In Wirklichkeit hebt dieser Erlaß eines obligatorischen Betriebs- (d. h. Transport-) Reglements die im Handelsgesetzbuch gewährte Vertragsfreiheit wieder auf und wenn nun Art. 45 der R.-V. die gesetzliche Handhabe dafür liefert, daß das Reich ein einheitliches und für die Eisenbahn-Verwaltungen verbindliches Reglement er- läßt, so entsteht der eigenthümliche Contrast, daß das Reich durch einen seiner Willensakte den andern vernichtet. Wenn die im H.-G.-B. gewährte Vertragsfreiheit einen zn großen Spielraum hat und sich als schädlich erweist, so ist eine gesetzliche Abänderung und Ergänzung des H.-G.-B.'s der geeignete Weg der Abhülfe; wenn man aber diesen Weg deshalb nicht für vollständig passend hält, weil dadurch Abänderungen des Transport-Reglements nach jeweiligen Zeitverhältnissen und örtlichen Umständen zu sehr er- schwert werden, so giebt die Ordnung des Postwesens, die in dieser Hinsicht eine völlige Analogie darbietet, ein Muster, wie man diese Schwierigkeiten beseitigen kann.
Es ist den gesetzlichen Regeln über das Transportgeschäft und die Haftpflicht der Eisenbahn-Betriebsunternehmer einer dem §. 50 des Postgesetzes entsprechende Bestimmung hinzuzufügen, welche den Reichskanzler ermächtigt, (mit Zustimmung des Bundesraths und nach Anhörung des Reichs-Eisenbahn-Amtes) ein Reglement zu erlassen und durch dasselbe bestimmte, einzeln aufzuzählende Gegenstände zu normiren. Gleichzeitig müßte -- wie dies in §. 50 Abs. 2 des Postgesetzes geschehen ist -- gesetzlich ausgesprochen werden, daß die Bestimmungen des Eisenbahn-Transport-Regle- ments als Bestandtheil des Vertrages zwischen der Eisenbahn- Verwaltung und dem Absender, beziehungsweise Reisenden gelten.
2. Der Art. 45 der R.-V. enthält ferner den Satz:
"Das Reich wird namentlich dahin wirken, daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere, daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfniß der Landwirthschaft und Industrie entsprechender ermäßigter Tarif, und zwar zunächst thunlichst der Einpfennig-Tarif eingeführt werde".
Diese Bestimmung ist der vorangehenden völlig gleichartig. Sowie das Reich dahin wirken soll, daß übereinstimmende Betriebs-
§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
In Wirklichkeit hebt dieſer Erlaß eines obligatoriſchen Betriebs- (d. h. Transport-) Reglements die im Handelsgeſetzbuch gewährte Vertragsfreiheit wieder auf und wenn nun Art. 45 der R.-V. die geſetzliche Handhabe dafür liefert, daß das Reich ein einheitliches und für die Eiſenbahn-Verwaltungen verbindliches Reglement er- läßt, ſo entſteht der eigenthümliche Contraſt, daß das Reich durch einen ſeiner Willensakte den andern vernichtet. Wenn die im H.-G.-B. gewährte Vertragsfreiheit einen zn großen Spielraum hat und ſich als ſchädlich erweiſt, ſo iſt eine geſetzliche Abänderung und Ergänzung des H.-G.-B.’s der geeignete Weg der Abhülfe; wenn man aber dieſen Weg deshalb nicht für vollſtändig paſſend hält, weil dadurch Abänderungen des Transport-Reglements nach jeweiligen Zeitverhältniſſen und örtlichen Umſtänden zu ſehr er- ſchwert werden, ſo giebt die Ordnung des Poſtweſens, die in dieſer Hinſicht eine völlige Analogie darbietet, ein Muſter, wie man dieſe Schwierigkeiten beſeitigen kann.
