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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 9. Das Subject der Reichsgewalt.
Deutsche Reich ist keine Monarchie, sondern -- wenn man den
Ausdruck auf eine Vielheit juristischer Personen anwenden
könnte -- eine Demokratie. Das heißt: Träger der Souve-
ränetät des Reiches sind die sämmtlichen Mitglieder
des Reiches,
nicht der Kaiser 1).

Hier zeigt es sich zunächst von Wichtigkeit, den Begriff des
Bundesstaates fest und ohne Schwanken im Auge zu behalten.
Mitglieder des Reiches sind nicht die einzelnen Bürger und sie sind
auch nicht zusammengenommen Träger der Reichsgewalt; Mit-
glieder des Reiches sind vielmehr die einzelnen Staaten und
sie sämmtlich sind an der Reichsgewalt mitbetheiligt, grade so
wie in der Demokratie die vollberechtigten Staatsbürger an der
Staatsgewalt. Das Deutsche Reich ist nicht eine juristische Per-
son von 40 Millionen Mitgliedern, sondern von 25 Mitgliedern 2).

Da nun diese Mitglieder selbst wieder Staaten sind, so wie-
derholt sich bei ihnen das, aus der Natur der juristischen Person
sich ergebende, Gebot nach einer Vertretung 3). Mit Ausnahme
der freien Städte sind alle Deutsche Staaten Monarchien; die
Landesherrn sind daher die allein berechtigten Träger der Staats-
gewalt und als solche üben sie auch die Mitgliedschaftsrechte im
Deutschen Reich, den Antheil ihrer Staaten an der Reichsgewalt
aus. In den freien Städten sind die freien Bürgerschaften, als

1) Fürst Bismarck: "Die Souveränetät ruht nicht beim Kaiser, sie
ruht bei der Gesammtheit der verbündeten Regierungen" (Stenogr. Bericht d.
Reichst. I. Sitzungsper. 1871 S. 299.) In der Literatur herrscht darüber
volles Einverständniß, daß der Kaiser nicht Souverän des Reiches ist. Trotz-
dem beruht nach v. Rönne S. 29 Note 4 die Deutsche Reichsverfassung
"auf dem sogen. monarchischen Prinzip in der richtigen (!) Auffassung dieses
Ausdruckes." Auch v. Treitschke a. a. O. S. 538 schreibt dem Kaiser
"eine wirkliche monarchische Gewalt" zu; "sie zeigt sich formell in der Kriegs-
herrlichkeit und der Vertretung des Reichs nach Außen, thatsächlich in der
Leitung der gesammten Reichspolitik." Richtig Grotefend Staatsr. § 751;
jedoch erklärt derselbe im § 767 den Bundesrath (!) als das Subject der
souveränen Macht des Bundes.
2) Reichsverf. Art. 6 zählt die "Mitglieder des Bundes" auf. Vgl. Art.
7. 19. 41 Abs. 1.
3) Auf dem Gebiete des Privatrechts würde man ein vollständiges Ana-
logon haben, wenn die Aktien eines bestimmten Aktienvereins im Besitz von
lauter Aktienvereinen wären.

§. 9. Das Subject der Reichsgewalt.
Deutſche Reich iſt keine Monarchie, ſondern — wenn man den
Ausdruck auf eine Vielheit juriſtiſcher Perſonen anwenden
könnte — eine Demokratie. Das heißt: Träger der Souve-
ränetät des Reiches ſind die ſämmtlichen Mitglieder
des Reiches,
nicht der Kaiſer 1).

Hier zeigt es ſich zunächſt von Wichtigkeit, den Begriff des
Bundesſtaates feſt und ohne Schwanken im Auge zu behalten.
Mitglieder des Reiches ſind nicht die einzelnen Bürger und ſie ſind
auch nicht zuſammengenommen Träger der Reichsgewalt; Mit-
glieder des Reiches ſind vielmehr die einzelnen Staaten und
ſie ſämmtlich ſind an der Reichsgewalt mitbetheiligt, grade ſo
wie in der Demokratie die vollberechtigten Staatsbürger an der
Staatsgewalt. Das Deutſche Reich iſt nicht eine juriſtiſche Per-
ſon von 40 Millionen Mitgliedern, ſondern von 25 Mitgliedern 2).

