Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kunckel, Johann: Ars Vitraria Experimentalis, Oder Vollkommene Glasmacher-Kunst. Frankfurt (Main) u. a., 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Glasmacher-Kunst.
cken nach nicht unmöglich/ sondern dermahleins werckstellig zu machen
ware) seiner Nation zuschreiben möchte.

Ferner/ so ist diß Temperament nicht anders gewesen/ als daß das
Glaß hätte können gebogen werden: Und wer wolte glauben/ daß die
Nachkömmlinge solten so unachtsam gewesen seyn/ in einem Ding/ wel-
ches so allgemein im Gebrauch ist/ und zu dessen Bereitung nicht mehr
als zwey Materialien ersordert werden.

Und was soll das Gericht bedeuten/ wann es von Verringerung
des Goldes und Silbers redet; ich sehe nichts/ daß dem Käyser unan-
ständig oder dem Werth des Silbers und Goldes solte zugegen seyn;
vielmehr befinde ich/ daß es sehr nützlich solte gewesen seyn/ in den Wor-
ren aber des Käysers ersehe ich keine Folge. Und so viel von dem Zeugniß
des Plinii.

Aber was können jene/ welche solches von dem Plinio entlehnet/ zu
dieser Sach ein mehrers/ als die Authorität des ersten Erzehlers/ hinzu
thun? Jn Warheit nichts! insonderheit da sie dem Text des Plinii eine
solche Auslegung angedichtet/ die mit demselben nicht übereinstimmet/
und habens durch ihren Zusatz in eine förmliche und vollständige Erzeh-
lung bringen wollen: Plinius saget/ damit sich das Glas biegen ließ; des
Dionis Zusatz über solche Wort/ ist: der Künstler hätte das zerbrochene
Glaß wiederum gantz gemachet; welches zur Hämmerung der erste Grad
ist: Uberdiß ist noch des Isidori Zugab/ sagend/ solches zerbrochene Glas
sey mit dem Hämmer wiederum ausgerichtet worden: Hieraus ist
nun zu ersehen/ auff was Manier solche Meinung an uns gelanget/ und
mit was wunderbarer Veränderung und Auslegung solches geschehen
sey/ damit es denen Nachkömmlingen möchte wahrscheinlich fürkom-
men.

Das jenige/ was Plinius vom Hörensagen erzehlet/ und sein Ur-
theil wegen der Ungewißheit darbey füget/ das lassen diese Chymici aus/
damit sie ihre Meinung von dem allmächtigen Stein der Weisen be-
schützen/ verkehrend die Flexibilität des Plinii, und machen solche zur
Malleabilität oder Hämmerung des Glases/ als wann zwischen dem
Biegen und Hämmern kein Unterschied wäre; da doch alle Cörper auff
eine gewisse Weiß sich biegen/ mit nichten aber sich hämmern lassen; aus-
genommen die Metallen: Die Stücke von dem gemeinen Moscowiti-
tischen Glas/ und dergleichen unzehlich viel ander lassen sich zwar biegen/
aber nicht hämmern/ oder mit dem Hammer tractiren/ auch kan man
keine dünne Blech/ gleichwie aus denen Sachen/ welche sich schmieden

lassen/
G g

Von der Glasmacher-Kunſt.
cken nach nicht unmoͤglich/ ſondern dermahleins werckſtellig zu machen
ware) ſeiner Nation zuſchreiben moͤchte.

Ferner/ ſo iſt diß Temperament nicht anders geweſen/ als daß das
Glaß haͤtte koͤnnen gebogen werden: Und wer wolte glauben/ daß die
Nachkoͤmmlinge ſolten ſo unachtſam geweſen ſeyn/ in einem Ding/ wel-
ches ſo allgemein im Gebrauch iſt/ und zu deſſen Bereitung nicht mehr
als zwey Materialien erſordert werden.

