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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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eigenen Vater nicht verschonen und den schwangern Weibern den Leib
aufschneiden? Nun, die ungebornen Kinder sind doch gewiß unschul¬
diger als der Schultheiß von Börtlingen.

Er starrte unmuthig vor sich hin.

Prahlst du mit Worten, fuhr sie fort, und schrickst recht deutsch
und feig vor einem bischen Gequieck und Geschrei zurück? Du Maul¬
held, geh' zu deiner Ebersbacherin und laß dich mit ihr in's Zucht¬
haus sperren.

Er sprang auf wie ein gereizter Tiger, und seine roth umsäumten
Augen funkelten. Weibsbild! schrie er, ändere deine Zunge, oder du
sollst den Maulhelden spüren, bis du mürb wirst.

Sie war ebenfalls aufgesprungen und blickte ihm fest und keck
in's Gesicht. Glaubst du, daß ich dich fürchte? rief sie. Du kannst
bloß drohen, du bist ein Weib.

Mit einem Schrei der Wuth stürzte er sich auf sie und suchte sie
zu ergreifen, aber mit Erstaunen mußte er sich bekennen, daß ihm
dieses Weib gewachsen sei. Sie zeigte ihm eine unerhörte Muskelkraft
und dabei eine Behendigkeit, mit der sie ihm wie eine Flamme unter
den Händen durchschlüpfte; dann hielt sie ihm wieder beide Hände
fest, daß er der äußersten Anstrengung bedurfte, um sich loßzureißen
und den Kampf von Neuem zu beginnen, wozu sie ihn durch ein
fortwährendes Hohnlachen reizte. Lange hatten sie mit einander ge¬
rungen, bis er sie endlich bemeisterte und zu Boden warf, daß ihr die
Glieder knackten.

Willst du degenmäßig werden? schrie er.

Nein! antwortete sie und suchte sich wieder empor zu ringen.

Willst du mich für deinen Herrn erkennen?

Nein!

Pariren mußt du! schrie er, drückte sie zwischen seine Kniee, daß
sie nach Luft schnappte, und zog das Messer. Sie stöhnte, aber nicht
vor Angst. Ihre Augen spieen Feuer, ihr heißer Athem durchglühte
ihm die Wange, und ihre braune Haut brannte von dem Blute, das
ihr die Anstrengung in Gesicht und Hals hervorgetrieben hatte. Er
kämpfte bebend mit der Gewalt ihrer Schönheit, aber entschlossen
setzte er ihr das Messer auf die Brust und rief: Willst du dich unter¬
werfen?

eigenen Vater nicht verſchonen und den ſchwangern Weibern den Leib
aufſchneiden? Nun, die ungebornen Kinder ſind doch gewiß unſchul¬
diger als der Schultheiß von Börtlingen.

Er ſtarrte unmuthig vor ſich hin.

Prahlſt du mit Worten, fuhr ſie fort, und ſchrickſt recht deutſch
und feig vor einem bischen Gequieck und Geſchrei zurück? Du Maul¬
held, geh' zu deiner Ebersbacherin und laß dich mit ihr in's Zucht¬
haus ſperren.

Er ſprang auf wie ein gereizter Tiger, und ſeine roth umſäumten
Augen funkelten. Weibsbild! ſchrie er, ändere deine Zunge, oder du
ſollſt den Maulhelden ſpüren, bis du mürb wirſt.

Sie war ebenfalls aufgeſprungen und blickte ihm feſt und keck
in's Geſicht. Glaubſt du, daß ich dich fürchte? rief ſie. Du kannſt
bloß drohen, du biſt ein Weib.

