Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kunckel, Johann: Ars Vitraria Experimentalis, Oder Vollkommene Glasmacher-Kunst. Frankfurt (Main) u. a., 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

C. Merrets Anmerckungen über die Bücher NERI,
gedacht/ als bey dem Paulo/ Jacobo/ und in der Offenbahrung S. Jo-
hannis.

Wer wolte nun glauben/ daß ein solches Ding/ welches zu vielerley
Vergleichungen und Erläuterungen beqvem ist/ von der H. Schrifft/ als
welche voller Wortzierlichkeiten in dergleichen Redarten ist/ solte mit
Stillschweigen übergangen werden; wann dergleichen Ding zur selben
Zeit im Gebrauch gewesen wäre.

Derowegen bin ich der Meinung/ und halte davor/ daß man das-
selbe Wort in einen allgemeinen Verstand annehmen müsse; und nicht
eben von diesem oder jenen kostbaren und durchsichtigen Dinge oder E-
delgesteine insonderheit; sondern es müsse etwas weitläufftiger/ nehm-
lich auff alle dasjenige/ was beyde Eigenschafften/ nemlich Köstlich- und
Durchsichtigkeit hat/ gezogen werden: Alleine ich komme hiemit zuweit
vom Wege/ und würde endlich in eine frembde Ernde gerathen.

Es scheinet/ Aristophanes sey der erste gewesen/ der des Worts
ualos, (hyalos) welches wir Glaß nennen/ gedencket; denn er führet in
seiner Comedia, genannt Nubes, act. 2. Scen. 1. den Sthrepsiadem ein/ wel-
cher des Socratis spottet/ und eine neue Manier/ die alten Schulden zu
bezahlen/ lehret; nehmlich/ wann man zwischen der Sonne/ und der
Schuldverschreibung oder Verklagbrieff/ einen schönen und durchsich-
tigen Stein legte; welchen Stein dazumahl die Salbenkrämer verkauff-
ten/ und mit welchen man Feuer anzünden kunte: denn also würde die
Sonne/ die Buchstaben des Schuld- oder Verklagbrieffs auslöschen;
solcher Stein wird vom Socrate ualos, das ist/ Glaß genennet.

Zu diesem Wort setzet Scholiastes noch hinzu; daß die Salben-
Krämer/ so wohl Edelgestein/ als auch Artzney verkaufften.

Jngleichen so ist auch das Wort kruos, so viel als Crystallus: daß
dem Homero solcher Nahme unbekannt/ und hingegen an statt dessen das
Wort Electrum, von Jhm und der Antiqvität sey gebrauchet worden/
bezeuget gedachter Scholiastes am gemelten Ort/ da er unser Glaß gantz
deutlich mit folgenden Worten beschreibet: Wir/ sagt er/ nennen ei-
gentlich dasjenige ein Glaß/ welches vermittels des Feuers/ aus dem ge-
brannten Kraut geschmoltzen worden/ daraus unterschiedliche Arten der
Gefässe bereitet werden. Das Wort hyalos ist bey dem alten Gramma-
tico Hesychio
in solchem Verstand nicht zu finden; sondern hyale und
hyaloeis bedeutet bey ihm so viel als durchscheinend und helle. Der E-
tymologi
st gebrauchet es eben in solchen Verstand/ und führet des

Worts

C. Merrets Anmerckungen uͤber die Buͤcher NERI,
gedacht/ als bey dem Paulo/ Jacobo/ und in der Offenbahrung S. Jo-
hannis.

Wer wolte nun glauben/ daß ein ſolches Ding/ welches zu vielerley
Vergleichungen und Erlaͤuterungen beqvem iſt/ von der H. Schrifft/ als
welche voller Wortzierlichkeiten in dergleichen Redarten iſt/ ſolte mit
Stillſchweigen uͤbergangen werden; wann dergleichen Ding zur ſelben
Zeit im Gebrauch geweſen waͤre.

