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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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ist er schwach und hat keinen eigenen Willen mehr, dabei aber gegen
andere Leute ein wahres Unthier an Geiz und Hochmuth. Der alte
Kerl, er trägt den Kopf wie ein Edelmann, und meint wahrhaftig,
er sei aus anderem Teig gebacken als wie Unsereiner.

Das macht eben der Reichthum, sagte der Knecht von seiner
Bank herüber.

Ja, er ist grausig reich, versetzte der untere Müller. Der Holz¬
schlegel rindert ihm auf der Bühne. Er wird wohl auf zwölftausend
Gulden geschätzt. Aber freilich, wie Ihr sagt, Vetter, so verhält sich's:
er ist b'häb, und faßt das Tuch an fünf Zipfeln.

Ja und guckt in neun Häfen zumal, fiel der Andere ein.

Wo der gedroschen hat, darf man kein Korn mehr suchen, er¬
gänzte der Knecht.

An all' dem ist das vortheilhaftige böse Weibsbild schuldig! Sie
will alleweil oben hinaus; sie möcht's gern der Pfarrerin und der
Amtmännin gleich thun, schmeichelt sich auch bei ihnen an und ver¬
lästert andere Leute, denn das hören solche Frauen immer gern. O die
ist falsch wie Galgenholz. Und wie ist sie nur mit ihren Stiefkindern
umgegangen! Die hat sie von Anfang an zurückgesetzt und verkürzt,
in der Meinung sie werde eigene bekommen, und wie das nicht einge¬
troffen ist, so hat sie's ihnen aus Mißgunst noch ärger gemacht. Die
älteste Tochter hat den kahlköpfigen, trockenen Krämer da drüben ge¬
heirathet, um nur aus der Hölle los zu werden. Die andere, die Mag¬
dalene, thät', schätz ich wohl, mit einem Frosch vorlieb nehmen, wie
die Prinzessin im Märlein.

Ihr trefft den Nagel auf den Kopf, Vetter! rief der jüngere
Müller mit mürrischem Lachen. Wie? oder wißt Ihr's nicht? Hat
ein blindes Schwein eine Eichel gefunden?

Nun was ist's denn?

Habt Ihr den Laubfrosch noch nie aus und ein gehen sehen?
Wißt Ihr denn nicht, was man für Werg an der Kunkel hat?

Der Andere schüttelte den Kopf.

Das Ausrufungszeichen in dem froschgrünen Rock! fuhr der Jün¬
gere hitzig fort. Er sieht accurat aus, wie Ihr ihn gestempelt habt.
Seid Ihr denn heut' ganz auf den Kopf gefallen?

iſt er ſchwach und hat keinen eigenen Willen mehr, dabei aber gegen
andere Leute ein wahres Unthier an Geiz und Hochmuth. Der alte
Kerl, er trägt den Kopf wie ein Edelmann, und meint wahrhaftig,
er ſei aus anderem Teig gebacken als wie Unſereiner.

Das macht eben der Reichthum, ſagte der Knecht von ſeiner
Bank herüber.

Ja, er iſt grauſig reich, verſetzte der untere Müller. Der Holz¬
ſchlegel rindert ihm auf der Bühne. Er wird wohl auf zwölftauſend
Gulden geſchätzt. Aber freilich, wie Ihr ſagt, Vetter, ſo verhält ſich's:
er iſt b'häb, und faßt das Tuch an fünf Zipfeln.

Ja und guckt in neun Häfen zumal, fiel der Andere ein.

Wo der gedroſchen hat, darf man kein Korn mehr ſuchen, er¬
gänzte der Knecht.

