sind, und hab' empfunden wie es patscht, wenn Haselholz und Hirsch¬ leder zusammenkommen.
Der Zigeuner schlug ein lustiges Gelächter auf. Aber nicht wahr, rief er triumphirend, mit einem solchen Leibschaden noch stundenlang d'rauf los marschiren und dann auf einem hölzernen Bänkchen her¬ umrutschen, das könnt auch nicht ein Jeder.
Nun, nun, entgegnete Friedrich, man merkt's dessen ungeachtet wohl, wo du dermalen deine schwache Seite hast. Du sitz'st ja so windschief da, als wenn das Bänkchen unter dir brennte, die armen Seelen in der Hölle, die auf dem Glufenhäfelein sitzen, können nicht öfter wechseln und nicht possierlicher den Fuß an sich ziehen. Aber das muß man dir lassen: mannlich hast du dich gehalten. Wenn ich nur noch ein paar übrige Kreuzer hätt', so ließ ich dir einen Kirschen¬ geist zum Einreiben kommen.
Einreiben! wer wird auch die Gottesgabe so sündlich verschwenden! Den Kirschengeist muß man innerlich brauchen, von innen heraus curirt er noch einmal so schnell.
Das glaub' ich dir! lachte Friedrich. Ueberhaupt hab' ich schon oft gedacht, ihr Zigeuner müsset ein gutes Fell haben, stich- und kugelfest. Man könnt's, schätz' ich wohl, zum Ueberzug für ein schwaches Gewissen brauchen.
Es dient oft auch dazu. Ja, eine gute Haut, die muß der Zi¬ geuner haben, und hartgesotten muß er sein, wenn er solch mühseliges Leben aushalten soll. Frost und Hitze muß ihm gleichviel gelten. Halbnackt muß er gehen können, wenn ihm der gefrorene Schnee un¬ ter den Füßen kracht, und die schwerste Bürde muß ihm wie ein Flaum sein, wenn ihn die Sonne Mittags auf die Glieder sticht. Sein Lager ist unter Gottes freiem Himmel, und in böser Nacht hat er's nicht immer so gut, daß er auch nur im Hüterhäuschen unter¬ kriechen kann. Oft hat er nur einen Baum zum Obdach, unter dem schläft er zufrieden, wenn der Sturm durch die Aeste fährt und die Blätter schüttelt, daß ihm der kalte Regen auf die Stirne tropft.
Herr Gott, rief Friedrich mit rauher Rührung, ich kann doch auch was vertragen, aber so ein Leben muß ja den besten Mann umbringen! Mußt du nicht selber sagen, daß es vernünftiger wäre, wenn ihr das Heidenleben aufgäbet, eine christliche Ordnung anfinget
ſind, und hab' empfunden wie es patſcht, wenn Haſelholz und Hirſch¬ leder zuſammenkommen.
Der Zigeuner ſchlug ein luſtiges Gelächter auf. Aber nicht wahr, rief er triumphirend, mit einem ſolchen Leibſchaden noch ſtundenlang d'rauf los marſchiren und dann auf einem hölzernen Bänkchen her¬ umrutſchen, das könnt auch nicht ein Jeder.
Nun, nun, entgegnete Friedrich, man merkt's deſſen ungeachtet wohl, wo du dermalen deine ſchwache Seite haſt. Du ſitz'ſt ja ſo windſchief da, als wenn das Bänkchen unter dir brennte, die armen Seelen in der Hölle, die auf dem Glufenhäfelein ſitzen, können nicht öfter wechſeln und nicht poſſierlicher den Fuß an ſich ziehen. Aber das muß man dir laſſen: mannlich haſt du dich gehalten. Wenn ich nur noch ein paar übrige Kreuzer hätt', ſo ließ ich dir einen Kirſchen¬ geiſt zum Einreiben kommen.
Einreiben! wer wird auch die Gottesgabe ſo ſündlich verſchwenden! Den Kirſchengeiſt muß man innerlich brauchen, von innen heraus curirt er noch einmal ſo ſchnell.
Das glaub' ich dir! lachte Friedrich. Ueberhaupt hab' ich ſchon oft gedacht, ihr Zigeuner müſſet ein gutes Fell haben, ſtich- und kugelfeſt. Man könnt's, ſchätz' ich wohl, zum Ueberzug für ein ſchwaches Gewiſſen brauchen.
