Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
derselbe in drei Senategetheilt 1), deren Vorsitz dem Präsidenten, dem
ersten und dem zweiten Vicepräsidenten zusteht, vorbehaltlich der
Befugniß des Präsidenten, den Vorsitz in einzelnen Sitzungen des
zweiten oder dritten Senats zu übernehmen 2). Jedes Mitglied
muß einem Senat als ständiges Mitglied angehören und jeder
Senat einschließlich des Vorsitzenden aus mindestens 7 Mitgliedern
bestehen 3). Zur Fassung gültiger Beschlüsse ist die Theilnahme
von mindestens sieben Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden
erforderlich 4). Die Beschlußfassung erfolgt nach Majorität, ohne
daß der Vorsitzende einen Stich-Entscheid hat; die Zahl der Mit-
glieder, welche bei der Fassung eines Beschlußes eine entscheidende
Stimme führen, muß daher in allen Fällen eine ungerade sein 5).

Die Zusammensetzung der Senate erfolgt durch den Präsiden-
ten, mindestens auf die Dauer eines Gerichtsjahres; ebenso die
Bezeichnung der Mitglieder, denen für die Verhinderungsfälle die
Vertretung obliegt 6). Auch die Vertheilung der Sachen unter
die Senate ist vorläufig für jeden einzelnen Fall dem Präsidenten
übertragen 7).

Jeder Senat bearbeitet die ihm zugetheilten Sachen selbststän-
dig 8). In einer Reihe von Fällen ist aber eine Entscheidung
des Plenums erforderlich. Insbesondere muß, wenn die Ansicht
eines Senates über eine Rechtsfrage von einer früheren Ansicht
desselben Senats oder eines anderen Senats oder des Plenums
abweicht, diese Rechtsfrage vor der Sachentscheidung vor das Ple-

1) Bis zum 31. August 1871 bestand der Gerichtshof aus einem Senat;
vom 1. September 1871 bis zum 31. August 1874 aus zwei Senaten. Vgl.
Entscheidungen II. S. 449 u. XII. S. 441. Bundesraths-Protok. 1874 §. 336.
2) Regulativ vom 9. Juli 1874 §. 4. Außerdem wird für die Zeit der
Gerichtsferien (1. Juli bis 1. September) zur Bearbeitung der Feriensachen
ein sogenannter Feriensenat gebildet. Regulativ §. 30.
3) Regulativ §. 5. Vgl. Gesetz §. 8 Abs. 3.
4) Die Anzahl ist daher keine geschlossene, fest bestimmte, sondern nur die
Minimalzahl ist festgesetzt.
5) Gesetz vom 12. Juni 1869 §. 7. Auch im Falle einer Meinungsver-
schiedenheit über die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Ab-
stimmung entscheidet der Gerichtshof. Regulativ §. 22.
6) ebenda §. 8 Abs. 2.
7) Regulativ §. 6.
8) Regulativ §. 7.

§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
derſelbe in drei Senategetheilt 1), deren Vorſitz dem Präſidenten, dem
erſten und dem zweiten Vicepräſidenten zuſteht, vorbehaltlich der
Befugniß des Präſidenten, den Vorſitz in einzelnen Sitzungen des
zweiten oder dritten Senats zu übernehmen 2). Jedes Mitglied
muß einem Senat als ſtändiges Mitglied angehören und jeder
Senat einſchließlich des Vorſitzenden aus mindeſtens 7 Mitgliedern
beſtehen 3). Zur Faſſung gültiger Beſchlüſſe iſt die Theilnahme
von mindeſtens ſieben Mitgliedern, einſchließlich des Vorſitzenden
erforderlich 4). Die Beſchlußfaſſung erfolgt nach Majorität, ohne
daß der Vorſitzende einen Stich-Entſcheid hat; die Zahl der Mit-
glieder, welche bei der Faſſung eines Beſchlußes eine entſcheidende
Stimme führen, muß daher in allen Fällen eine ungerade ſein 5).

Die Zuſammenſetzung der Senate erfolgt durch den Präſiden-
ten, mindeſtens auf die Dauer eines Gerichtsjahres; ebenſo die
Bezeichnung der Mitglieder, denen für die Verhinderungsfälle die
Vertretung obliegt 6). Auch die Vertheilung der Sachen unter
die Senate iſt vorläufig für jeden einzelnen Fall dem Präſidenten
übertragen 7).

