auf einmal that es hart an seinem Ohr einen Knall, daß er der Länge nach mit der Nase in den Schnee fiel und sein dreieckiger Hut weit hinausflog. Im Nu hatte der Thäter das Gewehr versteckt und saß drinnen in der Wirthsstube neben dem Invaliden, der ihn mit ei¬ nem pfiffigen Blinzeln bewillkommte. Nicht wahr, meine alte Lise ist noch gut bei Stimm'? flüsterte er ihm in's Ohr: ich hab' jeden Knall herausgehört und bei jedem hat mir das Herz im Leib' ge¬ lacht. Dann fuhr er in einer angefangenen Geschichte vom Prinzen Eugen zu erzählen fort, unter welchem er es bis zum Profoßen ge¬ bracht hatte. Friedrich wußte seine Geschichten alle auswendig, versah ihn mit Wein und ließ ihn erzählen, und unterhielt sich indessen leise mit dem uns schon bekannten Müllersknecht, der ihm seit jener Schil¬ derung seiner Jugendbegegnisse eine Art von Bewunderung zollte, seine Bekanntschaft theils in der Sonne, theils an andern Orten pflegte und auf den Haß seines Meisters gegen den mannhaften jungen Burschen so wenig Rücksicht nahm, daß er selbst durch den Verdacht des Müllers wegen des Bienendiebstahls, nachdem Friedrich ihm mit der aufrichtig¬ sten Miene seine Unschuld versichert hatte, sich nicht im geringsten gegen ihn einnehmen ließ. Der Alte sollte jedoch seine Geschichte nicht zu Ende bringen, denn kaum war er durch Friedrich's Eintritt unterbrochen worden, so erhob sich eine neue Störung. Die Thür wurde heftig aufgestoßen und der Schütz kam in einer bogenförmigen Linie hereingeschossen. Da muß er herein sein, der Mordthäter, der mir nach dem Leben getrachtet hat! schrie er, indem er die glühenden Augen von Einem zum Andern laufen ließ. Die ganze Gesellschaft versicherte, sich mit den Augen zuwinkend und durch einander schreiend, hier sei Niemand, der ihm etwas gethan habe, und Alles fragte, was ihm denn geschehen sei. Er erzählte sein Abenteuer, wobei er den Oberkörper wiegte und dann wieder einen Schritt vorwärts oder rück¬ wärts gerieth; dieses Schwanken wurde noch dadurch vermehrt, daß er in seiner ohnehin nicht festen Stellung beständig argwöhnisch in der Gesellschaft umhersah, ob er nicht an irgend einem Merkmal seinen Angreifer erkennen könne. Das Gelächter, die Spottreden und schalk¬ haft verkehrten Fragen der ergötzten Zechbrüder machten ihn noch wil¬ der; er schimpfte und fluchte und bestand darauf, hier oder wenigstens in der Nähe herum irgendwo müsse er versteckt sein, der keinnützig'
auf einmal that es hart an ſeinem Ohr einen Knall, daß er der Länge nach mit der Naſe in den Schnee fiel und ſein dreieckiger Hut weit hinausflog. Im Nu hatte der Thäter das Gewehr verſteckt und ſaß drinnen in der Wirthsſtube neben dem Invaliden, der ihn mit ei¬ nem pfiffigen Blinzeln bewillkommte. Nicht wahr, meine alte Liſe iſt noch gut bei Stimm'? flüſterte er ihm in's Ohr: ich hab' jeden Knall herausgehört und bei jedem hat mir das Herz im Leib' ge¬ lacht. Dann fuhr er in einer angefangenen Geſchichte vom Prinzen Eugen zu erzählen fort, unter welchem er es bis zum Profoßen ge¬ bracht hatte. Friedrich wußte ſeine Geſchichten alle auswendig, verſah ihn mit Wein und ließ ihn erzählen, und unterhielt ſich indeſſen leiſe mit dem uns ſchon bekannten Müllersknecht, der ihm ſeit jener Schil¬ derung ſeiner Jugendbegegniſſe eine Art von Bewunderung zollte, ſeine Bekanntſchaft theils in der Sonne, theils an andern Orten pflegte und auf den Haß ſeines Meiſters gegen den mannhaften jungen Burſchen ſo wenig Rückſicht nahm, daß er ſelbſt durch den Verdacht des Müllers wegen des Bienendiebſtahls, nachdem Friedrich ihm mit der aufrichtig¬ ſten Miene ſeine Unſchuld verſichert hatte, ſich nicht im geringſten gegen ihn einnehmen ließ. Der Alte ſollte jedoch ſeine Geſchichte nicht zu Ende bringen, denn kaum