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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen.
gesetzlicher Delegation und nur innerhalb des Umfanges der ihm
ertheilten Ermächtigung treffen 1). Verbindliche Kraft erlangen
solche Verordnungen aus den oben S. 91 fg. entwickelten Gründen
nur dann, wenn sie ordnungsmäßig, d. h. im Gesetzblatt für Elsaß-
Lothringen verkündet worden sind.

4) Das Verhältniß zu den nach Maßgabe der
Reichsverfassung erlassenen Gesetzen
.

Die oben S. 109 fg. über das gegenseitige Verhältniß der Reichs-
gesetze und Landesgesetze entwickelten Regeln sind auf die für
Elsaß-Lothringen erlassenen Gesetze vollständig unanwendbar,
denn sie beruhen auf der Thatsache, daß Reichsgesetze und Landes-
gesetze von zwei verschiedenen Staatsgewalten erlassen wer-
den, von denen die eine der anderen untergeordnet ist. Die Wir-
kungen eines Gesetzes gegenüber anderen Anordnungen hängen
von der rechtlichen Machtstellung des Subjectes ab, welches den
Gesetzesbefehl (die Sanction) ertheilt, nicht von den Formen, welche
den Weg der Gesetzgebung bilden; aus der Ueberordnung der
Reichsgewalt über die Einzelstaats-Gewalt ergibt sich der Vorrang
der Reichsgesetze vor den Landesgesetzen und ihre verbindliche
Kraft. In Elsaß-Lothringen ist die Staatsgewalt mit der Reichs-
gewalt identisch; kann man auch objectiv die Befugnisse, welche
das Reich auf Grund der Verfassung im ganzen Reichsgebiete
hat, von denen unterscheiden, welche dem Reiche auf Grund seiner
unmittelbaren Herrschaft im Reichslande zustehen, so haben doch
beide Klassen von staatlichen Befugnissen dasselbe Subject 2).
Seit der Constituirung Elsaß-Lothringens zum Reichslande gibt
es demnach in Elsaß-Lothringen keine Landesgesetzgebung, keine
Autonomie im juristischen Sinne mehr. Als Landesgesetze

1) Ermächtigungen für den Reichskanzler enthalten das Ges. v. 14. Juli
1871 über die Gerichtsverfass. §. 2 Abs. 3 u. §. 16. Ges. v. 14. Juli 1871
über die Quartierleistung §. 3. Das Ges. v. 14. Juli 1871 über die Berg-
behörden Art. 8. Ges. v. 17. Juli 1871 über die Einf. der Zoll- u. Steuer-
gesetze §. 4. Das Verwaltungsgesetz v. 30. Dez. 1871 §. 14. Das Forstgesetz
v. 30. Dez. 1871 §. 8 u. 9. Das Schulgesetz v. 12. Febr. 1873 §. 4. Das
Weinsteuerges. v. 20. März 1873 §. 38. Das Expropriationsges. v. 1. Dez.
1873 §. 29. Ein Gesetz, welches lediglich die Aufhebung der bestehenden Vor-
schriften ausspricht und den Reichskanzler ermächtigt, andere an deren Stelle
zu erlassen, ist das Ges. v. 13. Januar 1873 (G.-Bl. S. 14.).
2) Vgl. Bd. I. S. 585.

§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
geſetzlicher Delegation und nur innerhalb des Umfanges der ihm
ertheilten Ermächtigung treffen 1). Verbindliche Kraft erlangen
ſolche Verordnungen aus den oben S. 91 fg. entwickelten Gründen
nur dann, wenn ſie ordnungsmäßig, d. h. im Geſetzblatt für Elſaß-
Lothringen verkündet worden ſind.

4) Das Verhältniß zu den nach Maßgabe der
Reichsverfaſſung erlaſſenen Geſetzen
.

Die oben S. 109 fg. über das gegenſeitige Verhältniß der Reichs-
geſetze und Landesgeſetze entwickelten Regeln ſind auf die für
Elſaß-Lothringen erlaſſenen Geſetze vollſtändig unanwendbar,
denn ſie beruhen auf der Thatſache, daß Reichsgeſetze und Landes-
geſetze von zwei verſchiedenen Staatsgewalten erlaſſen wer-
den, von denen die eine der anderen untergeordnet iſt. Die Wir-
kungen eines Geſetzes gegenüber anderen Anordnungen hängen
von der rechtlichen Machtſtellung des Subjectes ab, welches den
Geſetzesbefehl (die Sanction) ertheilt, nicht von den Formen, welche
den Weg der Geſetzgebung bilden; aus der Ueberordnung der
Reichsgewalt über die Einzelſtaats-Gewalt ergibt ſich der Vorrang
der Reichsgeſetze vor den Landesgeſetzen und ihre verbindliche
Kraft. In Elſaß-Lothringen iſt die Staatsgewalt mit der Reichs-
gewalt identiſch; kann man auch objectiv die Befugniſſe, welche
das Reich auf Grund der Verfaſſung im ganzen Reichsgebiete
hat, von denen unterſcheiden, welche dem Reiche auf Grund ſeiner
unmittelbaren Herrſchaft im Reichslande zuſtehen, ſo haben doch
beide Klaſſen von ſtaatlichen Befugniſſen daſſelbe Subject 2).
Seit der Conſtituirung Elſaß-Lothringens zum Reichslande gibt
es demnach in Elſaß-Lothringen keine Landesgeſetzgebung, keine
Autonomie im juriſtiſchen Sinne mehr. Als Landesgeſetze