Da nun dieſe Mitglieder ſelbſt wieder Staaten ſind, ſo wie-
derholt ſich bei ihnen das, aus der Natur der juriſtiſchen Perſon
ſich ergebende, Gebot nach einer Vertretung 3). Mit Ausnahme
der freien Städte ſind alle Deutſche Staaten Monarchien; die
Landesherrn ſind daher die allein berechtigten Träger der Staats-
gewalt und als ſolche üben ſie auch die Mitgliedſchaftsrechte im
Deutſchen Reich, den Antheil ihrer Staaten an der Reichsgewalt
aus. In den freien Städten ſind die freien Bürgerſchaften, als

1) Fürſt Bismarck: „Die Souveränetät ruht nicht beim Kaiſer, ſie
ruht bei der Geſammtheit der verbündeten Regierungen“ (Stenogr. Bericht d.
Reichst. I. Sitzungsper. 1871 S. 299.) In der Literatur herrſcht darüber
volles Einverſtändniß, daß der Kaiſer nicht Souverän des Reiches iſt. Trotz-
dem beruht nach v. Rönne S. 29 Note 4 die Deutſche Reichsverfaſſung
„auf dem ſogen. monarchiſchen Prinzip in der richtigen (!) Auffaſſung dieſes
Ausdruckes.“ Auch v. Treitſchke a. a. O. S. 538 ſchreibt dem Kaiſer
„eine wirkliche monarchiſche Gewalt“ zu; „ſie zeigt ſich formell in der Kriegs-
herrlichkeit und der Vertretung des Reichs nach Außen, thatſächlich in der
Leitung der geſammten Reichspolitik.“ Richtig Grotefend Staatsr. § 751;
jedoch erklärt derſelbe im § 767 den Bundesrath (!) als das Subject der
ſouveränen Macht des Bundes.
2) Reichsverf. Art. 6 zählt die „Mitglieder des Bundes“ auf. Vgl. Art.
7. 19. 41 Abſ. 1.
3) Auf dem Gebiete des Privatrechts würde man ein vollſtändiges Ana-
logon haben, wenn die Aktien eines beſtimmten Aktienvereins im Beſitz von
lauter Aktienvereinen wären.
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[88/0108] §. 9. Das Subject der Reichsgewalt. Deutſche Reich iſt keine Monarchie, ſondern — wenn man den Ausdruck auf eine Vielheit juriſtiſcher Perſonen anwenden könnte — eine Demokratie. Das heißt: Träger der Souve- ränetät des Reiches ſind die ſämmtlichen Mitglieder des Reiches, nicht der Kaiſer 1). Hier zeigt es ſich zunächſt von Wichtigkeit, den Begriff des Bundesſtaates feſt und ohne Schwanken im Auge zu behalten. Mitglieder des Reiches ſind nicht die einzelnen Bürger und ſie ſind auch nicht zuſammengenommen Träger der Reichsgewalt; Mit- glieder des Reiches ſind vielmehr die einzelnen Staaten und ſie ſämmtlich ſind an der Reichsgewalt mitbetheiligt, grade ſo wie in der Demokratie die vollberechtigten Staatsbürger an der Staatsgewalt. Das Deutſche Reich iſt nicht eine juriſtiſche Per- ſon von 40 Millionen Mitgliedern, ſondern von 25 Mitgliedern 2). Da nun dieſe Mitglieder ſelbſt wieder Staaten ſind, ſo wie- derholt ſich bei ihnen das, aus der Natur der juriſtiſchen Perſon ſich ergebende, Gebot nach einer Vertretung 3). Mit Ausnahme der freien Städte ſind alle Deutſche Staaten Monarchien; die Landesherrn ſind daher die allein berechtigten Träger der Staats- gewalt und als ſolche üben ſie auch die Mitgliedſchaftsrechte im Deutſchen Reich, den Antheil ihrer Staaten an der Reichsgewalt aus. In den freien Städten ſind die freien Bürgerſchaften, als 1) Fürſt Bismarck: „Die Souveränetät ruht nicht beim Kaiſer, ſie ruht bei der Geſammtheit der verbündeten Regierungen“ (Stenogr. Bericht d. Reichst. I. Sitzungsper. 1871 S. 299.) In der Literatur herrſcht darüber volles Einverſtändniß, daß der Kaiſer nicht Souverän des Reiches iſt. Trotz- dem beruht nach v. Rönne S. 29 Note 4 die Deutſche Reichsverfaſſung „auf dem ſogen. monarchiſchen Prinzip in der richtigen (!) Auffaſſung dieſes Ausdruckes.“ Auch v. Treitſchke a. a. O. S. 538 ſchreibt dem Kaiſer „eine wirkliche monarchiſche Gewalt“ zu; „ſie zeigt ſich formell in der Kriegs- herrlichkeit und der Vertretung des Reichs nach Außen, thatſächlich in der Leitung der geſammten Reichspolitik.“ Richtig Grotefend Staatsr. § 751; jedoch erklärt derſelbe im § 767 den Bundesrath (!) als das Subject der ſouveränen Macht des Bundes. 2) Reichsverf. Art. 6 zählt die „Mitglieder des Bundes“ auf. Vgl. Art. 7. 19. 41 Abſ. 1. 3) Auf dem Gebiete des Privatrechts würde man ein vollſtändiges Ana- logon haben, wenn die Aktien eines beſtimmten Aktienvereins im Beſitz von lauter Aktienvereinen wären.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/108>, abgerufen am 25.11.2024.