Und was ſoll das Gericht bedeuten/ wann es von Verringerung
des Goldes und Silbers redet; ich ſehe nichts/ daß dem Kaͤyſer unan-
ſtaͤndig oder dem Werth des Silbers und Goldes ſolte zugegen ſeyn;
vielmehr befinde ich/ daß es ſehr nuͤtzlich ſolte geweſen ſeyn/ in den Wor-
ren aber des Kaͤyſers erſehe ich keine Folge. Und ſo viel von dem Zeugniß
des Plinii.

Aber was koͤnnen jene/ welche ſolches von dem Plinio entlehnet/ zu
dieſer Sach ein mehrers/ als die Authoritaͤt des erſten Erzehlers/ hinzu
thun? Jn Warheit nichts! inſonderheit da ſie dem Text des Plinii eine
ſolche Auslegung angedichtet/ die mit demſelben nicht uͤbereinſtimmet/
und habens durch ihren Zuſatz in eine foͤrmliche und vollſtaͤndige Erzeh-
lung bringen wollen: Plinius ſaget/ damit ſich das Glas biegen ließ; des
Dionis Zuſatz uͤber ſolche Wort/ iſt: der Kuͤnſtler haͤtte das zerbrochene
Glaß wiederum gantz gemachet; welches zur Haͤmmerung der erſte Grad
iſt: Uberdiß iſt noch des Iſidori Zugab/ ſagend/ ſolches zerbrochene Glas
ſey mit dem Haͤmmer wiederum ausgerichtet worden: Hieraus iſt
nun zu erſehen/ auff was Manier ſolche Meinung an uns gelanget/ und
mit was wunderbarer Veraͤnderung und Auslegung ſolches geſchehen
ſey/ damit es denen Nachkoͤmmlingen moͤchte wahrſcheinlich fuͤrkom-
men.

Das jenige/ was Plinius vom Hoͤrenſagen erzehlet/ und ſein Ur-
theil wegen der Ungewißheit darbey fuͤget/ das laſſen dieſe Chymici aus/
damit ſie ihre Meinung von dem allmaͤchtigen Stein der Weiſen be-
ſchuͤtzen/ verkehrend die Flexibilitaͤt des Plinii, und machen ſolche zur
Malleabilitaͤt oder Haͤmmerung des Glaſes/ als wann zwiſchen dem
Biegen und Haͤmmern kein Unterſchied waͤre; da doch alle Coͤrper auff
eine gewiſſe Weiß ſich biegen/ mit nichten aber ſich haͤmmern laſſen; aus-
genommen die Metallen: Die Stuͤcke von dem gemeinen Moſcowiti-
tiſchen Glas/ und dergleichen unzehlich viel ander laſſen ſich zwar biegen/
aber nicht haͤmmern/ oder mit dem Hammer tractiren/ auch kan man
keine duͤnne Blech/ gleichwie aus denen Sachen/ welche ſich ſchmieden