Es iſt den geſetzlichen Regeln über das Transportgeſchäft und die Haftpflicht der Eiſenbahn-Betriebsunternehmer einer dem §. 50 des Poſtgeſetzes entſprechende Beſtimmung hinzuzufügen, welche den Reichskanzler ermächtigt, (mit Zuſtimmung des Bundesraths und nach Anhörung des Reichs-Eiſenbahn-Amtes) ein Reglement zu erlaſſen und durch daſſelbe beſtimmte, einzeln aufzuzählende Gegenſtände zu normiren. Gleichzeitig müßte — wie dies in §. 50 Abſ. 2 des Poſtgeſetzes geſchehen iſt — geſetzlich ausgeſprochen werden, daß die Beſtimmungen des Eiſenbahn-Transport-Regle- ments als Beſtandtheil des Vertrages zwiſchen der Eiſenbahn- Verwaltung und dem Abſender, beziehungsweiſe Reiſenden gelten.
2. Der Art. 45 der R.-V. enthält ferner den Satz:
„Das Reich wird namentlich dahin wirken, daß die möglichſte Gleichmäßigkeit und Herabſetzung der Tarife erzielt, insbeſondere, daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheiſen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenſtänden ein dem Bedürfniß der Landwirthſchaft und Induſtrie entſprechender ermäßigter Tarif, und zwar zunächſt thunlichſt der Einpfennig-Tarif eingeführt werde“.
Dieſe Beſtimmung iſt der vorangehenden völlig gleichartig. Sowie das Reich dahin wirken ſoll, daß übereinſtimmende Betriebs-
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§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
In Wirklichkeit hebt dieſer Erlaß eines obligatoriſchen Betriebs-
(d. h. Transport-) Reglements die im Handelsgeſetzbuch gewährte
Vertragsfreiheit wieder auf und wenn nun Art. 45 der R.-V. die
geſetzliche Handhabe dafür liefert, daß das Reich ein einheitliches
und für die Eiſenbahn-Verwaltungen verbindliches Reglement er-
läßt, ſo entſteht der eigenthümliche Contraſt, daß das Reich durch
einen ſeiner Willensakte den andern vernichtet. Wenn die im
H.-G.-B. gewährte Vertragsfreiheit einen zn großen Spielraum
hat und ſich als ſchädlich erweiſt, ſo iſt eine geſetzliche Abänderung
und Ergänzung des H.-G.-B.’s der geeignete Weg der Abhülfe;
wenn man aber dieſen Weg deshalb nicht für vollſtändig paſſend
hält, weil dadurch Abänderungen des Transport-Reglements nach
jeweiligen Zeitverhältniſſen und örtlichen Umſtänden zu ſehr er-
ſchwert werden, ſo giebt die Ordnung des Poſtweſens, die in dieſer
Hinſicht eine völlige Analogie darbietet, ein Muſter, wie man dieſe
Schwierigkeiten beſeitigen kann.
Es iſt den geſetzlichen Regeln über das Transportgeſchäft
und die Haftpflicht der Eiſenbahn-Betriebsunternehmer einer dem
§. 50 des Poſtgeſetzes entſprechende Beſtimmung hinzuzufügen, welche
den Reichskanzler ermächtigt, (mit Zuſtimmung des Bundesraths
und nach Anhörung des Reichs-Eiſenbahn-Amtes) ein Reglement
zu erlaſſen und durch daſſelbe beſtimmte, einzeln aufzuzählende
Gegenſtände zu normiren. Gleichzeitig müßte — wie dies in §. 50
Abſ. 2 des Poſtgeſetzes geſchehen iſt — geſetzlich ausgeſprochen
werden, daß die Beſtimmungen des Eiſenbahn-Transport-Regle-
ments als Beſtandtheil des Vertrages zwiſchen der Eiſenbahn-
Verwaltung und dem Abſender, beziehungsweiſe Reiſenden gelten.
2. Der Art. 45 der R.-V. enthält ferner den Satz:
„Das Reich wird namentlich dahin wirken, daß die möglichſte
Gleichmäßigkeit und Herabſetzung der Tarife erzielt, insbeſondere,
daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen,
Koaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheiſen, Düngungsmitteln
und ähnlichen Gegenſtänden ein dem Bedürfniß der Landwirthſchaft
und Induſtrie entſprechender ermäßigter Tarif, und zwar zunächſt
thunlichſt der Einpfennig-Tarif eingeführt werde“.
Dieſe Beſtimmung iſt der vorangehenden völlig gleichartig.
Sowie das Reich dahin wirken ſoll, daß übereinſtimmende Betriebs-
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/389>, abgerufen am 27.11.2024.
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