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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen.
das Reichsland zum Erlaß derselben befugt 1); diese Bestimmungen
erlangten vielmehr im Reichslande keine Rechtsgültigkeit.

Es sind jedoch während der Herrschaft des Gesetzes vom
9. Juni 1871 in Elsaß-Lothringen Reichsgesetze eingeführt
worden, welche den Bundesrath zum Erlaß von Ausführungs-
Verordnungen ermächtigen. So z. B. das Jesuitengesetz v. 4. Juli
1872 durch Ges. v. 8. Juli 1872; demgemäß sind die Bundes-
rathsbeschlüsse, welche auf Grund des §. 3 des Reichsgesetzes ge-
faßt worden sind, vom Reichskanzler für Elsaß-Lothringen ver-
kündet worden im Gesetzblatt 1872 S. 507, 1873 S. 89 2). In
einigen Fällen enthält das Einführungs-Gesetz die Bestimmung,
daß der Reichskanzler die zur Ausführung des Gesetzes er-
forderlichen Anordnungen erläßt, während das eingeführte Reichs-
gesetz den Erlaß dieser Anordnungen dem Bundesrathe über-
trägt. Dies ist z. B. der Fall in dem Ges. v. 14. Juli 1871
Art. 3 (G.-Bl. S. 175) betreffend die Einführung der Wechsel-
stempelsteuer, verglichen mit §. 28 des Wechselstempel-Gesetzes vom
10. Juni 1869 §. 28 3). Demzufolge hat der Reichskanzler durch
Bekanntmachung v. 27. Juli 1871 die vom Bundesrathe getroffenen
Bestimmungen im Gesetzblatt für E.-L. (S. 183) verkündet mit
der Klausel, daß dieselben "Anwendung zu finden haben." Es
kann nun fraglich erscheinen, ob für Elsaß-Lothringen der Bundes-
rath oder der Reichskanzler weitere Ausführungsbestimmungen zum
Wechselstempelgesetz, falls der Erlaß solcher sich als nothwendig
erweisen sollte, zu treffen befugt ist. Da es gewiß nicht die Ab-
sicht des Gesetzes war, Elsaß-Lothringen in dieser Hinsicht dauernd
in anderer Art wie das übrige Deutschland zu stellen und dem

1) Daß diese Befugniß nicht auf Art. 43 der R.-V. gestützt werden kann,
ist bereits oben S. 89 fg. ausgeführt worden.
2) Andere Beispiele sind das Ges. v. 15. Juli 1872 betreffend die Ein-
führung des §. 29 der Gewerbe-Ordnung, mit welchem zugleich die vom Bun-
desrath beschlossenen Ausführungsbestimmungen verkündet worden sind (G.-Bl.
1872 S. 534 ff.) und das Gesetz v. 27. Jauuar 1873, betreffend die Einfüh-
rung des Gesetzes zum Schutz des Urheberrechtes, mit welchem zugleich die
Bundesraths-Verordnung v. 12. Dez. 1870 über die Zusammensetzung und
den Geschäftsbetrieb der Sachverständigen-Vereine verkündet worden ist (G.-Bl.
1873 S. 19. 34).
3) Vgl. auch das Ges. v. 16. Mai 1873 §. 4 betreffend die Einführung
des Branntweinsteuergesetzes.

§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
das Reichsland zum Erlaß derſelben befugt 1); dieſe Beſtimmungen
erlangten vielmehr im Reichslande keine Rechtsgültigkeit.

Es ſind jedoch während der Herrſchaft des Geſetzes vom
9. Juni 1871 in Elſaß-Lothringen Reichsgeſetze eingeführt
worden, welche den Bundesrath zum Erlaß von Ausführungs-
Verordnungen ermächtigen. So z. B. das Jeſuitengeſetz v. 4. Juli
1872 durch Geſ. v. 8. Juli 1872; demgemäß ſind die Bundes-
rathsbeſchlüſſe, welche auf Grund des §. 3 des Reichsgeſetzes ge-
faßt worden ſind, vom Reichskanzler für Elſaß-Lothringen ver-
kündet worden im Geſetzblatt 1872 S. 507, 1873 S. 89 2). In
einigen Fällen enthält das Einführungs-Geſetz die Beſtimmung,
daß der Reichskanzler die zur Ausführung des Geſetzes er-
forderlichen Anordnungen erläßt, während das eingeführte Reichs-
geſetz den Erlaß dieſer Anordnungen dem Bundesrathe über-
trägt. Dies iſt z. B. der Fall in dem Geſ. v. 14. Juli 1871
Art. 3 (G.-Bl. S. 175) betreffend die Einführung der Wechſel-
ſtempelſteuer, verglichen mit §. 28 des Wechſelſtempel-Geſetzes vom
10. Juni 1869 §. 28 3). Demzufolge hat der Reichskanzler durch
Bekanntmachung v. 27. Juli 1871 die vom Bundesrathe getroffenen
Beſtimmungen im Geſetzblatt für E.-L. (S. 183) verkündet mit
der Klauſel, daß dieſelben „Anwendung zu finden haben.“ Es
kann nun fraglich erſcheinen, ob für Elſaß-Lothringen der Bundes-
rath oder der Reichskanzler weitere Ausführungsbeſtimmungen zum
Wechſelſtempelgeſetz, falls der Erlaß ſolcher ſich als nothwendig
erweiſen ſollte, zu treffen befugt iſt. Da es gewiß nicht die Ab-
ſicht des Geſetzes war, Elſaß-Lothringen in dieſer Hinſicht dauernd
in anderer Art wie das übrige Deutſchland zu ſtellen und dem

