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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen.
Bundesrath hier eine Befugniß zu entziehen, welche ihm im ganzen
übrigen Reichsgebiet zusteht, dem Reichskanzler auch bei strenger
Wortauslegung nur der Erlaß der zur Ausführung des Einfüh-
rungs-Gesetzes
erforderlichen Anordnungen, aber nicht der
Erlaß der zur Ausführung des eingeführten Reichsgesetzes
nothwendigen Bestimmungen im Art. 3 des Ges. v. 14. Juli 1871
übertragen worden ist, so beantwortet sich die Frage zu Gunsten
des Bundesrathes.

Es bleiben als regelmäßige Verordnungs-Formen unter der
Herrschaft des Ges. v. 9. Juni 1871 demgemäß übrig:

a) Verordnungen des Kaisers. Dieselben unter-
scheiden sich von den Gesetzen lediglich dadurch, daß die Zustim-
mung des Bundesrathes nicht eingeholt zu werden braucht, und
daß, wenngleich thatsächlich der Inhalt der Verordnung die Zu-
stimmung des Bundesrathes erhalten haben sollte, dies in der
Promulgations-Formel nicht erwähnt wird. Sie sind, sofern sie
Rechtsvorschriften enthalten, nur zulässig auf Grund spezieller
gesetzlicher Ermächtigung, welche in zahlreichen Fällen ertheilt
worden ist 1). Daß sie im Gesetzbl. für Els.-Lothr. verkündigt
werden, ist in dem Gesetz v. 3. Juli 1871 §. 1 ausdrücklich vor-
geschrieben.

b) Verordnungen des Reichskanzlers oder einer
anderen mit der Landesverwaltung betrauten Behörde. Es gilt
von denselben Alles, was oben S. 81 von den Verordnungen des
Reichskanzlers im Herrschaftsgebiete der Reichsverfassung ausge-
führt worden ist. Soweit Anordnungen des Reichskanzlers ledig-
lich die Verwaltungsthätigkeit der Beamten regeln, ist eine beson-
dere gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß derselben nicht erforder-
lich; zu derselben ist der Reichskanzler vielmehr in seiner Stellung
als Minister des Kaisers, dem die Ausübung der Staatsgewalt
in Elsaß-Lothringen übertragen ist, befugt. Jede in den Bereich
der Gesetzgebung eingreifende Anordnung, insbesondere jede Rechts-
vorschrift, kann dagegen der Reichskanzler nur auf Grund spezieller

1) Beispiele: Ges. v. 14. Juli 1871 über die Gerichtsverfassung §. 2.
§. 18. Ges. v. 17. Juli 1871 §. 2. Einf.-Ges. zum Strafgesetzb. v. 30. Aug.
1871 Art. XVI. Verwaltungs-Ges. v. 30. Dez. 1871 §. 18. Einf.-Ges. zum
Handels-Ges. u. Wechs.-Ordn. v. 19. Juni 1872 §. 34. Ges. v. 1. Dez. 1873
§. 15. Ges. v. 26. Dez. 1873 §. 8.

§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
Bundesrath hier eine Befugniß zu entziehen, welche ihm im ganzen
übrigen Reichsgebiet zuſteht, dem Reichskanzler auch bei ſtrenger
Wortauslegung nur der Erlaß der zur Ausführung des Einfüh-
rungs-Geſetzes
erforderlichen Anordnungen, aber nicht der
Erlaß der zur Ausführung des eingeführten Reichsgeſetzes
nothwendigen Beſtimmungen im Art. 3 des Geſ. v. 14. Juli 1871
übertragen worden iſt, ſo beantwortet ſich die Frage zu Gunſten
des Bundesrathes.

Es bleiben als regelmäßige Verordnungs-Formen unter der
Herrſchaft des Geſ. v. 9. Juni 1871 demgemäß übrig:

a) Verordnungen des Kaiſers. Dieſelben unter-
ſcheiden ſich von den Geſetzen lediglich dadurch, daß die Zuſtim-
mung des Bundesrathes nicht eingeholt zu werden braucht, und
daß, wenngleich thatſächlich der Inhalt der Verordnung die Zu-
ſtimmung des Bundesrathes erhalten haben ſollte, dies in der
Promulgations-Formel nicht erwähnt wird. Sie ſind, ſofern ſie
Rechtsvorſchriften enthalten, nur zuläſſig auf Grund ſpezieller
geſetzlicher Ermächtigung, welche in zahlreichen Fällen ertheilt
worden iſt 1). Daß ſie im Geſetzbl. für Elſ.-Lothr. verkündigt
werden, iſt in dem Geſetz v. 3. Juli 1871 §. 1 ausdrücklich vor-
geſchrieben.

