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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 72. Die Verwaltung des Eisenbahnwesens.
Reglements eingeführt werden, so soll es auch dahin wirken,
daß die möglichste Gleichmäßigkeit der Tarife erzielt wird.

Auch hier schließt die Fassung des Artikels die Annahme aus,
daß das Reich die Befugniß habe, den Eisenbahu-Verwaltungen
weder im Allgemeinen noch für einzelne Klassen von Transport-
Gegenständen Tarife vorzuschreiben; durch ein auf Grund des
Art. 4 Z. 8 ergehendes Eisenbahn-Gesetz könnte zwar dem Bun-
desrath oder dem Kaiser eine solche Befugniß beigelegt werden,
auf Grund der R.-V. und der gegenwärtigen Gesetzgebung besteht
sie dagegen nicht 1).

Als Ziel der vom Reiche zu befolgenden, verfassungsmäßigen
"Tarif-Politik" wird aber nicht nur die Gleichmäßigkeit, son-
dern auch die Herabsetzung der Tarife hingestellt und es wird
sogar ein ganz bestimmter Tarifsatz für gewisse Gegenstände als
Ziel der verfassungsmäßigen Wünsche des Deutschen Reichs ange-
geben 2).

Bei dem Mangel an Zwangsmitteln, durch welche das Reich
die Erzielung gleichmäßiger und herabgesetzter Tarife u. s. w. er-
wirken kann, verliert auch die Bestimmung des Potokolls vom
25. November 1870 Ziff. 2, (B.-G.-B. S. 657) durch welche "an-
erkannt wurde, daß auf den Württembergischen Eisenbahnen
bei ihren Bau-, Betriebs- und Verkehrsverhältnissen nicht alle im

1) Dies ist wiederholt anerkannt worden. Vgl. außer den oben S. 371
mitgetheilten Auszügen aus den Verhandlungen des verfassungberath. Reichs-
tages, den Petitionsbericht in den Drucksachen des Deutschen Reichstages 1872
Bd. II. Nro. 100 S. 8 ff. Vgl. ferner Stenogr. Berichte des Reichstages 1869
Bd. II. S. 823 ff. 1872 S. 858 (Minister Delbrück). 1874/75 S. 1119 ff. Auch
das Reichseisenbahnamt hat dies in einer von ihm verfaßten und vom Reichs-
kanzler am 5. Mai 1874 dem Bundesrathe vorgelegten Denkschrift ausführlich
dargethan.
2) Die Fassung des Art. 45 Z. 2 ist in vielfacher Hinsicht mißglückt. Ab-
gesehen davon, daß ein bestimmter Rechtsinhalt fehlt und statt dessen eine Ten-
denz ausgesprochen ist, der die Tarifpolitik des Reiches folgen soll, erhebt sich
die Frage, worin die "möglichste" Gleichmäßigkeit bestehe, was eine "größere"
Entfernung sei, welche Gegenstände Kohlen, Holz, Erzen, Salz, Düngungsmit-
teln u. s. w. "ähnlich" seien, wem die Entscheidung darüber zustehe, ob ein
Tarif "dem Bedürfniß der Landwirthschaft und Industrie entspreche" und,
was es bedeute, daß der Einpfennig-Tarif "zunächst thunlichst" eingeführt wer-
den soll. Vgl. auch Seydel, Kommentar S. 192 und namentlich die Rede
des Abg. Berger v. 20. Januar 1875. Stenogr. Berichte 1874/75 S. 1122.

§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
Reglements eingeführt werden, ſo ſoll es auch dahin wirken,
daß die möglichſte Gleichmäßigkeit der Tarife erzielt wird.

Auch hier ſchließt die Faſſung des Artikels die Annahme aus,
daß das Reich die Befugniß habe, den Eiſenbahu-Verwaltungen
weder im Allgemeinen noch für einzelne Klaſſen von Transport-
Gegenſtänden Tarife vorzuſchreiben; durch ein auf Grund des
Art. 4 Z. 8 ergehendes Eiſenbahn-Geſetz könnte zwar dem Bun-
desrath oder dem Kaiſer eine ſolche Befugniß beigelegt werden,
auf Grund der R.-V. und der gegenwärtigen Geſetzgebung beſteht
ſie dagegen nicht 1).

Als Ziel der vom Reiche zu befolgenden, verfaſſungsmäßigen
„Tarif-Politik“ wird aber nicht nur die Gleichmäßigkeit, ſon-
dern auch die Herabſetzung der Tarife hingeſtellt und es wird
ſogar ein ganz beſtimmter Tarifſatz für gewiſſe Gegenſtände als
Ziel der verfaſſungsmäßigen Wünſche des Deutſchen Reichs ange-
geben 2).

