vielleicht als meine Schwester -- sie gab ihm eine Probe, indem sie die Augen wie zwei Feuerströme, die aus dunklem Schlunde hervor¬ brechen, so bohrend auf ihn warf, daß es ihn fieberheiß durchzuckte -- aber, fuhr sie fort, ich bin's nur gegen den Einen, der mir gefällt, und besinne mich lang, bis ich so ein nichtsnutziges Mannsbild in mein Herz kommen lasse.
Würdest du Einem trauen, der ein paar Tage nach der Hochzeit sein Weib verläßt, dir zu Gefallen?
Warum nicht, wenn ich sehe, daß sie nicht zusammen taugen, und besonders wenn die Bekanntschaft vorher sieben acht Jahr gedauert hat. Länger will ich auch nicht daß mir Einer Wort halten soll, denn in sieben Jahren, sagt man, werde der Mensch mit Haut und Haaren neu, dann ist er also ein Anderer, als der, der das Wort gegeben hat.
Er lachte laut. Du wärst im Stande, Einen bis in die Hölle zu führen, sagte er.
Warum nicht, wenn ich ihn der Müh' werth halte, erwiderte sie.
Er blieb lange stumm. Wo willst du denn eigentlich hin? fragte sie. Es sieht ja aus als ob du wieder einmal nach Ebersbach wolltest.
Ich hätte wohl Lust dazu und zu fragen, was die Ebersbacher von mir sagen.
Da würdest du viel Schönes hören. Mein Weg führt übrigens nicht dorthin, ich muß dich allein ziehen lassen.
Nein, bleib' bei mir, wir wollen nur ein wenig umherschweifen, ich muß Gesellschaft haben.
Hast ja dein Gewehr, sagte sie, blieb ihm übrigens zur Seite, während er hastig längs einer Schlucht hinanstieg.
Sie waren auf einem kleinen, tief im Dickicht fortlaufenden Pfade lange gegangen, als Christine in einer Vertiefung, durch die derselbe führte, den Schritt anhielt und sich über die schwüle Luft beklagte. Sie bog die Zweige aus einander und ging einem Plätschern nach, das sich seitwärts hören ließ. Er folgte ihr. Ein Bächlein rieselte durch den Wald und bildete, etwa mannshoch über Felsen springend, wenige Schritte vom Wege, aber tief verborgen, einen kleinen Wasser¬ fall, aus dessen mosigem Becken es leise weiterfloß. An dieser kühlen, dunklen, heimlichen Stelle ließ sich die Zigeunerin nieder und wühlte
vielleicht als meine Schweſter — ſie gab ihm eine Probe, indem ſie die Augen wie zwei Feuerſtröme, die aus dunklem Schlunde hervor¬ brechen, ſo bohrend auf ihn warf, daß es ihn fieberheiß durchzuckte — aber, fuhr ſie fort, ich bin's nur gegen den Einen, der mir gefällt, und beſinne mich lang, bis ich ſo ein nichtsnutziges Mannsbild in mein Herz kommen laſſe.
Würdeſt du Einem trauen, der ein paar Tage nach der Hochzeit ſein Weib verläßt, dir zu Gefallen?
Warum nicht, wenn ich ſehe, daß ſie nicht zuſammen taugen, und beſonders wenn die Bekanntſchaft vorher ſieben acht Jahr gedauert hat. Länger will ich auch nicht daß mir Einer Wort halten ſoll, denn in ſieben Jahren, ſagt man, werde der Menſch mit Haut und Haaren neu, dann iſt er alſo ein Anderer, als der, der das Wort gegeben hat.
Er lachte laut. Du wärſt im Stande, Einen bis in die Hölle zu führen, ſagte er.
Warum nicht, wenn ich ihn der Müh' werth halte, erwiderte ſie.
Er blieb lange ſtumm. Wo willſt du denn eigentlich hin? fragte ſie. Es ſieht ja aus als ob du wieder einmal nach Ebersbach wollteſt.
Ich hätte wohl Luſt dazu und zu fragen, was die Ebersbacher von mir ſagen.
