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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 62. Die Gesetzgebung für Elsaß-Lothringen.
der R.-V. nicht eingeführt wurde, so kam die Verkündigung durch
das Reichsgesetzblatt nicht zur Anwendung. Zunächst blieb die V.
v. 9. Septemb. 1870 in Geltung, nach welcher die Verkündigung
durch die "Amtlichen Nachrichten" zu erfolgen hatte. Schon am
3. Juli 1871 wurde jedoch ein Gesetz gegeben, wonach die Ver-
kündigung der für Elsaß-Lothringen erlassenen Gesetze und kaiser-
lichen Verordnungen in einem Gesetzblatt erfolgen soll, welches den
Titel "Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen" führt und vom Reichs-
kanzler-Amt herausgegeben wird. Das Gesetz lehnt sich in seiner
Wortfassung an den Art. 2 der R.-V. an und bestimmt wie dieser,
daß, sofern nicht in dem verkündeten Gesetze ein anderer Anfangs-
Termin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, diese mit dem vier-
zehnten Tage nach Ablauf desjenigen Tages beginnt, an welchem
das betreffende Stück des Gesetzblattes in Berlin ausgegeben wor-
den ist 1).

Dieses Gesetz trat am Tage seiner Verkündigung, nämlich am
5. Juli 1871, in Kraft.

Alles, was oben S. 54 fg. von dem Wesen und den Erforder-
nissen der Verkündigung von Reichsgesetzen entwickelt worden ist,
findet auch auf die Gesetze für Elsaß-Lothringen analoge Anwen-
dung.

2. Die Form der Verordnung.

Das Gesetz vom 9. Juni 1871 hat keine Anordnung darüber,
wie Ausführungs-Bestimmungen, welche Rechtssätze enthalten, rechts-
wirksam erlassen werden können. Die Frage nach der Zulässigkeit
von Rechtsverordnungen ist demnach ebenso zu entscheiden, wie
nach der Reichsverfassung 2). Alle Rechtsregeln, auch wenn sie nur
zur Ausführung oder Ergänzung gesetzlicher Vorschriften dienen,
müssen der Regel nach in der, im §. 3 des Ges. v. 9. Juni 1871
normirten Gesetzesform aufgestellt werden; eine allgemeine Er-
mächtigung von dieser Form abzuweichen ist nicht ertheilt worden.
Ebenso wenig ist es aber verboten, durch eine spezielle im Wege
der Gesetzgebung erlassene Vorschrift eine solche Ermächtigung zu
ertheilen und für den Erlaß gewisser Anordnungen einen anderen
Weg als den der regelmäßigen Gesetzgebung vorzuschreiben 3).


1) Ges. v. 3. Juli 1871 §. 2.
2) Siehe oben S. 77.
3) Da das französische Recht im Allgemeinen in Els.-Lothr. in Geltung

§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
der R.-V. nicht eingeführt wurde, ſo kam die Verkündigung durch
das Reichsgeſetzblatt nicht zur Anwendung. Zunächſt blieb die V.
v. 9. Septemb. 1870 in Geltung, nach welcher die Verkündigung
durch die „Amtlichen Nachrichten“ zu erfolgen hatte. Schon am
3. Juli 1871 wurde jedoch ein Geſetz gegeben, wonach die Ver-
kündigung der für Elſaß-Lothringen erlaſſenen Geſetze und kaiſer-
lichen Verordnungen in einem Geſetzblatt erfolgen ſoll, welches den
Titel „Geſetzblatt für Elſaß-Lothringen“ führt und vom Reichs-
kanzler-Amt herausgegeben wird. Das Geſetz lehnt ſich in ſeiner
Wortfaſſung an den Art. 2 der R.-V. an und beſtimmt wie dieſer,
daß, ſofern nicht in dem verkündeten Geſetze ein anderer Anfangs-
Termin ſeiner verbindlichen Kraft beſtimmt iſt, dieſe mit dem vier-
zehnten Tage nach Ablauf desjenigen Tages beginnt, an welchem
das betreffende Stück des Geſetzblattes in Berlin ausgegeben wor-
den iſt 1).

Dieſes Geſetz trat am Tage ſeiner Verkündigung, nämlich am
5. Juli 1871, in Kraft.

Alles, was oben S. 54 fg. von dem Weſen und den Erforder-
niſſen der Verkündigung von Reichsgeſetzen entwickelt worden iſt,
findet auch auf die Geſetze für Elſaß-Lothringen analoge Anwen-
dung.