1) Ermächtigungen für den Reichskanzler enthalten das Geſ. v. 14. Juli
1871 über die Gerichtsverfaſſ. §. 2 Abſ. 3 u. §. 16. Geſ. v. 14. Juli 1871
über die Quartierleiſtung §. 3. Das Geſ. v. 14. Juli 1871 über die Berg-
behörden Art. 8. Geſ. v. 17. Juli 1871 über die Einf. der Zoll- u. Steuer-
geſetze §. 4. Das Verwaltungsgeſetz v. 30. Dez. 1871 §. 14. Das Forſtgeſetz
v. 30. Dez. 1871 §. 8 u. 9. Das Schulgeſetz v. 12. Febr. 1873 §. 4. Das
Weinſteuergeſ. v. 20. März 1873 §. 38. Das Expropriationsgeſ. v. 1. Dez.
1873 §. 29. Ein Geſetz, welches lediglich die Aufhebung der beſtehenden Vor-
ſchriften ausſpricht und den Reichskanzler ermächtigt, andere an deren Stelle
zu erlaſſen, iſt das Geſ. v. 13. Januar 1873 (G.-Bl. S. 14.).
2) Vgl. Bd. I. S. 585.
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[135/0149] §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. geſetzlicher Delegation und nur innerhalb des Umfanges der ihm ertheilten Ermächtigung treffen 1). Verbindliche Kraft erlangen ſolche Verordnungen aus den oben S. 91 fg. entwickelten Gründen nur dann, wenn ſie ordnungsmäßig, d. h. im Geſetzblatt für Elſaß- Lothringen verkündet worden ſind. 4) Das Verhältniß zu den nach Maßgabe der Reichsverfaſſung erlaſſenen Geſetzen. Die oben S. 109 fg. über das gegenſeitige Verhältniß der Reichs- geſetze und Landesgeſetze entwickelten Regeln ſind auf die für Elſaß-Lothringen erlaſſenen Geſetze vollſtändig unanwendbar, denn ſie beruhen auf der Thatſache, daß Reichsgeſetze und Landes- geſetze von zwei verſchiedenen Staatsgewalten erlaſſen wer- den, von denen die eine der anderen untergeordnet iſt. Die Wir- kungen eines Geſetzes gegenüber anderen Anordnungen hängen von der rechtlichen Machtſtellung des Subjectes ab, welches den Geſetzesbefehl (die Sanction) ertheilt, nicht von den Formen, welche den Weg der Geſetzgebung bilden; aus der Ueberordnung der Reichsgewalt über die Einzelſtaats-Gewalt ergibt ſich der Vorrang der Reichsgeſetze vor den Landesgeſetzen und ihre verbindliche Kraft. In Elſaß-Lothringen iſt die Staatsgewalt mit der Reichs- gewalt identiſch; kann man auch objectiv die Befugniſſe, welche das Reich auf Grund der Verfaſſung im ganzen Reichsgebiete hat, von denen unterſcheiden, welche dem Reiche auf Grund ſeiner unmittelbaren Herrſchaft im Reichslande zuſtehen, ſo haben doch beide Klaſſen von ſtaatlichen Befugniſſen daſſelbe Subject 2). Seit der Conſtituirung Elſaß-Lothringens zum Reichslande gibt es demnach in Elſaß-Lothringen keine Landesgeſetzgebung, keine Autonomie im juriſtiſchen Sinne mehr. Als Landesgeſetze 1) Ermächtigungen für den Reichskanzler enthalten das Geſ. v. 14. Juli 1871 über die Gerichtsverfaſſ. §. 2 Abſ. 3 u. §. 16. Geſ. v. 14. Juli 1871 über die Quartierleiſtung §. 3. Das Geſ. v. 14. Juli 1871 über die Berg- behörden Art. 8. Geſ. v. 17. Juli 1871 über die Einf. der Zoll- u. Steuer- geſetze §. 4. Das Verwaltungsgeſetz v. 30. Dez. 1871 §. 14. Das Forſtgeſetz v. 30. Dez. 1871 §. 8 u. 9. Das Schulgeſetz v. 12. Febr. 1873 §. 4. Das Weinſteuergeſ. v. 20. März 1873 §. 38. Das Expropriationsgeſ. v. 1. Dez. 1873 §. 29. Ein Geſetz, welches lediglich die Aufhebung der beſtehenden Vor- ſchriften ausſpricht und den Reichskanzler ermächtigt, andere an deren Stelle zu erlaſſen, iſt das Geſ. v. 13. Januar 1873 (G.-Bl. S. 14.). 2) Vgl. Bd. I. S. 585.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/149>, abgerufen am 24.11.2024.