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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Besitz auch wirklich anzutreten, eine selbstverständliche Bedingung, die
uns gegen den Scheinbesitz betrügerischer Landspeculanten schützt. Soll
ich das Vergnügen haben, Ihnen einen Grundbrief sogleich auszufer¬
tigen? Begleiten Sie mich gefälligst in mein Bureau!

Im Augenblick bin ich zu Diensten, mein Herr, antwortete
Moorfeld, ich wünsche nur ein paar Worte mit einem Freunde zu
wechseln.

Schon lange hatte ihm nämlich über die Schultern seines Part¬
ners hinweg eine hagere, spindeldürre Jammerfigur Zeichen und Winke
gegeben, welche immer dringender, immer mystischer und inhaltsschwan¬
gerer wurden, so daß er zuletzt einen Geist zu sehen glaubte, der ihn
pantomimisch um Erlösung beschwor, und dem er mit dem Reiz des
Komisch-Schauerlichen folgte.

Sie wünschen, mein Herr? redete Moorfeld den Klappermann an.

Die Pflicht der christlichen Bruderliebe wünsche ich an Ihnen zu
erfüllen, näselte der Dürre mit einer sentimentalen Quäckerstimme und
preßte seine kalte Todtenhand in Moorfeld's warme und volle, indem
er zugleich sein mißfarbiges Mausaugenpaar, schwül seufzend, gegen
die Decke des Saales schlug. Herr, ich riskire mein Leben, fuhr der
Quäcker fort, und fing fast zu weinen an, jener Original-Gauner aus
Arkansas, der Wallfisch aller Diebe, wird mir meuchlerisch nachstellen,
weil ich ihm sein Opfer entreiße; aber ich kann nicht anders, ich kann
nicht, Gott helfe mir, ich stehe in seiner Hand. -- Moorfeld machte eine
etwas ungeduldige Gebärde gegen den Betbruder, der aber hielt ihn
fest in seiner Froschklaue und zog ihn an das äußerste Ende des
Saales, in eine heimliche Nische. Aengstlich um sich blickend, als
fühlte er die Dolche der Mörder schon zwischen den Rippen, fing er
hier zu flüstern an: Ich danke Ihnen, mein Herr, daß Sie mir ge¬
folgt sind. Es wird Sie nicht reuen. Hier sind Sie im Hafen.
Einen Schritt weiter mit jenem Seelenverkäufer und Sie waren ver¬
loren. Landverschenker nennt sich die Teufelsbrut, ich aber sage Ihnen,
Seelenverkäufer sind's. Das sage ich und das beweise ich. Ja, ich be¬
weise es, mein Herr; hören Sie mich an, wie ich es beweise. Man
schenkt Ihnen Arkansas-Land. Gut. Man legt Ihnen Karten vor, schraf¬
firt, colorirt, Wald, Prairie, Bottomland, Straßen, Flüsse, große
Städte -- Alles ist darauf gezeichnet, gemalt, daß das Herzchen im

Beſitz auch wirklich anzutreten, eine ſelbſtverſtändliche Bedingung, die
uns gegen den Scheinbeſitz betrügeriſcher Landſpeculanten ſchützt. Soll
ich das Vergnügen haben, Ihnen einen Grundbrief ſogleich auszufer¬
tigen? Begleiten Sie mich gefälligſt in mein Bureau!

Im Augenblick bin ich zu Dienſten, mein Herr, antwortete
Moorfeld, ich wünſche nur ein paar Worte mit einem Freunde zu
wechſeln.

Schon lange hatte ihm nämlich über die Schultern ſeines Part¬
ners hinweg eine hagere, ſpindeldürre Jammerfigur Zeichen und Winke
gegeben, welche immer dringender, immer myſtiſcher und inhaltsſchwan¬
gerer wurden, ſo daß er zuletzt einen Geiſt zu ſehen glaubte, der ihn
pantomimiſch um Erlöſung beſchwor, und dem er mit dem Reiz des
Komiſch-Schauerlichen folgte.

Sie wünſchen, mein Herr? redete Moorfeld den Klappermann an.

