#x017F;ens, insbe-<lb/>
&#x017F;ondere die hier anerkannte <hi rendition="#g">Theilung</hi> der &#x017F;taatlichen Militair-<lb/>
hoheitsrechte zwi&#x017F;chen Reich und Einzel&#x017F;taat wirklich Anwendung<lb/>
findet, nämlich die Königreiche Sach&#x017F;en und Württemberg; und<lb/>
auch mit ihnen &#x017F;ind Militairconventionen abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden,<lb/>
durch welche zwar nicht die prinzipiellen Grundlagen verändert,<lb/>
wohl aber die in der Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung gezogenen Grundlinien der<lb/>
beider&#x017F;eitigen Kompetenz ver&#x017F;choben worden &#x017F;ind, in prakti&#x017F;ch minder<lb/>
erheblichem Grade zu Gun&#x017F;ten Sach&#x017F;ens, in bedeutenderem Maße<lb/>
zu Gun&#x017F;ten Württembergs.</p><lb/>
            <p>Sowie hin&#x017F;ichtlich der Po&#x017F;t- und Telegraphenverwaltung für<lb/>
den größten Theil des Bundesgebietes that&#x017F;ächlich eine größere<lb/>
Einheitlichkeit und Concentration durchgeführt i&#x017F;t, als die Reichs-<lb/>
verfa&#x017F;&#x017F;ung anordnet, &#x017F;o i&#x017F;t auch hin&#x017F;ichtlich des Heerwe&#x017F;ens die<lb/>
Einheit that&#x017F;ächlich weit über das in der Reichsverfa&#x017F;&#x017F;ung be&#x017F;timmte<lb/>
Maß hinausgeführt. Die <hi rendition="#g">reichsverfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßigen</hi> Grund-<lb/>
lagen der Militairorgani&#x017F;ation la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich in dem Satze zu&#x017F;ammen-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en: <hi rendition="#g">Dem Reiche &#x017F;teht zu die einheitliche Ordnung<lb/>
und Einrichtung des Heeres, der Oberbefehl in Krieg<lb/>
und Frieden, die Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des Rekrutenbedarfs<lb/>
und des Ausgabe-Etats; den Einzel&#x017F;taaten i&#x017F;t ver-<lb/>
blieben die Kontingentsherrlichkeit und die Selb&#x017F;t-<lb/>
verwaltung</hi>.</p><lb/>
            <p>Die in die&#x017F;em Satze zu&#x017F;ammengefaßten Momente werden nun<lb/>
im Einzelnen darzu&#x017F;tellen &#x017F;ein.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[11/0021] §. 77. Allgemeine Prinzipien. abgeſchloſſen worden und der Herzog übt im Allgemeinen die Rechte eines Kontingentsherrn aus, insbeſondere die Ernennung, Beförderung, Verabſchiedung der Offiziere; es ſind aber die Braun- ſchweigiſchen Truppen nicht nur ebenfalls nach dem Muſter der Preußiſchen formirt und in entſprechende taktiſche Verbände des Preußiſchen Heeres eingereiht und den Preußiſchen Kommandobe- hörden unterſtellt worden, ſondern es iſt auch das Braunſchweigiſche Kontingent ganz in die finanzielle Verwaltung und Abrechnung des Preußiſchen Heeres eingetreten 1). Es bleiben demnach im Ganzen nur zwei Staaten übrig, auf welche die in der R.V. normirte Ordnung des Heerweſens, insbe- ſondere die hier anerkannte Theilung der ſtaatlichen Militair- hoheitsrechte zwiſchen Reich und Einzelſtaat wirklich Anwendung findet, nämlich die Königreiche Sachſen und Württemberg; und auch mit ihnen ſind Militairconventionen abgeſchloſſen worden, durch welche zwar nicht die prinzipiellen Grundlagen verändert, wohl aber die in der Reichsverfaſſung gezogenen Grundlinien der beiderſeitigen Kompetenz verſchoben worden ſind, in praktiſch minder erheblichem Grade zu Gunſten Sachſens, in bedeutenderem Maße zu Gunſten Württembergs. Sowie hinſichtlich der Poſt- und Telegraphenverwaltung für den größten Theil des Bundesgebietes thatſächlich eine größere Einheitlichkeit und Concentration durchgeführt iſt, als die Reichs- verfaſſung anordnet, ſo iſt auch hinſichtlich des Heerweſens die Einheit thatſächlich weit über das in der Reichsverfaſſung beſtimmte Maß hinausgeführt. Die reichsverfaſſungsmäßigen Grund- lagen der Militairorganiſation laſſen ſich in dem Satze zuſammen- faſſen: Dem Reiche ſteht zu die einheitliche Ordnung und Einrichtung des Heeres, der Oberbefehl in Krieg und Frieden, die Feſtſtellung des Rekrutenbedarfs und des Ausgabe-Etats; den Einzelſtaaten iſt ver- blieben die Kontingentsherrlichkeit und die Selbſt- verwaltung. Die in dieſem Satze zuſammengefaßten Momente werden nun im Einzelnen darzuſtellen ſein. 1) Militairgeſetze des D. Reiches I S. 61.

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/21
Zitationshilfe:	Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/21>, abgerufen am 19.04.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.