Jeder Senat bearbeitet die ihm zugetheilten Sachen ſelbſtſtän-
dig 8). In einer Reihe von Fällen iſt aber eine Entſcheidung
des Plenums erforderlich. Insbeſondere muß, wenn die Anſicht
eines Senates über eine Rechtsfrage von einer früheren Anſicht
deſſelben Senats oder eines anderen Senats oder des Plenums
abweicht, dieſe Rechtsfrage vor der Sachentſcheidung vor das Ple-

1) Bis zum 31. Auguſt 1871 beſtand der Gerichtshof aus einem Senat;
vom 1. September 1871 bis zum 31. Auguſt 1874 aus zwei Senaten. Vgl.
Entſcheidungen II. S. 449 u. XII. S. 441. Bundesraths-Protok. 1874 §. 336.
2) Regulativ vom 9. Juli 1874 §. 4. Außerdem wird für die Zeit der
Gerichtsferien (1. Juli bis 1. September) zur Bearbeitung der Ferienſachen
ein ſogenannter Ferienſenat gebildet. Regulativ §. 30.
3) Regulativ §. 5. Vgl. Geſetz §. 8 Abſ. 3.
4) Die Anzahl iſt daher keine geſchloſſene, feſt beſtimmte, ſondern nur die
Minimalzahl iſt feſtgeſetzt.
5) Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 7. Auch im Falle einer Meinungsver-
ſchiedenheit über die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Ab-
ſtimmung entſcheidet der Gerichtshof. Regulativ §. 22.
6) ebenda §. 8 Abſ. 2.
7) Regulativ §. 6.
8) Regulativ §. 7.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0382" n="362"/><fw place="top" type="header">§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.</fw><lb/>
der&#x017F;elbe in <hi rendition="#g">drei</hi> Senategetheilt <note place="foot" n="1)">Bis zum 31. Augu&#x017F;t 1871 be&#x017F;tand der Gerichtshof aus einem Senat;<lb/>
vom 1. September 1871 bis zum 31. Augu&#x017F;t 1874 aus zwei Senaten. Vgl.<lb/>
Ent&#x017F;cheidungen <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 449 u. <hi rendition="#aq">XII.</hi> S. 441. Bundesraths-Protok. 1874 §. 336.</note>, deren Vor&#x017F;itz dem Prä&#x017F;identen, dem<lb/>
er&#x017F;ten und dem zweiten Viceprä&#x017F;identen zu&#x017F;teht, vorbehaltlich der<lb/>
Befugniß des Prä&#x017F;identen, den Vor&#x017F;itz in einzelnen Sitzungen des<lb/>
zweiten oder dritten Senats zu übernehmen <note place="foot" n="2)">Regulativ vom 9. Juli 1874 §. 4. Außerdem wird für die Zeit der<lb/>
Gerichtsferien (1. Juli bis 1. September) zur Bearbeitung der Ferien&#x017F;achen<lb/>
ein &#x017F;ogenannter Ferien&#x017F;enat gebildet. Regulativ §. 30.</note>. Jedes Mitglied<lb/>
muß einem Senat als &#x017F;tändiges Mitglied angehören und jeder<lb/>
Senat ein&#x017F;chließlich des Vor&#x017F;itzenden aus minde&#x017F;tens 7 Mitgliedern<lb/>
be&#x017F;tehen <note place="foot" n="3)">Regulativ §. 5. Vgl. Ge&#x017F;etz §. 8 Ab&#x017F;. 3.</note>. Zur Fa&#x017F;&#x017F;ung gültiger Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t die Theilnahme<lb/>
von minde&#x017F;tens &#x017F;ieben Mitgliedern, ein&#x017F;chließlich des Vor&#x017F;itzenden<lb/>
erforderlich <note place="foot" n="4)">Die Anzahl i&#x017F;t daher keine ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene, fe&#x017F;t be&#x017F;timmte, &#x017F;ondern nur die<lb/>
Minimalzahl i&#x017F;t fe&#x017F;tge&#x017F;etzt.</note>. Die Be&#x017F;chlußfa&#x017F;&#x017F;ung erfolgt nach Majorität, ohne<lb/>
daß der Vor&#x017F;itzende einen Stich-Ent&#x017F;cheid hat; die Zahl der Mit-<lb/>
glieder, welche bei der Fa&#x017F;&#x017F;ung eines Be&#x017F;chlußes eine ent&#x017F;cheidende<lb/>
Stimme führen, muß daher in allen Fällen eine ungerade &#x017F;ein <note place="foot" n="5)">Ge&#x017F;etz vom 12. Juni 1869 §. 7. Auch im Falle einer Meinungsver-<lb/>
&#x017F;chiedenheit über die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Ab-<lb/>
&#x017F;timmung ent&#x017F;cheidet der Gerichtshof. Regulativ §. 22.</note>.</p><lb/>