Mit einem Schrei der Wuth ſtürzte er ſich auf ſie und ſuchte ſie
zu ergreifen, aber mit Erſtaunen mußte er ſich bekennen, daß ihm
dieſes Weib gewachſen ſei. Sie zeigte ihm eine unerhörte Muskelkraft
und dabei eine Behendigkeit, mit der ſie ihm wie eine Flamme unter
den Händen durchſchlüpfte; dann hielt ſie ihm wieder beide Hände
feſt, daß er der äußerſten Anſtrengung bedurfte, um ſich loßzureißen
und den Kampf von Neuem zu beginnen, wozu ſie ihn durch ein
fortwährendes Hohnlachen reizte. Lange hatten ſie mit einander ge¬
rungen, bis er ſie endlich bemeiſterte und zu Boden warf, daß ihr die
Glieder knackten.

Willſt du degenmäßig werden? ſchrie er.

Nein! antwortete ſie und ſuchte ſich wieder empor zu ringen.

Willſt du mich für deinen Herrn erkennen?

Nein!

Pariren mußt du! ſchrie er, drückte ſie zwiſchen ſeine Kniee, daß
ſie nach Luft ſchnappte, und zog das Meſſer. Sie ſtöhnte, aber nicht
vor Angſt. Ihre Augen ſpieen Feuer, ihr heißer Athem durchglühte
ihm die Wange, und ihre braune Haut brannte von dem Blute, das
ihr die Anſtrengung in Geſicht und Hals hervorgetrieben hatte. Er
kämpfte bebend mit der Gewalt ihrer Schönheit, aber entſchloſſen
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[414/0430] eigenen Vater nicht verſchonen und den ſchwangern Weibern den Leib aufſchneiden? Nun, die ungebornen Kinder ſind doch gewiß unſchul¬ diger als der Schultheiß von Börtlingen. Er ſtarrte unmuthig vor ſich hin. Prahlſt du mit Worten, fuhr ſie fort, und ſchrickſt recht deutſch und feig vor einem bischen Gequieck und Geſchrei zurück? Du Maul¬ held, geh' zu deiner Ebersbacherin und laß dich mit ihr in's Zucht¬ haus ſperren. Er ſprang auf wie ein gereizter Tiger, und ſeine roth umſäumten Augen funkelten. Weibsbild! ſchrie er, ändere deine Zunge, oder du ſollſt den Maulhelden ſpüren, bis du mürb wirſt. Sie war ebenfalls aufgeſprungen und blickte ihm feſt und keck in's Geſicht. Glaubſt du, daß ich dich fürchte? rief ſie. Du kannſt bloß drohen, du biſt ein Weib. Mit einem Schrei der Wuth ſtürzte er ſich auf ſie und ſuchte ſie zu ergreifen, aber mit Erſtaunen mußte er ſich bekennen, daß ihm dieſes Weib gewachſen ſei. Sie zeigte ihm eine unerhörte Muskelkraft und dabei eine Behendigkeit, mit der ſie ihm wie eine Flamme unter den Händen durchſchlüpfte; dann hielt ſie ihm wieder beide Hände feſt, daß er der äußerſten Anſtrengung bedurfte, um ſich loßzureißen und den Kampf von Neuem zu beginnen, wozu ſie ihn durch ein fortwährendes Hohnlachen reizte. Lange hatten ſie mit einander ge¬ rungen, bis er ſie endlich bemeiſterte und zu Boden warf, daß ihr die Glieder knackten. Willſt du degenmäßig werden? ſchrie er. Nein! antwortete ſie und ſuchte ſich wieder empor zu ringen. Willſt du mich für deinen Herrn erkennen? Nein! Pariren mußt du! ſchrie er, drückte ſie zwiſchen ſeine Kniee, daß ſie nach Luft ſchnappte, und zog das Meſſer. Sie ſtöhnte, aber nicht vor Angſt. Ihre Augen ſpieen Feuer, ihr heißer Athem durchglühte ihm die Wange, und ihre braune Haut brannte von dem Blute, das ihr die Anſtrengung in Geſicht und Hals hervorgetrieben hatte. Er kämpfte bebend mit der Gewalt ihrer Schönheit, aber entſchloſſen ſetzte er ihr das Meſſer auf die Bruſt und rief: Willſt du dich unter¬ werfen?

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/430>, abgerufen am 22.11.2024.