laſſen/
G g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0279" n="235"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Glasmacher-Kun&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
cken nach nicht unmo&#x0364;glich/ &#x017F;ondern dermahleins werck&#x017F;tellig zu machen<lb/>
ware) &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Nation</hi> zu&#x017F;chreiben mo&#x0364;chte.</p><lb/>
              <p>Ferner/ &#x017F;o i&#x017F;t diß Temperament nicht anders gewe&#x017F;en/ als daß das<lb/>
Glaß ha&#x0364;tte ko&#x0364;nnen gebogen werden: Und wer wolte glauben/ daß die<lb/>
Nachko&#x0364;mmlinge &#x017F;olten &#x017F;o unacht&#x017F;am gewe&#x017F;en &#x017F;eyn/ in einem Ding/ wel-<lb/>
ches &#x017F;o allgemein im Gebrauch i&#x017F;t/ und zu de&#x017F;&#x017F;en Bereitung nicht mehr<lb/>
als zwey Materialien er&#x017F;ordert werden.</p><lb/>
              <p>Und was &#x017F;oll das Gericht bedeuten/ wann es von Verringerung<lb/>
des Goldes und Silbers redet; ich &#x017F;ehe nichts/ daß dem Ka&#x0364;y&#x017F;er unan-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig oder dem Werth des Silbers und Goldes &#x017F;olte zugegen &#x017F;eyn;<lb/>
vielmehr befinde ich/ daß es &#x017F;ehr nu&#x0364;tzlich &#x017F;olte gewe&#x017F;en &#x017F;eyn/ in den Wor-<lb/>
ren aber des Ka&#x0364;y&#x017F;ers er&#x017F;ehe ich keine Folge. Und &#x017F;o viel von dem Zeugniß<lb/>
des <hi rendition="#aq">Plinii.</hi></p><lb/>
              <p>Aber was ko&#x0364;nnen jene/ welche &#x017F;olches von dem <hi rendition="#aq">Plinio</hi> entlehnet/ zu<lb/>
die&#x017F;er Sach ein mehrers/ als die <hi rendition="#aq">Authori</hi>ta&#x0364;t des er&#x017F;ten Erzehlers/ hinzu<lb/>
thun? Jn Warheit nichts! in&#x017F;onderheit da &#x017F;ie dem Text des <hi rendition="#aq">Plinii</hi> eine<lb/>
&#x017F;olche Auslegung angedichtet/ die mit dem&#x017F;elben nicht u&#x0364;berein&#x017F;timmet/<lb/>
und habens durch ihren Zu&#x017F;atz in eine fo&#x0364;rmliche und voll&#x017F;ta&#x0364;ndige Erzeh-<lb/>
lung bringen wollen: <hi rendition="#aq">Plinius</hi> &#x017F;aget/ damit &#x017F;ich das Glas biegen ließ; des<lb/><hi rendition="#aq">Dionis</hi> Zu&#x017F;atz u&#x0364;ber &#x017F;olche Wort/ i&#x017F;t: der Ku&#x0364;n&#x017F;tler ha&#x0364;tte das zerbrochene<lb/>
Glaß wiederum gantz gemachet; welches zur Ha&#x0364;mmerung der er&#x017F;te Grad<lb/>
i&#x017F;t: Uberdiß i&#x017F;t noch des <hi rendition="#aq">I&#x017F;idori</hi> Zugab/ &#x017F;agend/ &#x017F;olches zerbrochene Glas<lb/>
&#x017F;ey mit dem Ha&#x0364;mmer wiederum ausgerichtet worden: Hieraus i&#x017F;t<lb/>
nun zu er&#x017F;ehen/ auff was Manier &#x017F;olche Meinung an uns gelanget/ und<lb/>
mit was wunderbarer Vera&#x0364;nderung und Auslegung &#x017F;olches ge&#x017F;chehen<lb/>
&#x017F;ey/ damit es denen Nachko&#x0364;mmlingen mo&#x0364;chte wahr&#x017F;cheinlich fu&#x0364;rkom-<lb/>
men.</p><lb/>
              <p>Das jenige/ was <hi rendition="#aq">Plinius</hi> vom Ho&#x0364;ren&#x017F;agen erzehlet/ und &#x017F;ein Ur-<lb/>
theil wegen der Ungewißheit darbey fu&#x0364;get/ das la&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Chymici</hi> aus/<lb/>
damit &#x017F;ie ihre Meinung von dem allma&#x0364;chtigen Stein der Wei&#x017F;en be-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzen/ verkehrend die <hi rendition="#aq">Flexibili</hi>ta&#x0364;t des <hi rendition="#aq">Plinii,</hi> und machen &#x017F;olche zur<lb/><hi rendition="#aq">Malleabilit</hi>a&#x0364;t oder Ha&#x0364;mmerung des Gla&#x017F;es/ als wann zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Biegen und Ha&#x0364;mmern kein Unter&#x017F;chied wa&#x0364;re; da doch alle Co&#x0364;rper auff<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Weiß &#x017F;ich biegen/ mit nichten aber &#x017F;ich ha&#x0364;mmern la&#x017F;&#x017F;en; aus-<lb/>
