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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrathes.
beschlossen worden 1). Gesetzliche Kraft kömmt derselben nicht zu;
sie ist daher auch im Reichsgesetzblatt nicht verkündet worden und
sie unterliegt der Abänderung und Ergänzung durch Bundesraths-
Beschluß.

I. Der Bundesrath ist keine ständige Versammlung, wie es
der Bundestag in Frankfurt a. M. war oder wie es dem Begriff
eines Reichsministeriums entsprechen würde, sondern er tritt nur
zeitweise auf Berufung zusammen.

1. Die Berufung des Bundesrathes und ebenso die Er-
öffnung, Vertagung und Schließung desselben steht dem Kaiser
zu. R.-V. Art. 12. Der Bundesrath kann sich demgemäß nicht
aus eigener Initiative versammeln und ein Beschluß, welchen
derselbe etwa fassen würde vor seiner Eröffnung oder nach seiner
Vertagung oder Schließung durch den Kaiser, wäre verfassungs-
widrig und deshalb nichtig.

2. Im Allgemeinen ist es in die freie Entschließung des Kai-
sers gestellt, ob er den Bundesrath berufen will oder nicht; hier-
von giebt es aber zwei Ausnahmen, indem eine Berufung des
Bundesrathes erfolgen muß,

a) wenn der Reichstag einberufen wird. R.-V. Art. 13.
So lange der Reichstag versammelt ist, muß auch der Bundesrath
einberufen sein, da der Bundesrath über die dem Reichstage zu
machenden Vorlagen und die vom Reichstage gefaßten Beschlüsse
zu beschließen hat. Es kann aber der Bundesrath allein ohne den
Reichstag, einberufen werden, was namentlich wegen der Vorberei-
tung der dem Reichstage zu machenden Vorlagen erforderlich ist.

b) wenn ein Drittel der Stimmenzahl des Bundesrathes die
Berufung verlangt. R.-V. Art. 14. Da der Bundesrath 58
Stimmen zählt, 19 Stimmen also nicht vollständig ein Drittel
ausmachen, so müssen, wenn der Kaiser nicht kraft eigener Befug-
niß den Bundesrath einberufen will, 20 Stimmen zu dem Ver-
langen auf Berufung sich vereinigen.

3. Da der Reichstag und mithin auch der Bundesrath all-
jährlich berufen werden müssen (R.-V. Art. 13), so unterscheidet
man ordentliche und außerordentliche Sitzungsperioden des Bun-

1) Gedruckt 1871 in der Königl. Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei zu Ber-
lin. 18 Seiten.
Laband, Reichsstaatsrecht. I. 18

§. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes.
beſchloſſen worden 1). Geſetzliche Kraft kömmt derſelben nicht zu;
ſie iſt daher auch im Reichsgeſetzblatt nicht verkündet worden und
ſie unterliegt der Abänderung und Ergänzung durch Bundesraths-
Beſchluß.

I. Der Bundesrath iſt keine ſtändige Verſammlung, wie es
der Bundestag in Frankfurt a. M. war oder wie es dem Begriff
eines Reichsminiſteriums entſprechen würde, ſondern er tritt nur
zeitweiſe auf Berufung zuſammen.

1. Die Berufung des Bundesrathes und ebenſo die Er-
öffnung, Vertagung und Schließung deſſelben ſteht dem Kaiſer
zu. R.-V. Art. 12. Der Bundesrath kann ſich demgemäß nicht
aus eigener Initiative verſammeln und ein Beſchluß, welchen
derſelbe etwa faſſen würde vor ſeiner Eröffnung oder nach ſeiner
Vertagung oder Schließung durch den Kaiſer, wäre verfaſſungs-
widrig und deshalb nichtig.

