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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.

b) In den Hansestädten Hamburg, Bremen und Lü-
beck
bestanden vor Errichtung des Norddeutschen Bundes höchst
anomale Posteinrichtungen, indem daselbst neben den eigenen Post-
anstalten dieser Staaten noch mehrere deutsche und ausländische
Postanstalten etablirt waren. Der Art. 51 der Nordd. Bundes-
verfassung ermächtigte deshalb das Bundespräsidium "die Ver-
waltung und den Betrieb der verschiedenen dort befindlichen staat-
lichen Post- und Telegraphen-Anstalten zu vereinigen" 1). In
Ausführung dieser Bestimmung hat der Nordd. Bund beziehentl.
das Reich die gesammte Postverwaltung in den Hansestädten über-
nommen, so daß dort derselbe Umfang der Reichskompetenz wie
im Reichslande besteht.

c) Preußen hat die Ausübung der ihm zustehenden
Rechte hinsichtlich der Verwaltung des Post- und Telegraphen-
wesens auf den Nordd. Bund, resp. das Reich übertragen, indem
der Allerh. Erlaß v. 28. September 1867 bestimmte, "daß die
Verwaltung des Post- und Telegraphenwesens vom 15. Oktob. 1867
ab von dem Minister für Handel etc. mit den von demselben als
Chef des Post- und Telegraphenwesens bisher geübten Befugnissen
auf den Präsidenten des Staatsministeriums übergehe und unter
dessen Verantwortlichkeit im Zusammenhange mit der vom 1. Ja-
nuar 1868 ab dem Bundeskanzler zustehenden Verwaltung des
Post- und Telegraphenwesens des Norddeutschen Bundes bearbeitet
werde." Rechtlich ist demnach die Sphäre der Verwaltungskompe-
tenz Preußens von der Sphäre der dem Reiche zustehenden Ver-
waltungskompetenz geschieden; thatsächlich aber sind beide mit ein-
ander verschmolzen, indem die Preußen zustehenden Rechte vom
Reiche ohne Mitwirkung Preußischer Behörden ausgeübt werden 2).
In Wirklichkeit besteht demnach in Preußen dieselbe Ausschließlich-
keit der Reichsverwaltung wie im Reichslande und in den Hanse-
städten 3).


1) Für die finanzielle Uebergangsperiode wurde zugleich dem Bundesprä-
sidium die Hälfte der auf die Hansestädte entfallenden Quote zur Disposition
gestellt, zu dem Zwecke, daraus zunächst die Kosten für die Herstellung nor-
maler Posteinrichtungen in den Hansestädten zu bestreiten. Nordd. Bundes-
verfass. Art. 52 Abs. 5.
2) Vgl. die näheren Ausführungen in meinem Reichsfinanzrecht a. a. O.
S. 466 ff.
3) Jedoch sind die Beamten Preußische Staatsbeamte und mittelbare
§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.

b) In den Hanſeſtädten Hamburg, Bremen und Lü-
beck
beſtanden vor Errichtung des Norddeutſchen Bundes höchſt
anomale Poſteinrichtungen, indem daſelbſt neben den eigenen Poſt-
anſtalten dieſer Staaten noch mehrere deutſche und ausländiſche
Poſtanſtalten etablirt waren. Der Art. 51 der Nordd. Bundes-
verfaſſung ermächtigte deshalb das Bundespräſidium „die Ver-
waltung und den Betrieb der verſchiedenen dort befindlichen ſtaat-
lichen Poſt- und Telegraphen-Anſtalten zu vereinigen1). In
Ausführung dieſer Beſtimmung hat der Nordd. Bund beziehentl.
das Reich die geſammte Poſtverwaltung in den Hanſeſtädten über-
nommen, ſo daß dort derſelbe Umfang der Reichskompetenz wie
im Reichslande beſteht.