Da würdeſt du viel Schönes hören. Mein Weg führt übrigens nicht dorthin, ich muß dich allein ziehen laſſen.
Nein, bleib' bei mir, wir wollen nur ein wenig umherſchweifen, ich muß Geſellſchaft haben.
Haſt ja dein Gewehr, ſagte ſie, blieb ihm übrigens zur Seite, während er haſtig längs einer Schlucht hinanſtieg.
Sie waren auf einem kleinen, tief im Dickicht fortlaufenden Pfade lange gegangen, als Chriſtine in einer Vertiefung, durch die derſelbe führte, den Schritt anhielt und ſich über die ſchwüle Luft beklagte. Sie bog die Zweige aus einander und ging einem Plätſchern nach, das ſich ſeitwärts hören ließ. Er folgte ihr. Ein Bächlein rieſelte durch den Wald und bildete, etwa mannshoch über Felſen ſpringend, wenige Schritte vom Wege, aber tief verborgen, einen kleinen Waſſer¬ fall, aus deſſen moſigem Becken es leiſe weiterfloß. An dieſer kühlen, dunklen, heimlichen Stelle ließ ſich die Zigeunerin nieder und wühlte
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vielleicht als meine Schweſter — ſie gab ihm eine Probe, indem ſie
die Augen wie zwei Feuerſtröme, die aus dunklem Schlunde hervor¬
brechen, ſo bohrend auf ihn warf, daß es ihn fieberheiß durchzuckte —
aber, fuhr ſie fort, ich bin's nur gegen den Einen, der mir gefällt,
und beſinne mich lang, bis ich ſo ein nichtsnutziges Mannsbild in
mein Herz kommen laſſe.
Würdeſt du Einem trauen, der ein paar Tage nach der Hochzeit
ſein Weib verläßt, dir zu Gefallen?
Warum nicht, wenn ich ſehe, daß ſie nicht zuſammen taugen, und
beſonders wenn die Bekanntſchaft vorher ſieben acht Jahr gedauert hat.
Länger will ich auch nicht daß mir Einer Wort halten ſoll, denn in
ſieben Jahren, ſagt man, werde der Menſch mit Haut und Haaren
neu, dann iſt er alſo ein Anderer, als der, der das Wort gegeben hat.
Er lachte laut. Du wärſt im Stande, Einen bis in die Hölle zu
führen, ſagte er.
Warum nicht, wenn ich ihn der Müh' werth halte, erwiderte ſie.
Er blieb lange ſtumm. Wo willſt du denn eigentlich hin? fragte
ſie. Es ſieht ja aus als ob du wieder einmal nach Ebersbach wollteſt.
Ich hätte wohl Luſt dazu und zu fragen, was die Ebersbacher
von mir ſagen.
Da würdeſt du viel Schönes hören. Mein Weg führt übrigens
nicht dorthin, ich muß dich allein ziehen laſſen.
Nein, bleib' bei mir, wir wollen nur ein wenig umherſchweifen,
ich muß Geſellſchaft haben.
Haſt ja dein Gewehr, ſagte ſie, blieb ihm übrigens zur Seite,
während er haſtig längs einer Schlucht hinanſtieg.
Sie waren auf einem kleinen, tief im Dickicht fortlaufenden Pfade
lange gegangen, als Chriſtine in einer Vertiefung, durch die derſelbe
führte, den Schritt anhielt und ſich über die ſchwüle Luft beklagte.
Sie bog die Zweige aus einander und ging einem Plätſchern nach,
das ſich ſeitwärts hören ließ. Er folgte ihr. Ein Bächlein rieſelte
durch den Wald und bildete, etwa mannshoch über Felſen ſpringend,
wenige Schritte vom Wege, aber tief verborgen, einen kleinen Waſſer¬
fall, aus deſſen moſigem Becken es leiſe weiterfloß. An dieſer kühlen,
dunklen, heimlichen Stelle ließ ſich die Zigeunerin nieder und wühlte
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/428>, abgerufen am 22.11.2024.
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