2. Die Form der Verordnung.

Das Geſetz vom 9. Juni 1871 hat keine Anordnung darüber,
wie Ausführungs-Beſtimmungen, welche Rechtsſätze enthalten, rechts-
wirkſam erlaſſen werden können. Die Frage nach der Zuläſſigkeit
von Rechtsverordnungen iſt demnach ebenſo zu entſcheiden, wie
nach der Reichsverfaſſung 2). Alle Rechtsregeln, auch wenn ſie nur
zur Ausführung oder Ergänzung geſetzlicher Vorſchriften dienen,
müſſen der Regel nach in der, im §. 3 des Geſ. v. 9. Juni 1871
normirten Geſetzesform aufgeſtellt werden; eine allgemeine Er-
mächtigung von dieſer Form abzuweichen iſt nicht ertheilt worden.
Ebenſo wenig iſt es aber verboten, durch eine ſpezielle im Wege
der Geſetzgebung erlaſſene Vorſchrift eine ſolche Ermächtigung zu
ertheilen und für den Erlaß gewiſſer Anordnungen einen anderen
Weg als den der regelmäßigen Geſetzgebung vorzuſchreiben 3).


1) Geſ. v. 3. Juli 1871 §. 2.
2) Siehe oben S. 77.
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[130/0144] §. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen. der R.-V. nicht eingeführt wurde, ſo kam die Verkündigung durch das Reichsgeſetzblatt nicht zur Anwendung. Zunächſt blieb die V. v. 9. Septemb. 1870 in Geltung, nach welcher die Verkündigung durch die „Amtlichen Nachrichten“ zu erfolgen hatte. Schon am 3. Juli 1871 wurde jedoch ein Geſetz gegeben, wonach die Ver- kündigung der für Elſaß-Lothringen erlaſſenen Geſetze und kaiſer- lichen Verordnungen in einem Geſetzblatt erfolgen ſoll, welches den Titel „Geſetzblatt für Elſaß-Lothringen“ führt und vom Reichs- kanzler-Amt herausgegeben wird. Das Geſetz lehnt ſich in ſeiner Wortfaſſung an den Art. 2 der R.-V. an und beſtimmt wie dieſer, daß, ſofern nicht in dem verkündeten Geſetze ein anderer Anfangs- Termin ſeiner verbindlichen Kraft beſtimmt iſt, dieſe mit dem vier- zehnten Tage nach Ablauf desjenigen Tages beginnt, an welchem das betreffende Stück des Geſetzblattes in Berlin ausgegeben wor- den iſt 1). Dieſes Geſetz trat am Tage ſeiner Verkündigung, nämlich am 5. Juli 1871, in Kraft. Alles, was oben S. 54 fg. von dem Weſen und den Erforder- niſſen der Verkündigung von Reichsgeſetzen entwickelt worden iſt, findet auch auf die Geſetze für Elſaß-Lothringen analoge Anwen- dung. 2. Die Form der Verordnung. Das Geſetz vom 9. Juni 1871 hat keine Anordnung darüber, wie Ausführungs-Beſtimmungen, welche Rechtsſätze enthalten, rechts- wirkſam erlaſſen werden können. Die Frage nach der Zuläſſigkeit von Rechtsverordnungen iſt demnach ebenſo zu entſcheiden, wie nach der Reichsverfaſſung 2). Alle Rechtsregeln, auch wenn ſie nur zur Ausführung oder Ergänzung geſetzlicher Vorſchriften dienen, müſſen der Regel nach in der, im §. 3 des Geſ. v. 9. Juni 1871 normirten Geſetzesform aufgeſtellt werden; eine allgemeine Er- mächtigung von dieſer Form abzuweichen iſt nicht ertheilt worden. Ebenſo wenig iſt es aber verboten, durch eine ſpezielle im Wege der Geſetzgebung erlaſſene Vorſchrift eine ſolche Ermächtigung zu ertheilen und für den Erlaß gewiſſer Anordnungen einen anderen Weg als den der regelmäßigen Geſetzgebung vorzuſchreiben 3). 1) Geſ. v. 3. Juli 1871 §. 2. 2) Siehe oben S. 77. 3) Da das franzöſiſche Recht im Allgemeinen in Elſ.-Lothr. in Geltung

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/144>, abgerufen am 13.05.2024.