Spitze brachen. Mr. Bennet hätte vielleicht unseren Vortheil so sehr geliebt, das Impromptü jenes Augenblicks wörtlich zu nehmen; ja, Sie selbst hätten vielleicht die Güte gehabt, demselben eine gewisse Verbindlichkeit beizulegen. Ich darf Sie in diesem Falle, Herr Doctor, indem ich Sie unseres herzlichsten Dankes versichere, von dieser Ver¬ bindlichkeit frei sprechen. Miß Cöleste hat inzwischen aufgehört, der väterlichen Gewalt zu unterstehen. Sie ist Braut mit Sir Edmund Ormond, Esquire.
Moorfeld unterdrückte einen lauten Aufschrei.
Aber auch Mrs. Bennet schien ihrer Mittheilung nicht froh ge¬ worden zu sein. Mit einem leichten "darf ich bitten" machte sie Miene, den Arm ihres Gastes zu nehmen, mehr gepreßt von diesem Gegenstande weg-, als beeilt, in die Gesellschaft hin zu kommen.
Moorfeld stand reglos. Er war keiner Besinnung fähig. Er bedurfte einer furchtbaren Kraftanstrengung bis er die Unmöglichkeit, überhaupt zu sprechen, besiegt hatte. Nach einer Pause antwortete er: Madame, erlauben Sie mir, zu bleiben. Ihr Haus ist heute, wie ich ahnen muß, nicht in den großen Gesellschaftssälen, es ist hier in diesem stillen Raume. Und für mich, der ich ein Fremder bin, wird es bald weder dort noch hier mehr sein. Was ich gehört habe, gilt in der Regel für ein frohes Ereigniß; wie ich's gehört habe, scheint es eine Ausnahme von der Regel. Dieser Zweifel martert mich. Ich nehme den innigsten Antheil an Ihrem Hause. O, geben Sie mir die Genugthuung, Madame, ehe wir uns in jene Säle verlieren, wo Glück und Unglück die gleichen Züge tragen, geben Sie mir die Genugthuung, daß Sie mir ein glückliches -- ein Ereigniß, das Sie glücklich macht, mitgetheilt haben!
Verzeihung, mein Herr, ich kann unmöglich geben, was ich selbst entbehre.
Jetzt ergriff Moorfeld den zarten Arm der Dame, aber er führte Sie an ihren Schaukelstuhl zurück. Sie haben mir viel zu sagen, Madame, stammelte er; Sie sollen es sagen! Ein Menschenherz für ein Mutterherz!
Diese Art poetischer Dictatur mußte etwas haben, das gefiel; auch war Mistreß Bennet Pariserin genug, den Umgangsformen eine gemüthvollere Freiheit zu bewilligen, als es eine Amerikanerin gethan
D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 32
Spitze brachen. Mr. Bennet hätte vielleicht unſeren Vortheil ſo ſehr geliebt, das Impromptü jenes Augenblicks wörtlich zu nehmen; ja, Sie ſelbſt hätten vielleicht die Güte gehabt, demſelben eine gewiſſe Verbindlichkeit beizulegen. Ich darf Sie in dieſem Falle, Herr Doctor, indem ich Sie unſeres herzlichſten Dankes verſichere, von dieſer Ver¬ bindlichkeit frei ſprechen. Miß Cöleſte hat inzwiſchen aufgehört, der väterlichen Gewalt zu unterſtehen. Sie iſt Braut mit Sir Edmund Ormond, Esquire.
Moorfeld unterdrückte einen lauten Aufſchrei.
Aber auch Mrs. Bennet ſchien ihrer Mittheilung nicht froh ge¬ worden zu ſein. Mit einem leichten „darf ich bitten“ machte ſie Miene, den Arm ihres Gaſtes zu nehmen, mehr gepreßt von dieſem Gegenſtande weg-, als beeilt, in die Geſellſchaft hin zu kommen.