Es dient oft auch dazu. Ja, eine gute Haut, die muß der Zi¬ geuner haben, und hartgeſotten muß er ſein, wenn er ſolch mühſeliges Leben aushalten ſoll. Froſt und Hitze muß ihm gleichviel gelten. Halbnackt muß er gehen können, wenn ihm der gefrorene Schnee un¬ ter den Füßen kracht, und die ſchwerſte Bürde muß ihm wie ein Flaum ſein, wenn ihn die Sonne Mittags auf die Glieder ſticht. Sein Lager iſt unter Gottes freiem Himmel, und in böſer Nacht hat er's nicht immer ſo gut, daß er auch nur im Hüterhäuschen unter¬ kriechen kann. Oft hat er nur einen Baum zum Obdach, unter dem ſchläft er zufrieden, wenn der Sturm durch die Aeſte fährt und die Blätter ſchüttelt, daß ihm der kalte Regen auf die Stirne tropft.
Herr Gott, rief Friedrich mit rauher Rührung, ich kann doch auch was vertragen, aber ſo ein Leben muß ja den beſten Mann umbringen! Mußt du nicht ſelber ſagen, daß es vernünftiger wäre, wenn ihr das Heidenleben aufgäbet, eine chriſtliche Ordnung anfinget
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ſind, und hab' empfunden wie es patſcht, wenn Haſelholz und Hirſch¬
leder zuſammenkommen.
Der Zigeuner ſchlug ein luſtiges Gelächter auf. Aber nicht wahr,
rief er triumphirend, mit einem ſolchen Leibſchaden noch ſtundenlang
d'rauf los marſchiren und dann auf einem hölzernen Bänkchen her¬
umrutſchen, das könnt auch nicht ein Jeder.
Nun, nun, entgegnete Friedrich, man merkt's deſſen ungeachtet
wohl, wo du dermalen deine ſchwache Seite haſt. Du ſitz'ſt ja ſo
windſchief da, als wenn das Bänkchen unter dir brennte, die armen
Seelen in der Hölle, die auf dem Glufenhäfelein ſitzen, können nicht
öfter wechſeln und nicht poſſierlicher den Fuß an ſich ziehen. Aber
das muß man dir laſſen: mannlich haſt du dich gehalten. Wenn ich
nur noch ein paar übrige Kreuzer hätt', ſo ließ ich dir einen Kirſchen¬
geiſt zum Einreiben kommen.
Einreiben! wer wird auch die Gottesgabe ſo ſündlich verſchwenden!
Den Kirſchengeiſt muß man innerlich brauchen, von innen heraus
curirt er noch einmal ſo ſchnell.
Das glaub' ich dir! lachte Friedrich. Ueberhaupt hab' ich ſchon
oft gedacht, ihr Zigeuner müſſet ein gutes Fell haben, ſtich- und
kugelfeſt. Man könnt's, ſchätz' ich wohl, zum Ueberzug für ein
ſchwaches Gewiſſen brauchen.
Es dient oft auch dazu. Ja, eine gute Haut, die muß der Zi¬
geuner haben, und hartgeſotten muß er ſein, wenn er ſolch mühſeliges
Leben aushalten ſoll. Froſt und Hitze muß ihm gleichviel gelten.
Halbnackt muß er gehen können, wenn ihm der gefrorene Schnee un¬
ter den Füßen kracht, und die ſchwerſte Bürde muß ihm wie ein
Flaum ſein, wenn ihn die Sonne Mittags auf die Glieder ſticht.
Sein Lager iſt unter Gottes freiem Himmel, und in böſer Nacht hat
er's nicht immer ſo gut, daß er auch nur im Hüterhäuschen unter¬
kriechen kann. Oft hat er nur einen Baum zum Obdach, unter dem
ſchläft er zufrieden, wenn der Sturm durch die Aeſte fährt und die
Blätter ſchüttelt, daß ihm der kalte Regen auf die Stirne tropft.
Herr Gott, rief Friedrich mit rauher Rührung, ich kann doch
auch was vertragen, aber ſo ein Leben muß ja den beſten Mann
umbringen! Mußt du nicht ſelber ſagen, daß es vernünftiger wäre,
wenn ihr das Heidenleben aufgäbet, eine chriſtliche Ordnung anfinget
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/27>, abgerufen am 03.12.2024.
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