Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

in dem Moose, unter welchem Tropfsteine hervorblinkten. Er setzte sich
ihr gegenüber auf einen umgefallenen Baumstamm.

Du bist müd', deine Augen brennen vor Schlaflosigkeit, sagte sie.
Zwei Nacht hast du jetzt nicht geschlafen und den ganzen Tag nicht
geruht.

Woher weißt du das?

Ich hab' auf dich Acht gehabt. Leg' dich hier schlafen, hier ist
Schatten und Frische! ich will bei dir wachen, daß dich Niemand stört.

Ich kann nicht schlafen, sagte er.

Sie spritzte ihm von dem Schaume des Wassers in's Gesicht.

Das Wasser thut mir wohl, sagte er, und tauchte gleichfalls
die Hand ein, um sich die Augen zu kühlen.

In dir geht etwas vor, sagte sie.

Wenn sich der Mensch umkehren soll wie ein Handschuh, erwiderte
er, so ist das nicht auf einmal geschehen. Er stützte den Kopf in die
Hand und brütete vor sich hin.

Wie meinst du das? fragte sie.

Er richtete sich wieder auf. Die Habsucht von ihrem Ueberfluß er¬
leichtern, hob er nach einer Weile an, gegen harte Menschen streng
auftreten, dazu kann sich der Mensch mit Leichtigkeit entschließen.
Aber die Leute quälen und martern, wie die Henker, das geht mir
wider die Natur. Es sind diese Nacht bei dem Schultheißen Dinge
geschehen, die mir am Herzen nagen und die ich nicht aus dem Ge¬
dächtniß bringen kann.

Du redest recht schultheißenmäßig, sagte sie. Möchtest du jetzt viel¬
leicht noch Schultheiß von Ebersbach werden?

Nein, ich rede keinem Schultheißen das Wort, aber foltern soll
man ihn nicht.

Hast du nicht selbst gesagt, daß diese deutschen Henker das
den Unsrigen thun?

Ich will's ihnen lassen.

Was? und man soll's ihnen nicht vergelten, den Ungeheuern?
Weißt du nicht mehr, welche Reden du gegen deine Ebersbacher ge¬
führt hast? Hast du nicht gesagt, dein Herz werde keine Ruhe finden,
bis du den ganzen Flecken zusammenbrennen sehest, den Magistrat mit
Pfarrer und Amtmann an der Spitze möchtest du hinschlachten, deinen

in dem Mooſe, unter welchem Tropfſteine hervorblinkten. Er ſetzte ſich
ihr gegenüber auf einen umgefallenen Baumſtamm.

Du biſt müd', deine Augen brennen vor Schlafloſigkeit, ſagte ſie.
Zwei Nacht haſt du jetzt nicht geſchlafen und den ganzen Tag nicht
geruht.

Woher weißt du das?

Ich hab' auf dich Acht gehabt. Leg' dich hier ſchlafen, hier iſt
Schatten und Friſche! ich will bei dir wachen, daß dich Niemand ſtört.

Ich kann nicht ſchlafen, ſagte er.

Sie ſpritzte ihm von dem Schaume des Waſſers in's Geſicht.

Das Waſſer thut mir wohl, ſagte er, und tauchte gleichfalls
die Hand ein, um ſich die Augen zu kühlen.

In dir geht etwas vor, ſagte ſie.

Wenn ſich der Menſch umkehren ſoll wie ein Handſchuh, erwiderte
er, ſo iſt das nicht auf einmal geſchehen. Er ſtützte den Kopf in die
Hand und brütete vor ſich hin.

Wie meinſt du das? fragte ſie.

Er richtete ſich wieder auf. Die Habſucht von ihrem Ueberfluß er¬
leichtern, hob er nach einer Weile an, gegen harte Menſchen ſtreng
auftreten, dazu kann ſich der Menſch mit Leichtigkeit entſchließen.
Aber die Leute quälen und martern, wie die Henker, das geht mir
wider die Natur. Es ſind dieſe Nacht bei dem Schultheißen Dinge
geſchehen, die mir am Herzen nagen und die ich nicht aus dem Ge¬
dächtniß bringen kann.

Du redeſt recht ſchultheißenmäßig, ſagte ſie. Möchteſt du jetzt viel¬
leicht noch Schultheiß von Ebersbach werden?

Nein, ich rede keinem Schultheißen das Wort, aber foltern ſoll
man ihn nicht.

Haſt du nicht ſelbſt geſagt, daß dieſe deutſchen Henker das
den Unſrigen thun?

Ich will's ihnen laſſen.