                  <p>Die Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der Senate erfolgt durch den Prä&#x017F;iden-<lb/>
ten, minde&#x017F;tens auf die Dauer eines Gerichtsjahres; eben&#x017F;o die<lb/>
Bezeichnung der Mitglieder, denen für die Verhinderungsfälle die<lb/>
Vertretung obliegt <note place="foot" n="6)">ebenda §. 8 Ab&#x017F;. 2.</note>. Auch die Vertheilung der Sachen unter<lb/>
die Senate i&#x017F;t vorläufig für jeden einzelnen Fall dem Prä&#x017F;identen<lb/>
übertragen <note place="foot" n="7)">Regulativ §. 6.</note>.</p><lb/>
                  <p>Jeder Senat bearbeitet die ihm zugetheilten Sachen &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tän-<lb/>
dig <note place="foot" n="8)">Regulativ §. 7.</note>. In einer Reihe von Fällen i&#x017F;t aber eine Ent&#x017F;cheidung<lb/>
des Plenums erforderlich. Insbe&#x017F;ondere muß, wenn die An&#x017F;icht<lb/>
eines Senates über eine Rechtsfrage von einer früheren An&#x017F;icht<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben Senats oder eines anderen Senats oder des Plenums<lb/>
abweicht, die&#x017F;e Rechtsfrage vor der Sachent&#x017F;cheidung vor das Ple-<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0382] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. derſelbe in drei Senategetheilt 1), deren Vorſitz dem Präſidenten, dem erſten und dem zweiten Vicepräſidenten zuſteht, vorbehaltlich der Befugniß des Präſidenten, den Vorſitz in einzelnen Sitzungen des zweiten oder dritten Senats zu übernehmen 2). Jedes Mitglied muß einem Senat als ſtändiges Mitglied angehören und jeder Senat einſchließlich des Vorſitzenden aus mindeſtens 7 Mitgliedern beſtehen 3). Zur Faſſung gültiger Beſchlüſſe iſt die Theilnahme von mindeſtens ſieben Mitgliedern, einſchließlich des Vorſitzenden erforderlich 4). Die Beſchlußfaſſung erfolgt nach Majorität, ohne daß der Vorſitzende einen Stich-Entſcheid hat; die Zahl der Mit- glieder, welche bei der Faſſung eines Beſchlußes eine entſcheidende Stimme führen, muß daher in allen Fällen eine ungerade ſein 5). Die Zuſammenſetzung der Senate erfolgt durch den Präſiden- ten, mindeſtens auf die Dauer eines Gerichtsjahres; ebenſo die Bezeichnung der Mitglieder, denen für die Verhinderungsfälle die Vertretung obliegt 6). Auch die Vertheilung der Sachen unter die Senate iſt vorläufig für jeden einzelnen Fall dem Präſidenten übertragen 7). Jeder Senat bearbeitet die ihm zugetheilten Sachen ſelbſtſtän- dig 8). In einer Reihe von Fällen iſt aber eine Entſcheidung des Plenums erforderlich. Insbeſondere muß, wenn die Anſicht eines Senates über eine Rechtsfrage von einer früheren Anſicht deſſelben Senats oder eines anderen Senats oder des Plenums abweicht, dieſe Rechtsfrage vor der Sachentſcheidung vor das Ple- 1) Bis zum 31. Auguſt 1871 beſtand der Gerichtshof aus einem Senat; vom 1. September 1871 bis zum 31. Auguſt 1874 aus zwei Senaten. Vgl. Entſcheidungen II. S. 449 u. XII. S. 441. Bundesraths-Protok. 1874 §. 336. 2) Regulativ vom 9. Juli 1874 §. 4. Außerdem wird für die Zeit der Gerichtsferien (1. Juli bis 1. September) zur Bearbeitung der Ferienſachen ein ſogenannter Ferienſenat gebildet. Regulativ §. 30. 3) Regulativ §. 5. Vgl. Geſetz §. 8 Abſ. 3. 4) Die Anzahl iſt daher keine geſchloſſene, feſt beſtimmte, ſondern nur die Minimalzahl iſt feſtgeſetzt. 5) Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 7. Auch im Falle einer Meinungsver- ſchiedenheit über die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Ab- ſtimmung entſcheidet der Gerichtshof. Regulativ §. 22. 6) ebenda §. 8 Abſ. 2. 7) Regulativ §. 6. 8) Regulativ §. 7.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/382
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/382>, abgerufen am 22.11.2024.