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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Hitze wird's zwar nicht fehlen, je nachdem die Jahreszeit ist; aber das
Schlafen im kalten Regen und alles Andere, was dazu gehört, das soll
und muß ein Ende haben. Komm her, schlag ein.

Der Andere hatte ihn anfangs mit seinem scheelen Auge verwun¬
dert angesehen; die Zuversichtlichkeit seiner Rede schien aber jedes Be¬
denken bei dem Zigeuner verwischt zu haben, und er that wie ihn sein
Gefährte hieß. Friedrich erwiderte seinen Handschlag mit einem noch
kräftigeren, und zufrieden wie wenn sie einen guten Markthandel ab¬
geschlossen hätten, setzten sie ihren Weg mit einander fort. Der Tag
begann sich eben zu neigen, da breitete sich das Ziel ihrer Reise, ein
beträchtlicher Flecken, in angenehmer Thalweite zwischen den Anhöhen
wohlgelegen, freundlich und heimatlich vor ihren Augen aus.


2.

Frau Sonnenwirthin, jetzt ist's an mir! rief der Aeltere von zwei
Männern in hellblauen Wämsern, die am Wirthstische saßen. Bringt
nur gleich zwei Bouteillen auf Einen Streich. Und wenn das Ver¬
mögelein drauf gehen sollte, der Friede muß stet und fest sein. Man
sagt ja, ein Proceß sei etwas Fettes. Nun gut, auf etwas Fettes
muß man brav trinken, damit's Einem den Magen nicht verdirbt.

Nach Befehl! erwiderte die Wirthin, eine große schlanke Frau, aus
deren gelblichem Gesichte starke Knochen hervortraten; und die Fla¬
schen auftragend fuhr sie fort: G'segn's Gott, ihr zwei Müller, Ober
und Unter! Das ist das wahre Wasser auf eure Mühlen und wird
sie besser treiben als das Haderwasser, dem ihr einige Zeit her den
Zugang verstattet habt. Ja ja, ich gratulir'! Ein fetter Vergleich ist
besser als ein magerer Proceß. Das Sprichwort sagt's zwar umge¬
kehrt, aber ich hab' doch recht. Auch ist's gescheider, das Geld in die
Sonne zu tragen als zum Advocaten, denn bei dem wär't ihr doch
nicht so 'ring durchgekommen wie mit so ein paar Bouteillen Zehner.

Die beiden Zunftgenossen, welche einen über ihre Gerechtsame ent¬
standenen Streithandel noch bei Zeit geschlichtet hatten, ließen ihrer

Hitze wird's zwar nicht fehlen, je nachdem die Jahreszeit iſt; aber das
Schlafen im kalten Regen und alles Andere, was dazu gehört, das ſoll
und muß ein Ende haben. Komm her, ſchlag ein.

Der Andere hatte ihn anfangs mit ſeinem ſcheelen Auge verwun¬
dert angeſehen; die Zuverſichtlichkeit ſeiner Rede ſchien aber jedes Be¬
denken bei dem Zigeuner verwiſcht zu haben, und er that wie ihn ſein
Gefährte hieß. Friedrich erwiderte ſeinen Handſchlag mit einem noch
kräftigeren, und zufrieden wie wenn ſie einen guten Markthandel ab¬
geſchloſſen hätten, ſetzten ſie ihren Weg mit einander fort. Der Tag
begann ſich eben zu neigen, da breitete ſich das Ziel ihrer Reiſe, ein
beträchtlicher Flecken, in angenehmer Thalweite zwiſchen den Anhöhen
wohlgelegen, freundlich und heimatlich vor ihren Augen aus.


2.

Frau Sonnenwirthin, jetzt iſt's an mir! rief der Aeltere von zwei
Männern in hellblauen Wämſern, die am Wirthstiſche ſaßen. Bringt
nur gleich zwei Bouteillen auf Einen Streich. Und wenn das Ver¬
mögelein drauf gehen ſollte, der Friede muß ſtet und feſt ſein. Man
ſagt ja, ein Proceß ſei etwas Fettes. Nun gut, auf etwas Fettes
muß man brav trinken, damit's Einem den Magen nicht verdirbt.

