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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 77. Allgemeine Prinzipien.
Preußische Kontingent aber besteht wieder aus Bestandtheilen, deren
Zugehörigkeit auf 3 verschiedenen Gründen beruht; der Kaiser ist
Kontingentsherr über die Preußischen Truppen kraft seines Mo-
narchenrechts (jure proprio), über die elsaß-lothringischen Trup-
pen kraft der Delegation der landesherrlichen Rechte Seitens
des Reiches durch das Gesetz vom 9. Juni 1871 §. 3, über die
Truppen der andern Staaten kraft der Cession Seitens der
Landesherren und Senate durch die Militairkonventionen.

Obwohl in der angegebenen Beziehung sämmtliche Konventionen
übereinstimmen 1), so enthalten sie doch im Uebrigen überaus mannig-
fache und von einander abweichende Anordnungen, so daß ein völlig
gleichheitlicher Rechtszustand auch in den mit Preußen hinsichtlich
der Militairverwaltung verbundenen Gebieten durchaus nicht be-
steht. Bei den betreffenden Lehren werden diese Bestimmungen
Erwähnung finden; hier ist nur folgender Punkt von allgemeiner
Bedeutung noch hervorzuheben. Die ehemaligen Bundeskontingente
einiger Staaten sind im Jahre 1867 gänzlich aufgelöst worden,
nämlich in Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Lippe-Detmold,
Schaumburg-Lippe, und in den 3 Hansestädten. Diese Staaten
gelten in militairischer Hinsicht als Preußen einverleibt; ihre Wehr-
pflichtigen werden in Preußische Truppentheile eingestellt. In den
andern Staaten dagegen sind die Kontingente nur nach Preußischem
Muster reorganisirt und in den Verband der Preußischen Armee
aufgenommen worden; die Regimenter werden nach dem Staate,
dem sie angehören, benannt, tragen am Helm das Landes-Wappen
und die Landeskokarde, ergänzen sich vorzugsweise aus den Wehr-
pflichtigen der betreffenden Staaten und haben Garnisonen in letz-
teren erhalten. In den größeren Staaten, insbesondere in Mecklen-
burg, Hessen und Baden ist außerdem die Kontingentsgemeinschaft
der den betreffenden Staaten angehörigen Truppen gewahrt; die
Hessischen bilden eine geschlossene Division, die Badischen ein Armee-
corps für sich und sind als solche ein Bestandtheil der Preußischen
Armee 2).

Mit Braunschweig ist eine Militairconvention zwar nicht

1) Selbstverständlich mit Ausnahme der hier nicht in Rede stehenden
Württembergischen und Sächsischen.
2) Im Einzelnen weichen auch die Conventionen mit Baden, Hessen und
Mecklenburg nicht unerheblich von einander ab.

§. 77. Allgemeine Prinzipien.
Preußiſche Kontingent aber beſteht wieder aus Beſtandtheilen, deren
Zugehörigkeit auf 3 verſchiedenen Gründen beruht; der Kaiſer iſt
Kontingentsherr über die Preußiſchen Truppen kraft ſeines Mo-
narchenrechts (jure proprio), über die elſaß-lothringiſchen Trup-
pen kraft der Delegation der landesherrlichen Rechte Seitens
des Reiches durch das Geſetz vom 9. Juni 1871 §. 3, über die
Truppen der andern Staaten kraft der Ceſſion Seitens der
Landesherren und Senate durch die Militairkonventionen.

