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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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guten Laune vollen Lauf. Sie saßen schon den halben Nachmittag
hinter ihrer Friedensflasche und hatten, wie das in solchen Fällen zu
geschehen pflegt, die streitigen Punkte, so wie die Gründe, die zur Bei¬
legung riethen, mehr als ein Dutzendmal umständlich durchgesprochen.
Lachend trank der Jüngere der Wirthin zu, der Aeltere aber bedachte
sie mit einer derben Liebkosung. -- Was die Sonnenwirthin noch ein
fester Kerl ist! rief er: ich glaub', die wär' Manns genug, um noch
Zwillinge zu bringen.

Die Frau schoß einen scharfen Blick aus ihren grauen Augen auf
den Necker, stieß ihn mit einem halb scherzhaft halb ernstlich gemeinten
Scheltwort zurück und verließ ihren Geschäften nachgehend das Wirths¬
zimmer.

Ich glaub', Euch juckt's schon wieder nach einem Proceß, Vetter!
sagte der jüngere Müller lachend. Paßt nur auf, die da versteht
keinen Spaß. Ihr werdet wohl wissen, daß man ihr kein gebrannteres
Herzeleid anthun kann, als wenn man sie an ihre Kinderlosigkeit
erinnert.

Weiß wohl, entgegnete der Andere, und eben darum hab' ich's ge¬
than, weil ich die neidige, gelbe, giftige Kröte noch gelber sehen will,
als unser Herrgott sie geschaffen hat. -- Komm her, Peter, unter¬
brach er sich, einem Eintretenden zurufend: Du hast treulich mit zum
Frieden gerathen, nun ist's billig, daß du auch mit uns trinkst. Ihr
werdet nichts dagegen haben, Vetter, wenn ich meinem Knecht ein¬
schenke? Hol' dir ein Glas und geh' her.

Der Knecht that wie ihm geheißen wurde und setzte sich dann
hinter einen andern Tisch auf die Bank, die vor'm Ofen längs der
Wand hinlief. Von dort aus nahm er seinen wohlberechtigten An¬
theil am Gespräch, stellte sich auch in seinem Reden und Benehmen
völlig auf den Gleichheitsfuß mit seinem Herrn und dessen Gefährten;
nur dadurch, daß er nicht unmittelbar bei ihnen Platz nahm, beobachtete
er den Standesunterschied.

Der gelbe Neidteufel! fuhr der obere Müller fort. Man darf
nur den Sonnenwirth vergleichen, was er unter seinem ersten Weib
für ein Mann war, und was er unter dem dürren Rippenstück für
einer geworden ist. Damals war er aufgeweckt und kameradschaftlich
und gar nicht b'häb in Handel und Wandel und Geldsachen. Jetzt

guten Laune vollen Lauf. Sie ſaßen ſchon den halben Nachmittag
hinter ihrer Friedensflaſche und hatten, wie das in ſolchen Fällen zu
geſchehen pflegt, die ſtreitigen Punkte, ſo wie die Gründe, die zur Bei¬
legung riethen, mehr als ein Dutzendmal umſtändlich durchgeſprochen.
Lachend trank der Jüngere der Wirthin zu, der Aeltere aber bedachte
ſie mit einer derben Liebkoſung. — Was die Sonnenwirthin noch ein
feſter Kerl iſt! rief er: ich glaub', die wär' Manns genug, um noch
Zwillinge zu bringen.

Die Frau ſchoß einen ſcharfen Blick aus ihren grauen Augen auf
den Necker, ſtieß ihn mit einem halb ſcherzhaft halb ernſtlich gemeinten
Scheltwort zurück und verließ ihren Geſchäften nachgehend das Wirths¬
zimmer.

Ich glaub', Euch juckt's ſchon wieder nach einem Proceß, Vetter!
ſagte der jüngere Müller lachend. Paßt nur auf, die da verſteht
keinen Spaß. Ihr werdet wohl wiſſen, daß man ihr kein gebrannteres
Herzeleid anthun kann, als wenn man ſie an ihre Kinderloſigkeit
erinnert.