war er durch Friedrich's Eintritt unterbrochen worden, ſo erhob ſich eine neue Störung. Die Thür wurde heftig aufgeſtoßen und der Schütz kam in einer bogenförmigen Linie hereingeſchoſſen. Da muß er herein ſein, der Mordthäter, der mir nach dem Leben getrachtet hat! ſchrie er, indem er die glühenden Augen von Einem zum Andern laufen ließ. Die ganze Geſellſchaft verſicherte, ſich mit den Augen zuwinkend und durch einander ſchreiend, hier ſei Niemand, der ihm etwas gethan habe, und Alles fragte, was ihm denn geſchehen ſei. Er erzählte ſein Abenteuer, wobei er den Oberkörper wiegte und dann wieder einen Schritt vorwärts oder rück¬ wärts gerieth; dieſes Schwanken wurde noch dadurch vermehrt, daß er in ſeiner ohnehin nicht feſten Stellung beſtändig argwöhniſch in der Geſellſchaft umherſah, ob er nicht an irgend einem Merkmal ſeinen Angreifer erkennen könne. Das Gelächter, die Spottreden und ſchalk¬ haft verkehrten Fragen der ergötzten Zechbrüder machten ihn noch wil¬ der; er ſchimpfte und fluchte und beſtand darauf, hier oder wenigſtens in der Nähe herum irgendwo müſſe er verſteckt ſein, der keinnützig'
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[91/0107]
auf einmal that es hart an ſeinem Ohr einen Knall, daß er der
Länge nach mit der Naſe in den Schnee fiel und ſein dreieckiger Hut
weit hinausflog. Im Nu hatte der Thäter das Gewehr verſteckt und
ſaß drinnen in der Wirthsſtube neben dem Invaliden, der ihn mit ei¬
nem pfiffigen Blinzeln bewillkommte. Nicht wahr, meine alte Liſe
iſt noch gut bei Stimm'? flüſterte er ihm in's Ohr: ich hab' jeden
Knall herausgehört und bei jedem hat mir das Herz im Leib' ge¬
lacht. Dann fuhr er in einer angefangenen Geſchichte vom Prinzen
Eugen zu erzählen fort, unter welchem er es bis zum Profoßen ge¬
bracht hatte. Friedrich wußte ſeine Geſchichten alle auswendig, verſah
ihn mit Wein und ließ ihn erzählen, und unterhielt ſich indeſſen leiſe
mit dem uns ſchon bekannten Müllersknecht, der ihm ſeit jener Schil¬
derung ſeiner Jugendbegegniſſe eine Art von Bewunderung zollte, ſeine
Bekanntſchaft theils in der Sonne, theils an andern Orten pflegte und
auf den Haß ſeines Meiſters gegen den mannhaften jungen Burſchen
ſo wenig Rückſicht nahm, daß er ſelbſt durch den Verdacht des Müllers
wegen des Bienendiebſtahls, nachdem Friedrich ihm mit der aufrichtig¬
ſten Miene ſeine Unſchuld verſichert hatte, ſich nicht im geringſten
gegen ihn einnehmen ließ. Der Alte ſollte jedoch ſeine Geſchichte
nicht zu Ende bringen, denn kaum war er durch Friedrich's Eintritt
unterbrochen worden, ſo erhob ſich eine neue Störung. Die Thür
wurde heftig aufgeſtoßen und der Schütz kam in einer bogenförmigen
Linie hereingeſchoſſen. Da muß er herein ſein, der Mordthäter, der
mir nach dem Leben getrachtet hat! ſchrie er, indem er die glühenden
Augen von Einem zum Andern laufen ließ. Die ganze Geſellſchaft
verſicherte, ſich mit den Augen zuwinkend und durch einander ſchreiend,
hier ſei Niemand, der ihm etwas gethan habe, und Alles fragte, was
ihm denn geſchehen ſei. Er erzählte ſein Abenteuer, wobei er den
Oberkörper wiegte und dann wieder einen Schritt vorwärts oder rück¬
wärts gerieth; dieſes Schwanken wurde noch dadurch vermehrt, daß er
in ſeiner ohnehin nicht feſten Stellung beſtändig argwöhniſch in der
Geſellſchaft umherſah, ob er nicht an irgend einem Merkmal ſeinen
Angreifer erkennen könne. Das Gelächter, die Spottreden und ſchalk¬
haft verkehrten Fragen der ergötzten Zechbrüder machten ihn noch wil¬
der; er ſchimpfte und fluchte und beſtand darauf, hier oder wenigſtens
in der Nähe herum irgendwo müſſe er verſteckt ſein, der keinnützig'
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/107>, abgerufen am 24.11.2024.
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