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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
num gebracht werden, dessen Ansicht für die Entscheidung der
Sache, welche zu der Plenarberathung Veranlassung gegeben hat,
maaßgebend ist 1). Ferner ist ein Plenarbeschluß erforderlich in
Disciplinarsachen oder bei der unfreiwilligen Versetzung eines Mit-
gliedes in den Ruhestand 2). Ueberdies sind in dem Geschäfts-
Regulativ §. 8 auf Grund der im Gesetz v. 12. Juni 1869 §. 11
ertheilten Ermächtigung eine Reihe von Angelegenheiten vor das
Plenum verwiesen. Ueber die Plenar-Entscheidungen wird ein be-
sonderes Präjudizien-Buch in drei gleichlautenden, zum Gebrauche
der drei Senate bestimmten Exemplaren geführt 3).

Durch diese Anordnungen soll trotz der Theilung des Gerichts-
hofes in drei Senate die Einheitlichkeit desselben und die Gleich-
artigkeit seiner Rechtsprechung gesichert werden.

Dem Gerichtshof ist die Abfassung seines Geschäfts-Regula-
tivs übertragen; dasselbe bedarf jedoch der Bestätigung des Bun-
desrathes 4).

Die Kompetenz des Reichs-Oberhandelsgerichtes ist wäh-
rend seines Bestehens fortwährend erweitert worden. Sie umfaßt
gegenwärtig folgende Rechtsangelegenheiten:

1) bürgerliche Rechtsstreitigkeiten über Handelssachen 5).

Zu den Handelssachen gehören:

a) Die im §. 13 des Gesetzes vom 12. Juni 1869 aufgeführ-
1) Ges. §. 9.
2) Ges. §. 23. 24. 25 Abs. 4.
3) Auch jeder Senat führt ein Präjudizienbuch, in welches die von ihm
getroffenen wichtigeren Entscheidungen eingetragen werden. Die in das Prä-
judizienbuch eines Senats eingetragenen Entscheidungen sind in den beiden
anderen Senaten durch deren Vorsitzende zum Vortrag zu bringen und in eine
besondere Abtheilung der Präjudizienbücher dieser Senate abschriftlich zu über-
tragen. Regulativ §. 9.
4) Gesetz vom 12. Juni 1869 §. 11. Das Geschäftsregulativ v. 11. Mai
1871 ist abgedruckt in den Entscheidungen des O.-H.-G. II. S. 7 ff., das
neue Regulativ vom 9. Juli 1874 im Centralblatt des Deutschen Reiches
S. 275 ff. und in Hirth's Annalen 1874 S. 1537 ff.
5) Gesetz vom 12. Juni 1869 §. 1. So lange es an einer gemeinsamen
Reichs-Prozeß-Ordnung fehlt, erstreckt sich die Kompetenz des Reichsgerichts
in Handelssachen in jedem Rechtsgebiet so weit, als nach der Gerichtsverfassung
und dem Rechtsmittelsystem desselben das oberste Landesgericht zuständig
sein würde. Gesetz §. 12. Vgl. dazu Endemann a. a. O. S. LXXXV. u.
Goldschmidt a. a. O. S. 152. 153.

§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
num gebracht werden, deſſen Anſicht für die Entſcheidung der
Sache, welche zu der Plenarberathung Veranlaſſung gegeben hat,
maaßgebend iſt 1). Ferner iſt ein Plenarbeſchluß erforderlich in
Disciplinarſachen oder bei der unfreiwilligen Verſetzung eines Mit-
gliedes in den Ruheſtand 2). Ueberdies ſind in dem Geſchäfts-
Regulativ §. 8 auf Grund der im Geſetz v. 12. Juni 1869 §. 11
ertheilten Ermächtigung eine Reihe von Angelegenheiten vor das
Plenum verwieſen. Ueber die Plenar-Entſcheidungen wird ein be-
ſonderes Präjudizien-Buch in drei gleichlautenden, zum Gebrauche
der drei Senate beſtimmten Exemplaren geführt 3).

Durch dieſe Anordnungen ſoll trotz der Theilung des Gerichts-
hofes in drei Senate die Einheitlichkeit deſſelben und die Gleich-
artigkeit ſeiner Rechtſprechung geſichert werden.

Dem Gerichtshof iſt die Abfaſſung ſeines Geſchäfts-Regula-
tivs übertragen; daſſelbe bedarf jedoch der Beſtätigung des Bun-
desrathes 4).

Die Kompetenz des Reichs-Oberhandelsgerichtes iſt wäh-
rend ſeines Beſtehens fortwährend erweitert worden. Sie umfaßt
gegenwärtig folgende Rechtsangelegenheiten:

1) bürgerliche Rechtsſtreitigkeiten über Handelsſachen 5).