Derowegen bin ich der Meinung/ und halte davor/ daß man daſ-
ſelbe Wort in einen allgemeinen Verſtand annehmen muͤſſe; und nicht
eben von dieſem oder jenen koſtbaren und durchſichtigen Dinge oder E-
delgeſteine inſonderheit; ſondern es muͤſſe etwas weitlaͤufftiger/ nehm-
lich auff alle dasjenige/ was beyde Eigenſchafften/ nemlich Koͤſtlich- und
Durchſichtigkeit hat/ gezogen werden: Alleine ich komme hiemit zuweit
vom Wege/ und wuͤrde endlich in eine frembde Ernde gerathen.

Es ſcheinet/ Ariſtophanes ſey der erſte geweſen/ der des Worts
ὕαλος, (hyalos) welches wir Glaß nennen/ gedencket; denn er fuͤhret in
ſeiner Comedia, genannt Nubes, act. 2. Scen. 1. den Sthrepſiadem ein/ wel-
cher des Socratis ſpottet/ und eine neue Manier/ die alten Schulden zu
bezahlen/ lehret; nehmlich/ wann man zwiſchen der Sonne/ und der
Schuldverſchreibung oder Verklagbrieff/ einen ſchoͤnen und durchſich-
tigen Stein legte; welchen Stein dazumahl die Salbenkraͤmer verkauff-
ten/ und mit welchen man Feuer anzuͤnden kunte: denn alſo wuͤrde die
Sonne/ die Buchſtaben des Schuld- oder Verklagbrieffs ausloͤſchen;
ſolcher Stein wird vom Socrate ὕαλος, das iſt/ Glaß genennet.

Zu dieſem Wort ſetzet Scholiaſtes noch hinzu; daß die Salben-
Kraͤmer/ ſo wohl Edelgeſtein/ als auch Artzney verkaufften.

Jngleichen ſo iſt auch das Wort κϱύος, ſo viel als Cryſtallus: daß
dem Homero ſolcher Nahme unbekañt/ und hingegen an ſtatt deſſen das
Wort Electrum, von Jhm und der Antiqvitaͤt ſey gebrauchet worden/
bezeuget gedachter Scholiaſtes am gemelten Ort/ da er unſer Glaß gantz
deutlich mit folgenden Worten beſchreibet: Wir/ ſagt er/ nennen ei-
gentlich dasjenige ein Glaß/ welches vermittels des Feuers/ aus dem ge-
brañten Kraut geſchmoltzen worden/ daraus unterſchiedliche Arten der
Gefaͤſſe bereitet werden. Das Wort hyalos iſt bey dem alten Gramma-
tico Heſychio
in ſolchem Verſtand nicht zu finden; ſondern hyale und
hyalœis bedeutet bey ihm ſo viel als durchſcheinend und helle. Der E-
tymologi
ſt gebrauchet es eben in ſolchen Verſtand/ und fuͤhret des