Obwohl in der angegebenen Beziehung ſämmtliche Konventionen
übereinſtimmen 1), ſo enthalten ſie doch im Uebrigen überaus mannig-
fache und von einander abweichende Anordnungen, ſo daß ein völlig
gleichheitlicher Rechtszuſtand auch in den mit Preußen hinſichtlich
der Militairverwaltung verbundenen Gebieten durchaus nicht be-
ſteht. Bei den betreffenden Lehren werden dieſe Beſtimmungen
Erwähnung finden; hier iſt nur folgender Punkt von allgemeiner
Bedeutung noch hervorzuheben. Die ehemaligen Bundeskontingente
einiger Staaten ſind im Jahre 1867 gänzlich aufgelöſt worden,
nämlich in Schwarzburg-Sondershauſen, Waldeck, Lippe-Detmold,
Schaumburg-Lippe, und in den 3 Hanſeſtädten. Dieſe Staaten
gelten in militairiſcher Hinſicht als Preußen einverleibt; ihre Wehr-
pflichtigen werden in Preußiſche Truppentheile eingeſtellt. In den
andern Staaten dagegen ſind die Kontingente nur nach Preußiſchem
Muſter reorganiſirt und in den Verband der Preußiſchen Armee
aufgenommen worden; die Regimenter werden nach dem Staate,
dem ſie angehören, benannt, tragen am Helm das Landes-Wappen
und die Landeskokarde, ergänzen ſich vorzugsweiſe aus den Wehr-
pflichtigen der betreffenden Staaten und haben Garniſonen in letz-
teren erhalten. In den größeren Staaten, insbeſondere in Mecklen-
burg, Heſſen und Baden iſt außerdem die Kontingentsgemeinſchaft
der den betreffenden Staaten angehörigen Truppen gewahrt; die
Heſſiſchen bilden eine geſchloſſene Diviſion, die Badiſchen ein Armee-
corps für ſich und ſind als ſolche ein Beſtandtheil der Preußiſchen
Armee 2).

Mit Braunſchweig iſt eine Militairconvention zwar nicht

1) Selbſtverſtändlich mit Ausnahme der hier nicht in Rede ſtehenden
Württembergiſchen und Sächſiſchen.
2) Im Einzelnen weichen auch die Conventionen mit Baden, Heſſen und
Mecklenburg nicht unerheblich von einander ab.
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[10/0020] §. 77. Allgemeine Prinzipien. Preußiſche Kontingent aber beſteht wieder aus Beſtandtheilen, deren Zugehörigkeit auf 3 verſchiedenen Gründen beruht; der Kaiſer iſt Kontingentsherr über die Preußiſchen Truppen kraft ſeines Mo- narchenrechts (jure proprio), über die elſaß-lothringiſchen Trup- pen kraft der Delegation der landesherrlichen Rechte Seitens des Reiches durch das Geſetz vom 9. Juni 1871 §. 3, über die Truppen der andern Staaten kraft der Ceſſion Seitens der Landesherren und Senate durch die Militairkonventionen. Obwohl in der angegebenen Beziehung ſämmtliche Konventionen übereinſtimmen 1), ſo enthalten ſie doch im Uebrigen überaus mannig- fache und von einander abweichende Anordnungen, ſo daß ein völlig gleichheitlicher Rechtszuſtand auch in den mit Preußen hinſichtlich der Militairverwaltung verbundenen Gebieten durchaus nicht be- ſteht. Bei den betreffenden Lehren werden dieſe Beſtimmungen Erwähnung finden; hier iſt nur folgender Punkt von allgemeiner Bedeutung noch hervorzuheben. Die ehemaligen Bundeskontingente einiger Staaten ſind im Jahre 1867 gänzlich aufgelöſt worden, nämlich in Schwarzburg-Sondershauſen, Waldeck, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe, und in den 3 Hanſeſtädten. Dieſe Staaten gelten in militairiſcher Hinſicht als Preußen einverleibt; ihre Wehr- pflichtigen werden in Preußiſche Truppentheile eingeſtellt. In den andern Staaten dagegen ſind die Kontingente nur nach Preußiſchem Muſter reorganiſirt und in den Verband der Preußiſchen Armee aufgenommen worden; die Regimenter werden nach dem Staate, dem ſie angehören, benannt, tragen am Helm das Landes-Wappen und die Landeskokarde, ergänzen ſich vorzugsweiſe aus den Wehr- pflichtigen der betreffenden Staaten und haben Garniſonen in letz- teren erhalten. In den größeren Staaten, insbeſondere in Mecklen- burg, Heſſen und Baden iſt außerdem die Kontingentsgemeinſchaft der den betreffenden Staaten angehörigen Truppen gewahrt; die Heſſiſchen bilden eine geſchloſſene Diviſion, die Badiſchen ein Armee- corps für ſich und ſind als ſolche ein Beſtandtheil der Preußiſchen Armee 2). Mit Braunſchweig iſt eine Militairconvention zwar nicht 1) Selbſtverſtändlich mit Ausnahme der hier nicht in Rede ſtehenden Württembergiſchen und Sächſiſchen. 2) Im Einzelnen weichen auch die Conventionen mit Baden, Heſſen und Mecklenburg nicht unerheblich von einander ab.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/20>, abgerufen am 27.04.2024.