genommen die Metallen: Die Stu&#x0364;cke von dem gemeinen Mo&#x017F;cowiti-<lb/>
ti&#x017F;chen Glas/ und dergleichen unzehlich viel ander la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich zwar biegen/<lb/>
aber nicht ha&#x0364;mmern/ oder mit dem Hammer tractiren/ auch kan man<lb/>
keine du&#x0364;nne Blech/ gleichwie aus denen Sachen/ welche &#x017F;ich &#x017F;chmieden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g</fw><fw place="bottom" type="catch">la&#x017F;&#x017F;en/</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0279] Von der Glasmacher-Kunſt. cken nach nicht unmoͤglich/ ſondern dermahleins werckſtellig zu machen ware) ſeiner Nation zuſchreiben moͤchte. Ferner/ ſo iſt diß Temperament nicht anders geweſen/ als daß das Glaß haͤtte koͤnnen gebogen werden: Und wer wolte glauben/ daß die Nachkoͤmmlinge ſolten ſo unachtſam geweſen ſeyn/ in einem Ding/ wel- ches ſo allgemein im Gebrauch iſt/ und zu deſſen Bereitung nicht mehr als zwey Materialien erſordert werden. Und was ſoll das Gericht bedeuten/ wann es von Verringerung des Goldes und Silbers redet; ich ſehe nichts/ daß dem Kaͤyſer unan- ſtaͤndig oder dem Werth des Silbers und Goldes ſolte zugegen ſeyn; vielmehr befinde ich/ daß es ſehr nuͤtzlich ſolte geweſen ſeyn/ in den Wor- ren aber des Kaͤyſers erſehe ich keine Folge. Und ſo viel von dem Zeugniß des Plinii. Aber was koͤnnen jene/ welche ſolches von dem Plinio entlehnet/ zu dieſer Sach ein mehrers/ als die Authoritaͤt des erſten Erzehlers/ hinzu thun? Jn Warheit nichts! inſonderheit da ſie dem Text des Plinii eine ſolche Auslegung angedichtet/ die mit demſelben nicht uͤbereinſtimmet/ und habens durch ihren Zuſatz in eine foͤrmliche und vollſtaͤndige Erzeh- lung bringen wollen: Plinius ſaget/ damit ſich das Glas biegen ließ; des Dionis Zuſatz uͤber ſolche Wort/ iſt: der Kuͤnſtler haͤtte das zerbrochene Glaß wiederum gantz gemachet; welches zur Haͤmmerung der erſte Grad iſt: Uberdiß iſt noch des Iſidori Zugab/ ſagend/ ſolches zerbrochene Glas ſey mit dem Haͤmmer wiederum ausgerichtet worden: Hieraus iſt nun zu erſehen/ auff was Manier ſolche Meinung an uns gelanget/ und mit was wunderbarer Veraͤnderung und Auslegung ſolches geſchehen ſey/ damit es denen Nachkoͤmmlingen moͤchte wahrſcheinlich fuͤrkom- men. Das jenige/ was Plinius vom Hoͤrenſagen erzehlet/ und ſein Ur- theil wegen der Ungewißheit darbey fuͤget/ das laſſen dieſe Chymici aus/ damit ſie ihre Meinung von dem allmaͤchtigen Stein der Weiſen be- ſchuͤtzen/ verkehrend die Flexibilitaͤt des Plinii, und machen ſolche zur Malleabilitaͤt oder Haͤmmerung des Glaſes/ als wann zwiſchen dem Biegen und Haͤmmern kein Unterſchied waͤre; da doch alle Coͤrper auff eine gewiſſe Weiß ſich biegen/ mit nichten aber ſich haͤmmern laſſen; aus- genommen die Metallen: Die Stuͤcke von dem gemeinen Moſcowiti- tiſchen Glas/ und dergleichen unzehlich viel ander laſſen ſich zwar biegen/ aber nicht haͤmmern/ oder mit dem Hammer tractiren/ auch kan man keine duͤnne Blech/ gleichwie aus denen Sachen/ welche ſich ſchmieden laſſen/ G g

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kunckel_glasmacher_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kunckel_glasmacher_1679/279
Zitationshilfe: Kunckel, Johann: Ars Vitraria Experimentalis, Oder Vollkommene Glasmacher-Kunst. Frankfurt (Main) u. a., 1679, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kunckel_glasmacher_1679/279>, abgerufen am 22.11.2024.