Nach Befehl! erwiderte die Wirthin, eine große ſchlanke Frau, aus
deren gelblichem Geſichte ſtarke Knochen hervortraten; und die Fla¬
ſchen auftragend fuhr ſie fort: G'ſegn's Gott, ihr zwei Müller, Ober
und Unter! Das iſt das wahre Waſſer auf eure Mühlen und wird
ſie beſſer treiben als das Haderwaſſer, dem ihr einige Zeit her den
Zugang verſtattet habt. Ja ja, ich gratulir'! Ein fetter Vergleich iſt
beſſer als ein magerer Proceß. Das Sprichwort ſagt's zwar umge¬
kehrt, aber ich hab' doch recht. Auch iſt's geſcheider, das Geld in die
Sonne zu tragen als zum Advocaten, denn bei dem wär't ihr doch
nicht ſo 'ring durchgekommen wie mit ſo ein paar Bouteillen Zehner.

Die beiden Zunftgenoſſen, welche einen über ihre Gerechtſame ent¬
ſtandenen Streithandel noch bei Zeit geſchlichtet hatten, ließen ihrer

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[14/0030] Hitze wird's zwar nicht fehlen, je nachdem die Jahreszeit iſt; aber das Schlafen im kalten Regen und alles Andere, was dazu gehört, das ſoll und muß ein Ende haben. Komm her, ſchlag ein. Der Andere hatte ihn anfangs mit ſeinem ſcheelen Auge verwun¬ dert angeſehen; die Zuverſichtlichkeit ſeiner Rede ſchien aber jedes Be¬ denken bei dem Zigeuner verwiſcht zu haben, und er that wie ihn ſein Gefährte hieß. Friedrich erwiderte ſeinen Handſchlag mit einem noch kräftigeren, und zufrieden wie wenn ſie einen guten Markthandel ab¬ geſchloſſen hätten, ſetzten ſie ihren Weg mit einander fort. Der Tag begann ſich eben zu neigen, da breitete ſich das Ziel ihrer Reiſe, ein beträchtlicher Flecken, in angenehmer Thalweite zwiſchen den Anhöhen wohlgelegen, freundlich und heimatlich vor ihren Augen aus. 2. Frau Sonnenwirthin, jetzt iſt's an mir! rief der Aeltere von zwei Männern in hellblauen Wämſern, die am Wirthstiſche ſaßen. Bringt nur gleich zwei Bouteillen auf Einen Streich. Und wenn das Ver¬ mögelein drauf gehen ſollte, der Friede muß ſtet und feſt ſein. Man ſagt ja, ein Proceß ſei etwas Fettes. Nun gut, auf etwas Fettes muß man brav trinken, damit's Einem den Magen nicht verdirbt. Nach Befehl! erwiderte die Wirthin, eine große ſchlanke Frau, aus deren gelblichem Geſichte ſtarke Knochen hervortraten; und die Fla¬ ſchen auftragend fuhr ſie fort: G'ſegn's Gott, ihr zwei Müller, Ober und Unter! Das iſt das wahre Waſſer auf eure Mühlen und wird ſie beſſer treiben als das Haderwaſſer, dem ihr einige Zeit her den Zugang verſtattet habt. Ja ja, ich gratulir'! Ein fetter Vergleich iſt beſſer als ein magerer Proceß. Das Sprichwort ſagt's zwar umge¬ kehrt, aber ich hab' doch recht. Auch iſt's geſcheider, das Geld in die Sonne zu tragen als zum Advocaten, denn bei dem wär't ihr doch nicht ſo 'ring durchgekommen wie mit ſo ein paar Bouteillen Zehner. Die beiden Zunftgenoſſen, welche einen über ihre Gerechtſame ent¬ ſtandenen Streithandel noch bei Zeit geſchlichtet hatten, ließen ihrer

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/30>, abgerufen am 28.03.2024.