Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrathes. tag haben andere Aufgaben im Reich zu erfüllen, als Recht zusprechen und sind deshalb auch in einer Weise eingerichtet, die am wenigsten auf die Bedürfnisse der Rechtspflege berechnet ist. Die Bundesraths-Mitglieder stimmen nach Instruktionen, die Reichstags-Mitglieder unter dem Einfluß politischer Anschauungen und Tendenzen. Wenn zwei solche Körperschaften, von denen keine ihrer allgemeinen Anlage nach geeignet ist, die Rolle eines Gerichts- hofes zu übernehmen, sich zu einem übereinstimmenden Votum vereinigen müssen, um die Entscheidung eines Rechtsstreites zu finden, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß diese Entscheidung lediglich nach Rechtsgrundsätzen erfolgen werde, keine sehr große. Die Reichsverfassung verlangt auch nicht, daß diese Entschei- Die "Erledigung" der Verfassungsstreitigkeit kann auch er- Es ist dies in zweifacher Beziehung bemerkenswerth. Erstens §. 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrathes. Die hier in Betracht kommenden Rechtssätze sind theils in §. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes. tag haben andere Aufgaben im Reich zu erfüllen, als Recht zuſprechen und ſind deshalb auch in einer Weiſe eingerichtet, die am wenigſten auf die Bedürfniſſe der Rechtspflege berechnet iſt. Die Bundesraths-Mitglieder ſtimmen nach Inſtruktionen, die Reichstags-Mitglieder unter dem Einfluß politiſcher Anſchauungen und Tendenzen. Wenn zwei ſolche Körperſchaften, von denen keine ihrer allgemeinen Anlage nach geeignet iſt, die Rolle eines Gerichts- hofes zu übernehmen, ſich zu einem übereinſtimmenden Votum vereinigen müſſen, um die Entſcheidung eines Rechtsſtreites zu finden, ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit, daß dieſe Entſcheidung lediglich nach Rechtsgrundſätzen erfolgen werde, keine ſehr große. Die Reichsverfaſſung verlangt auch nicht, daß dieſe Entſchei- Die „Erledigung“ der Verfaſſungsſtreitigkeit kann auch er- Es iſt dies in zweifacher Beziehung bemerkenswerth. Erſtens §. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes. Die hier in Betracht kommenden Rechtsſätze ſind theils in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0292" n="272"/><fw place="top" type="header">§. 30. 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§. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes.
tag haben andere Aufgaben im Reich zu erfüllen, als Recht zu
ſprechen und ſind deshalb auch in einer Weiſe eingerichtet, die
am wenigſten auf die Bedürfniſſe der Rechtspflege berechnet iſt.
Die Bundesraths-Mitglieder ſtimmen nach Inſtruktionen, die
Reichstags-Mitglieder unter dem Einfluß politiſcher Anſchauungen
und Tendenzen. Wenn zwei ſolche Körperſchaften, von denen keine
ihrer allgemeinen Anlage nach geeignet iſt, die Rolle eines Gerichts-
hofes zu übernehmen, ſich zu einem übereinſtimmenden Votum
vereinigen müſſen, um die Entſcheidung eines Rechtsſtreites zu
finden, ſo iſt die Wahrſcheinlichkeit, daß dieſe Entſcheidung lediglich
nach Rechtsgrundſätzen erfolgen werde, keine ſehr große.
Die Reichsverfaſſung verlangt auch nicht, daß dieſe Entſchei-
dung eine, der Sache nach, richterliche ſein müſſe.
Die „Erledigung“ der Verfaſſungsſtreitigkeit kann auch er-
folgen durch Veränderung der Verfaſſung oder durch Außerkraft-
ſetzung des beſtehenden Verfaſſungsrechts für den einzelnen Fall.
Die im Art. 2 der R.-V. den Reichsgeſetzen beigelegte Wirkung,
daß ſie den Landesgeſetzen vorgehen, kömmt auch einem auf Grund
des Art. 76 Abſ. 2 erlaſſenen Reichsgeſetze zu, welches das bis-
herige Staatsrecht eines Bundesgliedes modifizirt.
Es iſt dies in zweifacher Beziehung bemerkenswerth. Erſtens
ergiebt ſich auch hieraus, daß nicht der einzelne Bundesſtaat auf
dem ſeiner Autonomie überlaſſenen Gebiete ſouverän iſt, ſondern
daß über ihm die Reichsgewalt als die wirklich höchſte, ſouveräne
Gewalt ſteht. Zweitens zeigt ſich an der hier erörterten Function
der Reichsorgane, ſowie überhaupt an der Geſammtheit der dem
Bundesrathe zugewieſenen Thätigkeit, daß Geſetzgebung, Verwal-
tung und Rechtspflege nicht von einander ſcharf abgegränzte Ge-
biete haben, ſondern daß ſie lediglich Formen ſind, in welchen
die eine und untheilbare, der einheitlichen Perſönlichkeit des Staa-
tes entſprechende, Staatsgewalt zur Erſcheinung kommt und wirk-
ſam wird.
§. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes.
Die hier in Betracht kommenden Rechtsſätze ſind theils in
der Verfaſſung ſelbſt enthalten, theils in der Geſchäfts-Ord-
nung für den Bundesrath des Deutſchen Reiches formulirt.
Dieſelbe iſt in der Sitzung des Bundesrathes vom 27. Febr. 1871
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