Die Pflicht der chriſtlichen Bruderliebe wünſche ich an Ihnen zu
erfüllen, näſelte der Dürre mit einer ſentimentalen Quäckerſtimme und
preßte ſeine kalte Todtenhand in Moorfeld's warme und volle, indem
er zugleich ſein mißfarbiges Mausaugenpaar, ſchwül ſeufzend, gegen
die Decke des Saales ſchlug. Herr, ich riskire mein Leben, fuhr der
Quäcker fort, und fing faſt zu weinen an, jener Original-Gauner aus
Arkanſas, der Wallfiſch aller Diebe, wird mir meuchleriſch nachſtellen,
weil ich ihm ſein Opfer entreiße; aber ich kann nicht anders, ich kann
nicht, Gott helfe mir, ich ſtehe in ſeiner Hand. — Moorfeld machte eine
etwas ungeduldige Gebärde gegen den Betbruder, der aber hielt ihn
feſt in ſeiner Froſchklaue und zog ihn an das äußerſte Ende des
Saales, in eine heimliche Niſche. Aengſtlich um ſich blickend, als
fühlte er die Dolche der Mörder ſchon zwiſchen den Rippen, fing er
hier zu flüſtern an: Ich danke Ihnen, mein Herr, daß Sie mir ge¬
folgt ſind. Es wird Sie nicht reuen. Hier ſind Sie im Hafen.
Einen Schritt weiter mit jenem Seelenverkäufer und Sie waren ver¬
loren. Landverſchenker nennt ſich die Teufelsbrut, ich aber ſage Ihnen,
Seelenverkäufer ſind's. Das ſage ich und das beweiſe ich. Ja, ich be¬
weiſe es, mein Herr; hören Sie mich an, wie ich es beweiſe. Man
ſchenkt Ihnen Arkanſas-Land. Gut. Man legt Ihnen Karten vor, ſchraf¬
firt, colorirt, Wald, Prairie, Bottomland, Straßen, Flüſſe, große
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[60/0078] Beſitz auch wirklich anzutreten, eine ſelbſtverſtändliche Bedingung, die uns gegen den Scheinbeſitz betrügeriſcher Landſpeculanten ſchützt. Soll ich das Vergnügen haben, Ihnen einen Grundbrief ſogleich auszufer¬ tigen? Begleiten Sie mich gefälligſt in mein Bureau! Im Augenblick bin ich zu Dienſten, mein Herr, antwortete Moorfeld, ich wünſche nur ein paar Worte mit einem Freunde zu wechſeln. Schon lange hatte ihm nämlich über die Schultern ſeines Part¬ ners hinweg eine hagere, ſpindeldürre Jammerfigur Zeichen und Winke gegeben, welche immer dringender, immer myſtiſcher und inhaltsſchwan¬ gerer wurden, ſo daß er zuletzt einen Geiſt zu ſehen glaubte, der ihn pantomimiſch um Erlöſung beſchwor, und dem er mit dem Reiz des Komiſch-Schauerlichen folgte. Sie wünſchen, mein Herr? redete Moorfeld den Klappermann an. Die Pflicht der chriſtlichen Bruderliebe wünſche ich an Ihnen zu erfüllen, näſelte der Dürre mit einer ſentimentalen Quäckerſtimme und preßte ſeine kalte Todtenhand in Moorfeld's warme und volle, indem er zugleich ſein mißfarbiges Mausaugenpaar, ſchwül ſeufzend, gegen die Decke des Saales ſchlug. Herr, ich riskire mein Leben, fuhr der Quäcker fort, und fing faſt zu weinen an, jener Original-Gauner aus Arkanſas, der Wallfiſch aller Diebe, wird mir meuchleriſch nachſtellen, weil ich ihm ſein Opfer entreiße; aber ich kann nicht anders, ich kann nicht, Gott helfe mir, ich ſtehe in ſeiner Hand. — Moorfeld machte eine etwas ungeduldige Gebärde gegen den Betbruder, der aber hielt ihn feſt in ſeiner Froſchklaue und zog ihn an das äußerſte Ende des Saales, in eine heimliche Niſche. Aengſtlich um ſich blickend, als fühlte er die Dolche der Mörder ſchon zwiſchen den Rippen, fing er hier zu flüſtern an: Ich danke Ihnen, mein Herr, daß Sie mir ge¬ folgt ſind. Es wird Sie nicht reuen. Hier ſind Sie im Hafen. Einen Schritt weiter mit jenem Seelenverkäufer und Sie waren ver¬ loren. Landverſchenker nennt ſich die Teufelsbrut, ich aber ſage Ihnen, Seelenverkäufer ſind's. Das ſage ich und das beweiſe ich. Ja, ich be¬ weiſe es, mein Herr; hören Sie mich an, wie ich es beweiſe. Man ſchenkt Ihnen Arkanſas-Land. Gut. Man legt Ihnen Karten vor, ſchraf¬ firt, colorirt, Wald, Prairie, Bottomland, Straßen, Flüſſe, große Städte — Alles iſt darauf gezeichnet, gemalt, daß das Herzchen im

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/78>, abgerufen am 24.11.2024.