Was? und man ſoll's ihnen nicht vergelten, den Ungeheuern?
Weißt du nicht mehr, welche Reden du gegen deine Ebersbacher ge¬
führt haſt? Haſt du nicht geſagt, dein Herz werde keine Ruhe finden,
bis du den ganzen Flecken zuſammenbrennen ſeheſt, den Magiſtrat mit
Pfarrer und Amtmann an der Spitze möchteſt du hinſchlachten, deinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0429" n="413"/>
in dem Moo&#x017F;e, unter welchem Tropf&#x017F;teine hervorblinkten. Er &#x017F;etzte &#x017F;ich<lb/>
ihr gegenüber auf einen umgefallenen Baum&#x017F;tamm.</p><lb/>
        <p>Du bi&#x017F;t müd', deine Augen brennen vor Schlaflo&#x017F;igkeit, &#x017F;agte &#x017F;ie.<lb/>
Zwei Nacht ha&#x017F;t du jetzt nicht ge&#x017F;chlafen und den ganzen Tag nicht<lb/>
geruht.</p><lb/>
        <p>Woher weißt du das?</p><lb/>
        <p>Ich hab' auf dich Acht gehabt. Leg' dich hier &#x017F;chlafen, hier i&#x017F;t<lb/>
Schatten und Fri&#x017F;che! ich will bei dir wachen, daß dich Niemand &#x017F;tört.</p><lb/>
        <p>Ich kann nicht &#x017F;chlafen, &#x017F;agte er.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;pritzte ihm von dem Schaume des Wa&#x017F;&#x017F;ers in's Ge&#x017F;icht.</p><lb/>
        <p>Das Wa&#x017F;&#x017F;er thut mir wohl, &#x017F;agte er, und tauchte gleichfalls<lb/>
die Hand ein, um &#x017F;ich die Augen zu kühlen.</p><lb/>
        <p>In dir geht etwas vor, &#x017F;agte &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>Wenn &#x017F;ich der Men&#x017F;ch umkehren &#x017F;oll wie ein Hand&#x017F;chuh, erwiderte<lb/>
er, &#x017F;o i&#x017F;t das nicht auf einmal ge&#x017F;chehen. Er &#x017F;tützte den Kopf in die<lb/>
Hand und brütete vor &#x017F;ich hin.</p><lb/>
        <p>Wie mein&#x017F;t du das? fragte &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>Er richtete &#x017F;ich wieder auf. Die Hab&#x017F;ucht von ihrem Ueberfluß er¬<lb/>
leichtern, hob er nach einer Weile an, gegen harte Men&#x017F;chen &#x017F;treng<lb/>
auftreten, dazu kann &#x017F;ich der Men&#x017F;ch mit Leichtigkeit ent&#x017F;chließen.<lb/>
Aber die Leute quälen und martern, wie die Henker, das geht mir<lb/>
wider die Natur. Es &#x017F;ind die&#x017F;e Nacht bei dem Schultheißen Dinge<lb/>
ge&#x017F;chehen, die mir am Herzen nagen und die ich nicht aus dem Ge¬<lb/>
dächtniß bringen kann.</p><lb/>
        <p>Du rede&#x017F;t recht &#x017F;chultheißenmäßig, &#x017F;agte &#x017F;ie. Möchte&#x017F;t du jetzt viel¬<lb/>
leicht noch Schultheiß von Ebersbach werden?</p><lb/>
        <p>Nein, ich rede keinem Schultheißen das Wort, aber foltern &#x017F;oll<lb/>
man ihn nicht.</p><lb/>
        <p>Ha&#x017F;t du nicht &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;agt, daß die&#x017F;e deut&#x017F;chen Henker das<lb/>
den Un&#x017F;rigen thun?</p><lb/>
        <p>Ich will's ihnen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Was? und man &#x017F;oll's ihnen nicht vergelten, den Ungeheuern?<lb/>
Weißt du nicht mehr, welche Reden du gegen deine Ebersbacher ge¬<lb/>
führt ha&#x017F;t? Ha&#x017F;t du nicht ge&#x017F;agt, dein Herz werde keine Ruhe finden,<lb/>
bis du den ganzen Flecken zu&#x017F;ammenbrennen &#x017F;ehe&#x017F;t, den Magi&#x017F;trat mit<lb/>
Pfarrer und Amtmann an der Spitze möchte&#x017F;t du hin&#x017F;chlachten, deinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0429] in dem Mooſe, unter welchem Tropfſteine hervorblinkten. Er ſetzte ſich ihr gegenüber auf einen umgefallenen Baumſtamm. Du biſt müd', deine Augen brennen vor Schlafloſigkeit, ſagte ſie. Zwei Nacht haſt du jetzt nicht geſchlafen und den ganzen Tag nicht geruht. Woher weißt du das? Ich hab' auf dich Acht gehabt. Leg' dich hier ſchlafen, hier iſt Schatten und Friſche! ich will bei dir wachen, daß dich Niemand ſtört. Ich kann nicht ſchlafen, ſagte er. Sie ſpritzte ihm von dem Schaume des Waſſers in's Geſicht. Das Waſſer thut mir wohl, ſagte er, und tauchte gleichfalls die Hand ein, um ſich die Augen zu kühlen. In dir geht etwas vor, ſagte ſie. Wenn ſich der Menſch umkehren ſoll wie ein Handſchuh, erwiderte er, ſo iſt das nicht auf einmal geſchehen. Er ſtützte den Kopf in die Hand und brütete vor ſich hin. Wie meinſt du das? fragte ſie. Er richtete ſich wieder auf. Die Habſucht von ihrem Ueberfluß er¬ leichtern, hob er nach einer Weile an, gegen harte Menſchen ſtreng auftreten, dazu kann ſich der Menſch mit Leichtigkeit entſchließen. Aber die Leute quälen und martern, wie die Henker, das geht mir wider die Natur. Es ſind dieſe Nacht bei dem Schultheißen Dinge geſchehen, die mir am Herzen nagen und die ich nicht aus dem Ge¬ dächtniß bringen kann. Du redeſt recht ſchultheißenmäßig, ſagte ſie. Möchteſt du jetzt viel¬ leicht noch Schultheiß von Ebersbach werden? Nein, ich rede keinem Schultheißen das Wort, aber foltern ſoll man ihn nicht. Haſt du nicht ſelbſt geſagt, daß dieſe deutſchen Henker das den Unſrigen thun? Ich will's ihnen laſſen. Was? und man ſoll's ihnen nicht vergelten, den Ungeheuern? Weißt du nicht mehr, welche Reden du gegen deine Ebersbacher ge¬ führt haſt? Haſt du nicht geſagt, dein Herz werde keine Ruhe finden, bis du den ganzen Flecken zuſammenbrennen ſeheſt, den Magiſtrat mit Pfarrer und Amtmann an der Spitze möchteſt du hinſchlachten, deinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/429
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/429>, abgerufen am 22.11.2024.