Zu den Handelsſachen gehören:

a) Die im §. 13 des Geſetzes vom 12. Juni 1869 aufgeführ-
1) Geſ. §. 9.
2) Geſ. §. 23. 24. 25 Abſ. 4.
3) Auch jeder Senat führt ein Präjudizienbuch, in welches die von ihm
getroffenen wichtigeren Entſcheidungen eingetragen werden. Die in das Prä-
judizienbuch eines Senats eingetragenen Entſcheidungen ſind in den beiden
anderen Senaten durch deren Vorſitzende zum Vortrag zu bringen und in eine
beſondere Abtheilung der Präjudizienbücher dieſer Senate abſchriftlich zu über-
tragen. Regulativ §. 9.
4) Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 11. Das Geſchäftsregulativ v. 11. Mai
1871 iſt abgedruckt in den Entſcheidungen des O.-H.-G. II. S. 7 ff., das
neue Regulativ vom 9. Juli 1874 im Centralblatt des Deutſchen Reiches
S. 275 ff. und in Hirth’s Annalen 1874 S. 1537 ff.
5) Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 1. So lange es an einer gemeinſamen
Reichs-Prozeß-Ordnung fehlt, erſtreckt ſich die Kompetenz des Reichsgerichts
in Handelsſachen in jedem Rechtsgebiet ſo weit, als nach der Gerichtsverfaſſung
und dem Rechtsmittelſyſtem deſſelben das oberſte Landesgericht zuſtändig
ſein würde. Geſetz §. 12. Vgl. dazu Endemann a. a. O. S. LXXXV. u.
Goldſchmidt a. a. O. S. 152. 153.
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[363/0383] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. num gebracht werden, deſſen Anſicht für die Entſcheidung der Sache, welche zu der Plenarberathung Veranlaſſung gegeben hat, maaßgebend iſt 1). Ferner iſt ein Plenarbeſchluß erforderlich in Disciplinarſachen oder bei der unfreiwilligen Verſetzung eines Mit- gliedes in den Ruheſtand 2). Ueberdies ſind in dem Geſchäfts- Regulativ §. 8 auf Grund der im Geſetz v. 12. Juni 1869 §. 11 ertheilten Ermächtigung eine Reihe von Angelegenheiten vor das Plenum verwieſen. Ueber die Plenar-Entſcheidungen wird ein be- ſonderes Präjudizien-Buch in drei gleichlautenden, zum Gebrauche der drei Senate beſtimmten Exemplaren geführt 3). Durch dieſe Anordnungen ſoll trotz der Theilung des Gerichts- hofes in drei Senate die Einheitlichkeit deſſelben und die Gleich- artigkeit ſeiner Rechtſprechung geſichert werden. Dem Gerichtshof iſt die Abfaſſung ſeines Geſchäfts-Regula- tivs übertragen; daſſelbe bedarf jedoch der Beſtätigung des Bun- desrathes 4). Die Kompetenz des Reichs-Oberhandelsgerichtes iſt wäh- rend ſeines Beſtehens fortwährend erweitert worden. Sie umfaßt gegenwärtig folgende Rechtsangelegenheiten: 1) bürgerliche Rechtsſtreitigkeiten über Handelsſachen 5). Zu den Handelsſachen gehören: a) Die im §. 13 des Geſetzes vom 12. Juni 1869 aufgeführ- 1) Geſ. §. 9. 2) Geſ. §. 23. 24. 25 Abſ. 4. 3) Auch jeder Senat führt ein Präjudizienbuch, in welches die von ihm getroffenen wichtigeren Entſcheidungen eingetragen werden. Die in das Prä- judizienbuch eines Senats eingetragenen Entſcheidungen ſind in den beiden anderen Senaten durch deren Vorſitzende zum Vortrag zu bringen und in eine beſondere Abtheilung der Präjudizienbücher dieſer Senate abſchriftlich zu über- tragen. Regulativ §. 9. 4) Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 11. Das Geſchäftsregulativ v. 11. Mai 1871 iſt abgedruckt in den Entſcheidungen des O.-H.-G. II. S. 7 ff., das neue Regulativ vom 9. Juli 1874 im Centralblatt des Deutſchen Reiches S. 275 ff. und in Hirth’s Annalen 1874 S. 1537 ff. 5) Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 1. So lange es an einer gemeinſamen Reichs-Prozeß-Ordnung fehlt, erſtreckt ſich die Kompetenz des Reichsgerichts in Handelsſachen in jedem Rechtsgebiet ſo weit, als nach der Gerichtsverfaſſung und dem Rechtsmittelſyſtem deſſelben das oberſte Landesgericht zuſtändig ſein würde. Geſetz §. 12. Vgl. dazu Endemann a. a. O. S. LXXXV. u. Goldſchmidt a. a. O. S. 152. 153.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/383>, abgerufen am 22.11.2024.