Worts
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0268" n="224"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">C. Merrets Anmerckungen u&#x0364;ber die Bu&#x0364;cher <hi rendition="#aq">NERI,</hi></hi></fw><lb/>
gedacht/ als bey dem Paulo/ Jacobo/ und in der Offenbahrung S. Jo-<lb/>
hannis.</p><lb/>
              <p>Wer wolte nun glauben/ daß ein &#x017F;olches Ding/ welches zu vielerley<lb/>
Vergleichungen und Erla&#x0364;uterungen beqvem i&#x017F;t/ von der H. Schrifft/ als<lb/>
welche voller Wortzierlichkeiten in dergleichen Redarten i&#x017F;t/ &#x017F;olte mit<lb/>
Still&#x017F;chweigen u&#x0364;bergangen werden; wann dergleichen Ding zur &#x017F;elben<lb/>
Zeit im Gebrauch gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.</p><lb/>
              <p>Derowegen bin ich der Meinung/ und halte davor/ daß man da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe Wort in einen allgemeinen Ver&#x017F;tand annehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; und nicht<lb/>
eben von die&#x017F;em oder jenen ko&#x017F;tbaren und durch&#x017F;ichtigen Dinge oder E-<lb/>
delge&#x017F;teine in&#x017F;onderheit; &#x017F;ondern es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e etwas weitla&#x0364;ufftiger/ nehm-<lb/>
lich auff alle dasjenige/ was beyde Eigen&#x017F;chafften/ nemlich Ko&#x0364;&#x017F;tlich- und<lb/>
Durch&#x017F;ichtigkeit hat/ gezogen werden: Alleine ich komme hiemit zuweit<lb/>
vom Wege/ und wu&#x0364;rde endlich in eine frembde Ernde gerathen.</p><lb/>
              <p>Es &#x017F;cheinet/ <hi rendition="#aq">Ari&#x017F;tophanes</hi> &#x017F;ey der er&#x017F;te gewe&#x017F;en/ der des Worts<lb/>
&#x1F55;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2;, (<hi rendition="#aq">hyalos</hi>) welches wir Glaß nennen/ gedencket; denn er fu&#x0364;hret in<lb/>
&#x017F;einer <hi rendition="#aq">Comedia,</hi> genannt <hi rendition="#aq">Nubes, act. 2. Scen.</hi> 1. den <hi rendition="#aq">Sthrep&#x017F;iadem</hi> ein/ wel-<lb/>
cher des <hi rendition="#aq">Socratis</hi> &#x017F;pottet/ und eine neue Manier/ die alten Schulden zu<lb/>
bezahlen/ lehret; nehmlich/ wann man zwi&#x017F;chen der Sonne/ und der<lb/>
Schuldver&#x017F;chreibung oder Verklagbrieff/ einen &#x017F;cho&#x0364;nen und durch&#x017F;ich-<lb/>
tigen Stein legte; welchen Stein dazumahl die Salbenkra&#x0364;mer verkauff-<lb/>
ten/ und mit welchen man Feuer anzu&#x0364;nden kunte: denn al&#x017F;o wu&#x0364;rde die<lb/>
Sonne/ die Buch&#x017F;taben des Schuld- oder Verklagbrieffs auslo&#x0364;&#x017F;chen;<lb/>
&#x017F;olcher Stein wird vom <hi rendition="#aq">Socrate</hi> &#x1F55;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2;, das i&#x017F;t/ Glaß genennet.</p><lb/>
              <p>Zu die&#x017F;em Wort &#x017F;etzet <hi rendition="#aq">Scholia&#x017F;tes</hi> noch hinzu; daß die Salben-<lb/>
Kra&#x0364;mer/ &#x017F;o wohl Edelge&#x017F;tein/ als auch Artzney verkaufften.</p><lb/>
              <p>Jngleichen &#x017F;o i&#x017F;t auch das Wort &#x03BA;&#x03F1;&#x03CD;&#x03BF;&#x03C2;, &#x017F;o viel als <hi rendition="#aq">Cry&#x017F;tallus:</hi> daß<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Homero</hi> &#x017F;olcher Nahme unbekan&#x0303;t/ und hingegen an &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en das<lb/>
Wort <hi rendition="#aq">Electrum,</hi> von Jhm und der <hi rendition="#aq">Antiqvi</hi>ta&#x0364;t &#x017F;ey gebrauchet worden/<lb/>
bezeuget gedachter <hi rendition="#aq">Scholia&#x017F;tes</hi> am gemelten Ort/ da er un&#x017F;er Glaß gantz<lb/>
deutlich mit folgenden Worten be&#x017F;chreibet: Wir/ &#x017F;agt er/ nennen ei-<lb/>