An all' dem iſt das vortheilhaftige böſe Weibsbild ſchuldig! Sie
will alleweil oben hinaus; ſie möcht's gern der Pfarrerin und der
Amtmännin gleich thun, ſchmeichelt ſich auch bei ihnen an und ver¬
läſtert andere Leute, denn das hören ſolche Frauen immer gern. O die
iſt falſch wie Galgenholz. Und wie iſt ſie nur mit ihren Stiefkindern
umgegangen! Die hat ſie von Anfang an zurückgeſetzt und verkürzt,
in der Meinung ſie werde eigene bekommen, und wie das nicht einge¬
troffen iſt, ſo hat ſie's ihnen aus Mißgunſt noch ärger gemacht. Die
älteſte Tochter hat den kahlköpfigen, trockenen Krämer da drüben ge¬
heirathet, um nur aus der Hölle los zu werden. Die andere, die Mag¬
dalene, thät', ſchätz ich wohl, mit einem Froſch vorlieb nehmen, wie
die Prinzeſſin im Märlein.

Ihr trefft den Nagel auf den Kopf, Vetter! rief der jüngere
Müller mit mürriſchem Lachen. Wie? oder wißt Ihr's nicht? Hat
ein blindes Schwein eine Eichel gefunden?

Nun was iſt's denn?

Habt Ihr den Laubfroſch noch nie aus und ein gehen ſehen?
Wißt Ihr denn nicht, was man für Werg an der Kunkel hat?

Der Andere ſchüttelte den Kopf.

Das Ausrufungszeichen in dem froſchgrünen Rock! fuhr der Jün¬
gere hitzig fort. Er ſieht accurat aus, wie Ihr ihn geſtempelt habt.
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[16/0032] iſt er ſchwach und hat keinen eigenen Willen mehr, dabei aber gegen andere Leute ein wahres Unthier an Geiz und Hochmuth. Der alte Kerl, er trägt den Kopf wie ein Edelmann, und meint wahrhaftig, er ſei aus anderem Teig gebacken als wie Unſereiner. Das macht eben der Reichthum, ſagte der Knecht von ſeiner Bank herüber. Ja, er iſt grauſig reich, verſetzte der untere Müller. Der Holz¬ ſchlegel rindert ihm auf der Bühne. Er wird wohl auf zwölftauſend Gulden geſchätzt. Aber freilich, wie Ihr ſagt, Vetter, ſo verhält ſich's: er iſt b'häb, und faßt das Tuch an fünf Zipfeln. Ja und guckt in neun Häfen zumal, fiel der Andere ein. Wo der gedroſchen hat, darf man kein Korn mehr ſuchen, er¬ gänzte der Knecht. An all' dem iſt das vortheilhaftige böſe Weibsbild ſchuldig! Sie will alleweil oben hinaus; ſie möcht's gern der Pfarrerin und der Amtmännin gleich thun, ſchmeichelt ſich auch bei ihnen an und ver¬ läſtert andere Leute, denn das hören ſolche Frauen immer gern. O die iſt falſch wie Galgenholz. Und wie iſt ſie nur mit ihren Stiefkindern umgegangen! Die hat ſie von Anfang an zurückgeſetzt und verkürzt, in der Meinung ſie werde eigene bekommen, und wie das nicht einge¬ troffen iſt, ſo hat ſie's ihnen aus Mißgunſt noch ärger gemacht. Die älteſte Tochter hat den kahlköpfigen, trockenen Krämer da drüben ge¬ heirathet, um nur aus der Hölle los zu werden. Die andere, die Mag¬ dalene, thät', ſchätz ich wohl, mit einem Froſch vorlieb nehmen, wie die Prinzeſſin im Märlein. Ihr trefft den Nagel auf den Kopf, Vetter! rief der jüngere Müller mit mürriſchem Lachen. Wie? oder wißt Ihr's nicht? Hat ein blindes Schwein eine Eichel gefunden? Nun was iſt's denn? Habt Ihr den Laubfroſch noch nie aus und ein gehen ſehen? Wißt Ihr denn nicht, was man für Werg an der Kunkel hat? Der Andere ſchüttelte den Kopf. Das Ausrufungszeichen in dem froſchgrünen Rock! fuhr der Jün¬ gere hitzig fort. Er ſieht accurat aus, wie Ihr ihn geſtempelt habt. Seid Ihr denn heut' ganz auf den Kopf gefallen?

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/32>, abgerufen am 29.03.2024.