b) Verordnungen des Reichskanzlers oder einer
anderen mit der Landesverwaltung betrauten Behörde. Es gilt
von denſelben Alles, was oben S. 81 von den Verordnungen des
Reichskanzlers im Herrſchaftsgebiete der Reichsverfaſſung ausge-
führt worden iſt. Soweit Anordnungen des Reichskanzlers ledig-
lich die Verwaltungsthätigkeit der Beamten regeln, iſt eine beſon-
dere geſetzliche Ermächtigung zum Erlaß derſelben nicht erforder-
lich; zu derſelben iſt der Reichskanzler vielmehr in ſeiner Stellung
als Miniſter des Kaiſers, dem die Ausübung der Staatsgewalt
in Elſaß-Lothringen übertragen iſt, befugt. Jede in den Bereich
der Geſetzgebung eingreifende Anordnung, insbeſondere jede Rechts-
vorſchrift, kann dagegen der Reichskanzler nur auf Grund ſpezieller

1) Beiſpiele: Geſ. v. 14. Juli 1871 über die Gerichtsverfaſſung §. 2.
§. 18. Geſ. v. 17. Juli 1871 §. 2. Einf.-Geſ. zum Strafgeſetzb. v. 30. Aug.
1871 Art. XVI. Verwaltungs-Geſ. v. 30. Dez. 1871 §. 18. Einf.-Geſ. zum
Handels-Geſ. u. Wechſ.-Ordn. v. 19. Juni 1872 §. 34. Geſ. v. 1. Dez. 1873
§. 15. Geſ. v. 26. Dez. 1873 §. 8.
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[134/0148] §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. Bundesrath hier eine Befugniß zu entziehen, welche ihm im ganzen übrigen Reichsgebiet zuſteht, dem Reichskanzler auch bei ſtrenger Wortauslegung nur der Erlaß der zur Ausführung des Einfüh- rungs-Geſetzes erforderlichen Anordnungen, aber nicht der Erlaß der zur Ausführung des eingeführten Reichsgeſetzes nothwendigen Beſtimmungen im Art. 3 des Geſ. v. 14. Juli 1871 übertragen worden iſt, ſo beantwortet ſich die Frage zu Gunſten des Bundesrathes. Es bleiben als regelmäßige Verordnungs-Formen unter der Herrſchaft des Geſ. v. 9. Juni 1871 demgemäß übrig: a) Verordnungen des Kaiſers. Dieſelben unter- ſcheiden ſich von den Geſetzen lediglich dadurch, daß die Zuſtim- mung des Bundesrathes nicht eingeholt zu werden braucht, und daß, wenngleich thatſächlich der Inhalt der Verordnung die Zu- ſtimmung des Bundesrathes erhalten haben ſollte, dies in der Promulgations-Formel nicht erwähnt wird. Sie ſind, ſofern ſie Rechtsvorſchriften enthalten, nur zuläſſig auf Grund ſpezieller geſetzlicher Ermächtigung, welche in zahlreichen Fällen ertheilt worden iſt 1). Daß ſie im Geſetzbl. für Elſ.-Lothr. verkündigt werden, iſt in dem Geſetz v. 3. Juli 1871 §. 1 ausdrücklich vor- geſchrieben. b) Verordnungen des Reichskanzlers oder einer anderen mit der Landesverwaltung betrauten Behörde. Es gilt von denſelben Alles, was oben S. 81 von den Verordnungen des Reichskanzlers im Herrſchaftsgebiete der Reichsverfaſſung ausge- führt worden iſt. Soweit Anordnungen des Reichskanzlers ledig- lich die Verwaltungsthätigkeit der Beamten regeln, iſt eine beſon- dere geſetzliche Ermächtigung zum Erlaß derſelben nicht erforder- lich; zu derſelben iſt der Reichskanzler vielmehr in ſeiner Stellung als Miniſter des Kaiſers, dem die Ausübung der Staatsgewalt in Elſaß-Lothringen übertragen iſt, befugt. Jede in den Bereich der Geſetzgebung eingreifende Anordnung, insbeſondere jede Rechts- vorſchrift, kann dagegen der Reichskanzler nur auf Grund ſpezieller 1) Beiſpiele: Geſ. v. 14. Juli 1871 über die Gerichtsverfaſſung §. 2. §. 18. Geſ. v. 17. Juli 1871 §. 2. Einf.-Geſ. zum Strafgeſetzb. v. 30. Aug. 1871 Art. XVI. Verwaltungs-Geſ. v. 30. Dez. 1871 §. 18. Einf.-Geſ. zum Handels-Geſ. u. Wechſ.-Ordn. v. 19. Juni 1872 §. 34. Geſ. v. 1. Dez. 1873 §. 15. Geſ. v. 26. Dez. 1873 §. 8.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/148>, abgerufen am 24.11.2024.