gentlich dasjenige ein Glaß/ welches vermittels des Feuers/ aus dem ge-<lb/>
bran&#x0303;ten Kraut ge&#x017F;chmoltzen worden/ daraus unter&#x017F;chiedliche Arten der<lb/>
Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e bereitet werden. Das Wort <hi rendition="#aq">hyalos</hi> i&#x017F;t bey dem alten <hi rendition="#aq">Gramma-<lb/>
tico He&#x017F;ychio</hi> in &#x017F;olchem Ver&#x017F;tand nicht zu finden; &#x017F;ondern <hi rendition="#aq">hyale</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">hyal&#x0153;is</hi> bedeutet bey ihm &#x017F;o viel als durch&#x017F;cheinend und helle. Der <hi rendition="#aq">E-<lb/>
tymologi</hi>&#x017F;t gebrauchet es eben in &#x017F;olchen Ver&#x017F;tand/ und fu&#x0364;hret des<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Worts</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0268] C. Merrets Anmerckungen uͤber die Buͤcher NERI, gedacht/ als bey dem Paulo/ Jacobo/ und in der Offenbahrung S. Jo- hannis. Wer wolte nun glauben/ daß ein ſolches Ding/ welches zu vielerley Vergleichungen und Erlaͤuterungen beqvem iſt/ von der H. Schrifft/ als welche voller Wortzierlichkeiten in dergleichen Redarten iſt/ ſolte mit Stillſchweigen uͤbergangen werden; wann dergleichen Ding zur ſelben Zeit im Gebrauch geweſen waͤre. Derowegen bin ich der Meinung/ und halte davor/ daß man daſ- ſelbe Wort in einen allgemeinen Verſtand annehmen muͤſſe; und nicht eben von dieſem oder jenen koſtbaren und durchſichtigen Dinge oder E- delgeſteine inſonderheit; ſondern es muͤſſe etwas weitlaͤufftiger/ nehm- lich auff alle dasjenige/ was beyde Eigenſchafften/ nemlich Koͤſtlich- und Durchſichtigkeit hat/ gezogen werden: Alleine ich komme hiemit zuweit vom Wege/ und wuͤrde endlich in eine frembde Ernde gerathen. Es ſcheinet/ Ariſtophanes ſey der erſte geweſen/ der des Worts ὕαλος, (hyalos) welches wir Glaß nennen/ gedencket; denn er fuͤhret in ſeiner Comedia, genannt Nubes, act. 2. Scen. 1. den Sthrepſiadem ein/ wel- cher des Socratis ſpottet/ und eine neue Manier/ die alten Schulden zu bezahlen/ lehret; nehmlich/ wann man zwiſchen der Sonne/ und der Schuldverſchreibung oder Verklagbrieff/ einen ſchoͤnen und durchſich- tigen Stein legte; welchen Stein dazumahl die Salbenkraͤmer verkauff- ten/ und mit welchen man Feuer anzuͤnden kunte: denn alſo wuͤrde die Sonne/ die Buchſtaben des Schuld- oder Verklagbrieffs ausloͤſchen; ſolcher Stein wird vom Socrate ὕαλος, das iſt/ Glaß genennet. Zu dieſem Wort ſetzet Scholiaſtes noch hinzu; daß die Salben- Kraͤmer/ ſo wohl Edelgeſtein/ als auch Artzney verkaufften. Jngleichen ſo iſt auch das Wort κϱύος, ſo viel als Cryſtallus: daß dem Homero ſolcher Nahme unbekañt/ und hingegen an ſtatt deſſen das Wort Electrum, von Jhm und der Antiqvitaͤt ſey gebrauchet worden/ bezeuget gedachter Scholiaſtes am gemelten Ort/ da er unſer Glaß gantz deutlich mit folgenden Worten beſchreibet: Wir/ ſagt er/ nennen ei- gentlich dasjenige ein Glaß/ welches vermittels des Feuers/ aus dem ge- brañten Kraut geſchmoltzen worden/ daraus unterſchiedliche Arten der Gefaͤſſe bereitet werden. Das Wort hyalos iſt bey dem alten Gramma- tico Heſychio in ſolchem Verſtand nicht zu finden; ſondern hyale und hyalœis bedeutet bey ihm ſo viel als durchſcheinend und helle. Der E- tymologiſt gebrauchet es eben in ſolchen Verſtand/ und fuͤhret des Worts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kunckel_glasmacher_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kunckel_glasmacher_1679/268
Zitationshilfe: Kunckel, Johann: Ars Vitraria Experimentalis, Oder Vollkommene Glasmacher-Kunst. Frankfurt (Main) u. a., 1679, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kunckel_glasmacher_1679/268>, abgerufen am 18.05.2024.