2. Im Allgemeinen iſt es in die freie Entſchließung des Kai-
ſers geſtellt, ob er den Bundesrath berufen will oder nicht; hier-
von giebt es aber zwei Ausnahmen, indem eine Berufung des
Bundesrathes erfolgen muß,

a) wenn der Reichstag einberufen wird. R.-V. Art. 13.
So lange der Reichstag verſammelt iſt, muß auch der Bundesrath
einberufen ſein, da der Bundesrath über die dem Reichstage zu
machenden Vorlagen und die vom Reichstage gefaßten Beſchlüſſe
zu beſchließen hat. Es kann aber der Bundesrath allein ohne den
Reichstag, einberufen werden, was namentlich wegen der Vorberei-
tung der dem Reichstage zu machenden Vorlagen erforderlich iſt.

b) wenn ein Drittel der Stimmenzahl des Bundesrathes die
Berufung verlangt. R.-V. Art. 14. Da der Bundesrath 58
Stimmen zählt, 19 Stimmen alſo nicht vollſtändig ein Drittel
ausmachen, ſo müſſen, wenn der Kaiſer nicht kraft eigener Befug-
niß den Bundesrath einberufen will, 20 Stimmen zu dem Ver-
langen auf Berufung ſich vereinigen.

3. Da der Reichstag und mithin auch der Bundesrath all-
jährlich berufen werden müſſen (R.-V. Art. 13), ſo unterſcheidet
man ordentliche und außerordentliche Sitzungsperioden des Bun-

1) Gedruckt 1871 in der Königl. Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei zu Ber-
lin. 18 Seiten.
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[273/0293] §. 30. Die formelle Erledigung der Geſchäfte des Bundesrathes. beſchloſſen worden 1). Geſetzliche Kraft kömmt derſelben nicht zu; ſie iſt daher auch im Reichsgeſetzblatt nicht verkündet worden und ſie unterliegt der Abänderung und Ergänzung durch Bundesraths- Beſchluß. I. Der Bundesrath iſt keine ſtändige Verſammlung, wie es der Bundestag in Frankfurt a. M. war oder wie es dem Begriff eines Reichsminiſteriums entſprechen würde, ſondern er tritt nur zeitweiſe auf Berufung zuſammen. 1. Die Berufung des Bundesrathes und ebenſo die Er- öffnung, Vertagung und Schließung deſſelben ſteht dem Kaiſer zu. R.-V. Art. 12. Der Bundesrath kann ſich demgemäß nicht aus eigener Initiative verſammeln und ein Beſchluß, welchen derſelbe etwa faſſen würde vor ſeiner Eröffnung oder nach ſeiner Vertagung oder Schließung durch den Kaiſer, wäre verfaſſungs- widrig und deshalb nichtig. 2. Im Allgemeinen iſt es in die freie Entſchließung des Kai- ſers geſtellt, ob er den Bundesrath berufen will oder nicht; hier- von giebt es aber zwei Ausnahmen, indem eine Berufung des Bundesrathes erfolgen muß, a) wenn der Reichstag einberufen wird. R.-V. Art. 13. So lange der Reichstag verſammelt iſt, muß auch der Bundesrath einberufen ſein, da der Bundesrath über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen und die vom Reichstage gefaßten Beſchlüſſe zu beſchließen hat. Es kann aber der Bundesrath allein ohne den Reichstag, einberufen werden, was namentlich wegen der Vorberei- tung der dem Reichstage zu machenden Vorlagen erforderlich iſt. b) wenn ein Drittel der Stimmenzahl des Bundesrathes die Berufung verlangt. R.-V. Art. 14. Da der Bundesrath 58 Stimmen zählt, 19 Stimmen alſo nicht vollſtändig ein Drittel ausmachen, ſo müſſen, wenn der Kaiſer nicht kraft eigener Befug- niß den Bundesrath einberufen will, 20 Stimmen zu dem Ver- langen auf Berufung ſich vereinigen. 3. Da der Reichstag und mithin auch der Bundesrath all- jährlich berufen werden müſſen (R.-V. Art. 13), ſo unterſcheidet man ordentliche und außerordentliche Sitzungsperioden des Bun- 1) Gedruckt 1871 in der Königl. Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei zu Ber- lin. 18 Seiten. Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 18

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/293>, abgerufen am 21.05.2024.