Weiß wohl, entgegnete der Andere, und eben darum hab' ich's ge¬
than, weil ich die neidige, gelbe, giftige Kröte noch gelber ſehen will,
als unſer Herrgott ſie geſchaffen hat. — Komm her, Peter, unter¬
brach er ſich, einem Eintretenden zurufend: Du haſt treulich mit zum
Frieden gerathen, nun iſt's billig, daß du auch mit uns trinkſt. Ihr
werdet nichts dagegen haben, Vetter, wenn ich meinem Knecht ein¬
ſchenke? Hol' dir ein Glas und geh' her.

Der Knecht that wie ihm geheißen wurde und ſetzte ſich dann
hinter einen andern Tiſch auf die Bank, die vor'm Ofen längs der
Wand hinlief. Von dort aus nahm er ſeinen wohlberechtigten An¬
theil am Geſpräch, ſtellte ſich auch in ſeinem Reden und Benehmen
völlig auf den Gleichheitsfuß mit ſeinem Herrn und deſſen Gefährten;
nur dadurch, daß er nicht unmittelbar bei ihnen Platz nahm, beobachtete
er den Standesunterſchied.

Der gelbe Neidteufel! fuhr der obere Müller fort. Man darf
nur den Sonnenwirth vergleichen, was er unter ſeinem erſten Weib
für ein Mann war, und was er unter dem dürren Rippenſtück für
einer geworden iſt. Damals war er aufgeweckt und kameradſchaftlich
und gar nicht b'häb in Handel und Wandel und Geldſachen. Jetzt

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[15/0031] guten Laune vollen Lauf. Sie ſaßen ſchon den halben Nachmittag hinter ihrer Friedensflaſche und hatten, wie das in ſolchen Fällen zu geſchehen pflegt, die ſtreitigen Punkte, ſo wie die Gründe, die zur Bei¬ legung riethen, mehr als ein Dutzendmal umſtändlich durchgeſprochen. Lachend trank der Jüngere der Wirthin zu, der Aeltere aber bedachte ſie mit einer derben Liebkoſung. — Was die Sonnenwirthin noch ein feſter Kerl iſt! rief er: ich glaub', die wär' Manns genug, um noch Zwillinge zu bringen. Die Frau ſchoß einen ſcharfen Blick aus ihren grauen Augen auf den Necker, ſtieß ihn mit einem halb ſcherzhaft halb ernſtlich gemeinten Scheltwort zurück und verließ ihren Geſchäften nachgehend das Wirths¬ zimmer. Ich glaub', Euch juckt's ſchon wieder nach einem Proceß, Vetter! ſagte der jüngere Müller lachend. Paßt nur auf, die da verſteht keinen Spaß. Ihr werdet wohl wiſſen, daß man ihr kein gebrannteres Herzeleid anthun kann, als wenn man ſie an ihre Kinderloſigkeit erinnert. Weiß wohl, entgegnete der Andere, und eben darum hab' ich's ge¬ than, weil ich die neidige, gelbe, giftige Kröte noch gelber ſehen will, als unſer Herrgott ſie geſchaffen hat. — Komm her, Peter, unter¬ brach er ſich, einem Eintretenden zurufend: Du haſt treulich mit zum Frieden gerathen, nun iſt's billig, daß du auch mit uns trinkſt. Ihr werdet nichts dagegen haben, Vetter, wenn ich meinem Knecht ein¬ ſchenke? Hol' dir ein Glas und geh' her. Der Knecht that wie ihm geheißen wurde und ſetzte ſich dann hinter einen andern Tiſch auf die Bank, die vor'm Ofen längs der Wand hinlief. Von dort aus nahm er ſeinen wohlberechtigten An¬ theil am Geſpräch, ſtellte ſich auch in ſeinem Reden und Benehmen völlig auf den Gleichheitsfuß mit ſeinem Herrn und deſſen Gefährten; nur dadurch, daß er nicht unmittelbar bei ihnen Platz nahm, beobachtete er den Standesunterſchied. Der gelbe Neidteufel! fuhr der obere Müller fort. Man darf nur den Sonnenwirth vergleichen, was er unter ſeinem erſten Weib für ein Mann war, und was er unter dem dürren Rippenſtück für einer geworden iſt. Damals war er aufgeweckt und kameradſchaftlich und gar nicht b'häb in Handel und Wandel und Geldſachen. Jetzt

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/31>, abgerufen am 29.03.2024.