c) Preußen hat die Ausübung der ihm zuſtehenden
Rechte hinſichtlich der Verwaltung des Poſt- und Telegraphen-
weſens auf den Nordd. Bund, reſp. das Reich übertragen, indem
der Allerh. Erlaß v. 28. September 1867 beſtimmte, „daß die
Verwaltung des Poſt- und Telegraphenweſens vom 15. Oktob. 1867
ab von dem Miniſter für Handel ꝛc. mit den von demſelben als
Chef des Poſt- und Telegraphenweſens bisher geübten Befugniſſen
auf den Präſidenten des Staatsminiſteriums übergehe und unter
deſſen Verantwortlichkeit im Zuſammenhange mit der vom 1. Ja-
nuar 1868 ab dem Bundeskanzler zuſtehenden Verwaltung des
Poſt- und Telegraphenweſens des Norddeutſchen Bundes bearbeitet
werde.“ Rechtlich iſt demnach die Sphäre der Verwaltungskompe-
tenz Preußens von der Sphäre der dem Reiche zuſtehenden Ver-
waltungskompetenz geſchieden; thatſächlich aber ſind beide mit ein-
ander verſchmolzen, indem die Preußen zuſtehenden Rechte vom
Reiche ohne Mitwirkung Preußiſcher Behörden ausgeübt werden 2).
In Wirklichkeit beſteht demnach in Preußen dieſelbe Ausſchließlich-
keit der Reichsverwaltung wie im Reichslande und in den Hanſe-
ſtädten 3).


1) Für die finanzielle Uebergangsperiode wurde zugleich dem Bundesprä-
ſidium die Hälfte der auf die Hanſeſtädte entfallenden Quote zur Dispoſition
geſtellt, zu dem Zwecke, daraus zunächſt die Koſten für die Herſtellung nor-
maler Poſteinrichtungen in den Hanſeſtädten zu beſtreiten. Nordd. Bundes-
verfaſſ. Art. 52 Abſ. 5.
2) Vgl. die näheren Ausführungen in meinem Reichsfinanzrecht a. a. O.
S. 466 ff.
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[290/0304] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. b) In den Hanſeſtädten Hamburg, Bremen und Lü- beck beſtanden vor Errichtung des Norddeutſchen Bundes höchſt anomale Poſteinrichtungen, indem daſelbſt neben den eigenen Poſt- anſtalten dieſer Staaten noch mehrere deutſche und ausländiſche Poſtanſtalten etablirt waren. Der Art. 51 der Nordd. Bundes- verfaſſung ermächtigte deshalb das Bundespräſidium „die Ver- waltung und den Betrieb der verſchiedenen dort befindlichen ſtaat- lichen Poſt- und Telegraphen-Anſtalten zu vereinigen“ 1). In Ausführung dieſer Beſtimmung hat der Nordd. Bund beziehentl. das Reich die geſammte Poſtverwaltung in den Hanſeſtädten über- nommen, ſo daß dort derſelbe Umfang der Reichskompetenz wie im Reichslande beſteht. c) Preußen hat die Ausübung der ihm zuſtehenden Rechte hinſichtlich der Verwaltung des Poſt- und Telegraphen- weſens auf den Nordd. Bund, reſp. das Reich übertragen, indem der Allerh. Erlaß v. 28. September 1867 beſtimmte, „daß die Verwaltung des Poſt- und Telegraphenweſens vom 15. Oktob. 1867 ab von dem Miniſter für Handel ꝛc. mit den von demſelben als Chef des Poſt- und Telegraphenweſens bisher geübten Befugniſſen auf den Präſidenten des Staatsminiſteriums übergehe und unter deſſen Verantwortlichkeit im Zuſammenhange mit der vom 1. Ja- nuar 1868 ab dem Bundeskanzler zuſtehenden Verwaltung des Poſt- und Telegraphenweſens des Norddeutſchen Bundes bearbeitet werde.“ Rechtlich iſt demnach die Sphäre der Verwaltungskompe- tenz Preußens von der Sphäre der dem Reiche zuſtehenden Ver- waltungskompetenz geſchieden; thatſächlich aber ſind beide mit ein- ander verſchmolzen, indem die Preußen zuſtehenden Rechte vom Reiche ohne Mitwirkung Preußiſcher Behörden ausgeübt werden 2). In Wirklichkeit beſteht demnach in Preußen dieſelbe Ausſchließlich- keit der Reichsverwaltung wie im Reichslande und in den Hanſe- ſtädten 3). 1) Für die finanzielle Uebergangsperiode wurde zugleich dem Bundesprä- ſidium die Hälfte der auf die Hanſeſtädte entfallenden Quote zur Dispoſition geſtellt, zu dem Zwecke, daraus zunächſt die Koſten für die Herſtellung nor- maler Poſteinrichtungen in den Hanſeſtädten zu beſtreiten. Nordd. Bundes- verfaſſ. Art. 52 Abſ. 5. 2) Vgl. die näheren Ausführungen in meinem Reichsfinanzrecht a. a. O. S. 466 ff. 3) Jedoch ſind die Beamten Preußiſche Staatsbeamte und mittelbare

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/304>, abgerufen am 26.06.2024.