1) Daß dieſe Befugniß nicht auf Art. 43 der R.-V. geſtützt werden kann,
iſt bereits oben S. 89 fg. ausgeführt worden.
2) Andere Beiſpiele ſind das Geſ. v. 15. Juli 1872 betreffend die Ein-
führung des §. 29 der Gewerbe-Ordnung, mit welchem zugleich die vom Bun-
desrath beſchloſſenen Ausführungsbeſtimmungen verkündet worden ſind (G.-Bl.
1872 S. 534 ff.) und das Geſetz v. 27. Jauuar 1873, betreffend die Einfüh-
rung des Geſetzes zum Schutz des Urheberrechtes, mit welchem zugleich die
Bundesraths-Verordnung v. 12. Dez. 1870 über die Zuſammenſetzung und
den Geſchäftsbetrieb der Sachverſtändigen-Vereine verkündet worden iſt (G.-Bl.
1873 S. 19. 34).
3) Vgl. auch das Geſ. v. 16. Mai 1873 §. 4 betreffend die Einführung
des Branntweinſteuergeſetzes.
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[133/0147] §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. das Reichsland zum Erlaß derſelben befugt 1); dieſe Beſtimmungen erlangten vielmehr im Reichslande keine Rechtsgültigkeit. Es ſind jedoch während der Herrſchaft des Geſetzes vom 9. Juni 1871 in Elſaß-Lothringen Reichsgeſetze eingeführt worden, welche den Bundesrath zum Erlaß von Ausführungs- Verordnungen ermächtigen. So z. B. das Jeſuitengeſetz v. 4. Juli 1872 durch Geſ. v. 8. Juli 1872; demgemäß ſind die Bundes- rathsbeſchlüſſe, welche auf Grund des §. 3 des Reichsgeſetzes ge- faßt worden ſind, vom Reichskanzler für Elſaß-Lothringen ver- kündet worden im Geſetzblatt 1872 S. 507, 1873 S. 89 2). In einigen Fällen enthält das Einführungs-Geſetz die Beſtimmung, daß der Reichskanzler die zur Ausführung des Geſetzes er- forderlichen Anordnungen erläßt, während das eingeführte Reichs- geſetz den Erlaß dieſer Anordnungen dem Bundesrathe über- trägt. Dies iſt z. B. der Fall in dem Geſ. v. 14. Juli 1871 Art. 3 (G.-Bl. S. 175) betreffend die Einführung der Wechſel- ſtempelſteuer, verglichen mit §. 28 des Wechſelſtempel-Geſetzes vom 10. Juni 1869 §. 28 3). Demzufolge hat der Reichskanzler durch Bekanntmachung v. 27. Juli 1871 die vom Bundesrathe getroffenen Beſtimmungen im Geſetzblatt für E.-L. (S. 183) verkündet mit der Klauſel, daß dieſelben „Anwendung zu finden haben.“ Es kann nun fraglich erſcheinen, ob für Elſaß-Lothringen der Bundes- rath oder der Reichskanzler weitere Ausführungsbeſtimmungen zum Wechſelſtempelgeſetz, falls der Erlaß ſolcher ſich als nothwendig erweiſen ſollte, zu treffen befugt iſt. Da es gewiß nicht die Ab- ſicht des Geſetzes war, Elſaß-Lothringen in dieſer Hinſicht dauernd in anderer Art wie das übrige Deutſchland zu ſtellen und dem 1) Daß dieſe Befugniß nicht auf Art. 43 der R.-V. geſtützt werden kann, iſt bereits oben S. 89 fg. ausgeführt worden. 2) Andere Beiſpiele ſind das Geſ. v. 15. Juli 1872 betreffend die Ein- führung des §. 29 der Gewerbe-Ordnung, mit welchem zugleich die vom Bun- desrath beſchloſſenen Ausführungsbeſtimmungen verkündet worden ſind (G.-Bl. 1872 S. 534 ff.) und das Geſetz v. 27. Jauuar 1873, betreffend die Einfüh- rung des Geſetzes zum Schutz des Urheberrechtes, mit welchem zugleich die Bundesraths-Verordnung v. 12. Dez. 1870 über die Zuſammenſetzung und den Geſchäftsbetrieb der Sachverſtändigen-Vereine verkündet worden iſt (G.-Bl. 1873 S. 19. 34). 3) Vgl. auch das Geſ. v. 16. Mai 1873 §. 4 betreffend die Einführung des Branntweinſteuergeſetzes.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/147>, abgerufen am 13.05.2024.