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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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beigemischt, und Friedrich nahm wahr, daß sich zwischen dem Vater
und der Stiefmutter eine Kluft zu öffnen beginne, die, wenn sie auch
nicht die belachte Ortsveränderung zur Folge hatte, doch den Vater
bald ganz auf die Seite des Sohnes bringen konnte. Jetzt wär's gut
Wetter für mich, dachte er unwillkürlich, jetzt würd' ich vielleicht
meine Rechnung nicht ohne den Wirth machen. Der Fehler ist nur,
daß ich gar keine zu machen habe. Die Hauptnummer, die Glücks¬
nummer will nicht her, die mit den gelben Zöpfen und dem verstock¬
ten trotzigen Herzen; was helfen mich alle Anschläge ohne sie? Drauf!
drein! Schlagt an! Feuer! drunter und drüber!

Und abermals krachten die schweren Schüsse, in welchen der thö¬
richte Knabe seinen Unmuth und sein Pulver verschoß.


8.

Eben hatte er wieder seine Davidsharfe brummen lassen und eilte
in schnellen Wendungen durch Zwischengäßchen vor den Wächtern da¬
von; da führte ihn sein Weg an dem Bäckerhause vorbei, wo er
Christinen zuerst gesehen hatte. Er hörte lustige Stimmen hinter den
Läden und blickte durch eine Spalte in die Stube, wo er seinen In¬
validen und andere Bekannte am Wirthstische sitzen sah. Christine
war nicht zu sehen, also konnte ihm sein trutziges Ehrgefühl den Ein¬
tritt nicht verwehren. Während er sich noch ein wenig besann, wo er
das Gewehr unterbringen sollte, sah er in der schneehellen Nacht einen
Mann nicht mit den sichersten Schritten daherkommen, in welchem er
den Fleckenschützen erkannte. Der hat schon einen Stich, sagte er zu
sich, und will noch die Sicherheit des Orts bewachen; da wird's heut
Nacht noch zum Durchbruch kommen; ich will ihm einstweilen eins
aufspielen, damit er munter bleibt. Er schlich sich auf die Seite und
gab in der Geschwindigkeit seinem Gewehr eine verdoppelte Ladung;
dann kam er leise hinter den Schützen herangeschlichen. Dieser hatte
das Geräusch des Ladstocks gehört und lauschte vorgebeugt mit dem
Finger an der Nase, ohne recht zu wissen wohin er sich wenden solle;

beigemiſcht, und Friedrich nahm wahr, daß ſich zwiſchen dem Vater
und der Stiefmutter eine Kluft zu öffnen beginne, die, wenn ſie auch
nicht die belachte Ortsveränderung zur Folge hatte, doch den Vater
bald ganz auf die Seite des Sohnes bringen konnte. Jetzt wär's gut
Wetter für mich, dachte er unwillkürlich, jetzt würd' ich vielleicht
meine Rechnung nicht ohne den Wirth machen. Der Fehler iſt nur,
daß ich gar keine zu machen habe. Die Hauptnummer, die Glücks¬
nummer will nicht her, die mit den gelben Zöpfen und dem verſtock¬
ten trotzigen Herzen; was helfen mich alle Anſchläge ohne ſie? Drauf!
drein! Schlagt an! Feuer! drunter und drüber!

Und abermals krachten die ſchweren Schüſſe, in welchen der thö¬
richte Knabe ſeinen Unmuth und ſein Pulver verſchoß.


8.

Eben hatte er wieder ſeine Davidsharfe brummen laſſen und eilte
in ſchnellen Wendungen durch Zwiſchengäßchen vor den Wächtern da¬
von; da führte ihn ſein Weg an dem Bäckerhauſe vorbei, wo er
Chriſtinen zuerſt geſehen hatte. Er hörte luſtige Stimmen hinter den
Läden und blickte durch eine Spalte in die Stube, wo er ſeinen In¬
validen und andere Bekannte am Wirthstiſche ſitzen ſah. Chriſtine
war nicht zu ſehen, alſo konnte ihm ſein trutziges Ehrgefühl den Ein¬
tritt nicht verwehren. Während er ſich noch ein wenig beſann, wo er
das Gewehr unterbringen ſollte, ſah er in der ſchneehellen Nacht einen
Mann nicht mit den ſicherſten Schritten daherkommen, in welchem er
den Fleckenſchützen erkannte. Der hat ſchon einen Stich, ſagte er zu
ſich, und will noch die Sicherheit des Orts bewachen; da wird's heut
Nacht noch zum Durchbruch kommen; ich will ihm einſtweilen eins
aufſpielen, damit er munter bleibt. Er ſchlich ſich auf die Seite und
gab in der Geſchwindigkeit ſeinem Gewehr eine verdoppelte Ladung;
dann kam er leiſe hinter den Schützen herangeſchlichen. Dieſer hatte
das Geräuſch des Ladſtocks gehört und lauſchte vorgebeugt mit dem
Finger an der Naſe, ohne recht zu wiſſen wohin er ſich wenden ſolle;

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[90/0106] beigemiſcht, und Friedrich nahm wahr, daß ſich zwiſchen dem Vater und der Stiefmutter eine Kluft zu öffnen beginne, die, wenn ſie auch nicht die belachte Ortsveränderung zur Folge hatte, doch den Vater bald ganz auf die Seite des Sohnes bringen konnte. Jetzt wär's gut Wetter für mich, dachte er unwillkürlich, jetzt würd' ich vielleicht meine Rechnung nicht ohne den Wirth machen. Der Fehler iſt nur, daß ich gar keine zu machen habe. Die Hauptnummer, die Glücks¬ nummer will nicht her, die mit den gelben Zöpfen und dem verſtock¬ ten trotzigen Herzen; was helfen mich alle Anſchläge ohne ſie? Drauf! drein! Schlagt an! Feuer! drunter und drüber! Und abermals krachten die ſchweren Schüſſe, in welchen der thö¬ richte Knabe ſeinen Unmuth und ſein Pulver verſchoß. 8. Eben hatte er wieder ſeine Davidsharfe brummen laſſen und eilte in ſchnellen Wendungen durch Zwiſchengäßchen vor den Wächtern da¬ von; da führte ihn ſein Weg an dem Bäckerhauſe vorbei, wo er Chriſtinen zuerſt geſehen hatte. Er hörte luſtige Stimmen hinter den Läden und blickte durch eine Spalte in die Stube, wo er ſeinen In¬ validen und andere Bekannte am Wirthstiſche ſitzen ſah. Chriſtine war nicht zu ſehen, alſo konnte ihm ſein trutziges Ehrgefühl den Ein¬ tritt nicht verwehren. Während er ſich noch ein wenig beſann, wo er das Gewehr unterbringen ſollte, ſah er in der ſchneehellen Nacht einen Mann nicht mit den ſicherſten Schritten daherkommen, in welchem er den Fleckenſchützen erkannte. Der hat ſchon einen Stich, ſagte er zu ſich, und will noch die Sicherheit des Orts bewachen; da wird's heut Nacht noch zum Durchbruch kommen; ich will ihm einſtweilen eins aufſpielen, damit er munter bleibt. Er ſchlich ſich auf die Seite und gab in der Geſchwindigkeit ſeinem Gewehr eine verdoppelte Ladung; dann kam er leiſe hinter den Schützen herangeſchlichen. Dieſer hatte das Geräuſch des Ladſtocks gehört und lauſchte vorgebeugt mit dem Finger an der Naſe, ohne recht zu wiſſen wohin er ſich wenden ſolle;

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/106>, abgerufen am 24.11.2024.