Bei dem Mangel an Zwangsmitteln, durch welche das Reich
die Erzielung gleichmäßiger und herabgeſetzter Tarife u. ſ. w. er-
wirken kann, verliert auch die Beſtimmung des Potokolls vom
25. November 1870 Ziff. 2, (B.-G.-B. S. 657) durch welche „an-
erkannt wurde, daß auf den Württembergiſchen Eiſenbahnen
bei ihren Bau-, Betriebs- und Verkehrsverhältniſſen nicht alle im

1) Dies iſt wiederholt anerkannt worden. Vgl. außer den oben S. 371
mitgetheilten Auszügen aus den Verhandlungen des verfaſſungberath. Reichs-
tages, den Petitionsbericht in den Druckſachen des Deutſchen Reichstages 1872
Bd. II. Nro. 100 S. 8 ff. Vgl. ferner Stenogr. Berichte des Reichstages 1869
Bd. II. S. 823 ff. 1872 S. 858 (Miniſter Delbrück). 1874/75 S. 1119 ff. Auch
das Reichseiſenbahnamt hat dies in einer von ihm verfaßten und vom Reichs-
kanzler am 5. Mai 1874 dem Bundesrathe vorgelegten Denkſchrift ausführlich
dargethan.
2) Die Faſſung des Art. 45 Z. 2 iſt in vielfacher Hinſicht mißglückt. Ab-
geſehen davon, daß ein beſtimmter Rechtsinhalt fehlt und ſtatt deſſen eine Ten-
denz ausgeſprochen iſt, der die Tarifpolitik des Reiches folgen ſoll, erhebt ſich
die Frage, worin die „möglichſte“ Gleichmäßigkeit beſtehe, was eine „größere“
Entfernung ſei, welche Gegenſtände Kohlen, Holz, Erzen, Salz, Düngungsmit-
teln u. ſ. w. „ähnlich“ ſeien, wem die Entſcheidung darüber zuſtehe, ob ein
Tarif „dem Bedürfniß der Landwirthſchaft und Induſtrie entſpreche“ und,
was es bedeute, daß der Einpfennig-Tarif „zunächſt thunlichſt“ eingeführt wer-
den ſoll. Vgl. auch Seydel, Kommentar S. 192 und namentlich die Rede
des Abg. Berger v. 20. Januar 1875. Stenogr. Berichte 1874/75 S. 1122.
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[376/0390] §. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens. Reglements eingeführt werden, ſo ſoll es auch dahin wirken, daß die möglichſte Gleichmäßigkeit der Tarife erzielt wird. Auch hier ſchließt die Faſſung des Artikels die Annahme aus, daß das Reich die Befugniß habe, den Eiſenbahu-Verwaltungen weder im Allgemeinen noch für einzelne Klaſſen von Transport- Gegenſtänden Tarife vorzuſchreiben; durch ein auf Grund des Art. 4 Z. 8 ergehendes Eiſenbahn-Geſetz könnte zwar dem Bun- desrath oder dem Kaiſer eine ſolche Befugniß beigelegt werden, auf Grund der R.-V. und der gegenwärtigen Geſetzgebung beſteht ſie dagegen nicht 1). Als Ziel der vom Reiche zu befolgenden, verfaſſungsmäßigen „Tarif-Politik“ wird aber nicht nur die Gleichmäßigkeit, ſon- dern auch die Herabſetzung der Tarife hingeſtellt und es wird ſogar ein ganz beſtimmter Tarifſatz für gewiſſe Gegenſtände als Ziel der verfaſſungsmäßigen Wünſche des Deutſchen Reichs ange- geben 2). Bei dem Mangel an Zwangsmitteln, durch welche das Reich die Erzielung gleichmäßiger und herabgeſetzter Tarife u. ſ. w. er- wirken kann, verliert auch die Beſtimmung des Potokolls vom 25. November 1870 Ziff. 2, (B.-G.-B. S. 657) durch welche „an- erkannt wurde, daß auf den Württembergiſchen Eiſenbahnen bei ihren Bau-, Betriebs- und Verkehrsverhältniſſen nicht alle im 1) Dies iſt wiederholt anerkannt worden. Vgl. außer den oben S. 371 mitgetheilten Auszügen aus den Verhandlungen des verfaſſungberath. Reichs- tages, den Petitionsbericht in den Druckſachen des Deutſchen Reichstages 1872 Bd. II. Nro. 100 S. 8 ff. Vgl. ferner Stenogr. Berichte des Reichstages 1869 Bd. II. S. 823 ff. 1872 S. 858 (Miniſter Delbrück). 1874/75 S. 1119 ff. Auch das Reichseiſenbahnamt hat dies in einer von ihm verfaßten und vom Reichs- kanzler am 5. Mai 1874 dem Bundesrathe vorgelegten Denkſchrift ausführlich dargethan. 2) Die Faſſung des Art. 45 Z. 2 iſt in vielfacher Hinſicht mißglückt. Ab- geſehen davon, daß ein beſtimmter Rechtsinhalt fehlt und ſtatt deſſen eine Ten- denz ausgeſprochen iſt, der die Tarifpolitik des Reiches folgen ſoll, erhebt ſich die Frage, worin die „möglichſte“ Gleichmäßigkeit beſtehe, was eine „größere“ Entfernung ſei, welche Gegenſtände Kohlen, Holz, Erzen, Salz, Düngungsmit- teln u. ſ. w. „ähnlich“ ſeien, wem die Entſcheidung darüber zuſtehe, ob ein Tarif „dem Bedürfniß der Landwirthſchaft und Induſtrie entſpreche“ und, was es bedeute, daß der Einpfennig-Tarif „zunächſt thunlichſt“ eingeführt wer- den ſoll. Vgl. auch Seydel, Kommentar S. 192 und namentlich die Rede des Abg. Berger v. 20. Januar 1875. Stenogr. Berichte 1874/75 S. 1122.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/390>, abgerufen am 27.11.2024.