Moorfeld ſtand reglos. Er war keiner Beſinnung fähig. Er bedurfte einer furchtbaren Kraftanſtrengung bis er die Unmöglichkeit, überhaupt zu ſprechen, beſiegt hatte. Nach einer Pauſe antwortete er: Madame, erlauben Sie mir, zu bleiben. Ihr Haus iſt heute, wie ich ahnen muß, nicht in den großen Geſellſchaftsſälen, es iſt hier in dieſem ſtillen Raume. Und für mich, der ich ein Fremder bin, wird es bald weder dort noch hier mehr ſein. Was ich gehört habe, gilt in der Regel für ein frohes Ereigniß; wie ich's gehört habe, ſcheint es eine Ausnahme von der Regel. Dieſer Zweifel martert mich. Ich nehme den innigſten Antheil an Ihrem Hauſe. O, geben Sie mir die Genugthuung, Madame, ehe wir uns in jene Säle verlieren, wo Glück und Unglück die gleichen Züge tragen, geben Sie mir die Genugthuung, daß Sie mir ein glückliches — ein Ereigniß, das Sie glücklich macht, mitgetheilt haben!
Verzeihung, mein Herr, ich kann unmöglich geben, was ich ſelbſt entbehre.
Jetzt ergriff Moorfeld den zarten Arm der Dame, aber er führte Sie an ihren Schaukelſtuhl zurück. Sie haben mir viel zu ſagen, Madame, ſtammelte er; Sie ſollen es ſagen! Ein Menſchenherz für ein Mutterherz!
Dieſe Art poetiſcher Dictatur mußte etwas haben, das gefiel; auch war Miſtreß Bennet Pariſerin genug, den Umgangsformen eine gemüthvollere Freiheit zu bewilligen, als es eine Amerikanerin gethan
D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 32
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Spitze brachen. Mr. Bennet hätte vielleicht unſeren Vortheil ſo ſehr
geliebt, das Impromptü jenes Augenblicks wörtlich zu nehmen; ja,
Sie ſelbſt hätten vielleicht die Güte gehabt, demſelben eine gewiſſe
Verbindlichkeit beizulegen. Ich darf Sie in dieſem Falle, Herr Doctor,
indem ich Sie unſeres herzlichſten Dankes verſichere, von dieſer Ver¬
bindlichkeit frei ſprechen. Miß Cöleſte hat inzwiſchen aufgehört, der
väterlichen Gewalt zu unterſtehen. Sie iſt Braut mit Sir Edmund
Ormond, Esquire.
Moorfeld unterdrückte einen lauten Aufſchrei.
Aber auch Mrs. Bennet ſchien ihrer Mittheilung nicht froh ge¬
worden zu ſein. Mit einem leichten „darf ich bitten“ machte ſie
Miene, den Arm ihres Gaſtes zu nehmen, mehr gepreßt von dieſem
Gegenſtande weg-, als beeilt, in die Geſellſchaft hin zu kommen.
Moorfeld ſtand reglos. Er war keiner Beſinnung fähig. Er
bedurfte einer furchtbaren Kraftanſtrengung bis er die Unmöglichkeit,
überhaupt zu ſprechen, beſiegt hatte. Nach einer Pauſe antwortete er:
Madame, erlauben Sie mir, zu bleiben. Ihr Haus iſt heute, wie ich
ahnen muß, nicht in den großen Geſellſchaftsſälen, es iſt hier in
dieſem ſtillen Raume. Und für mich, der ich ein Fremder bin, wird
es bald weder dort noch hier mehr ſein. Was ich gehört habe, gilt
in der Regel für ein frohes Ereigniß; wie ich's gehört habe, ſcheint
es eine Ausnahme von der Regel. Dieſer Zweifel martert mich. Ich
nehme den innigſten Antheil an Ihrem Hauſe. O, geben Sie mir
die Genugthuung, Madame, ehe wir uns in jene Säle verlieren, wo
Glück und Unglück die gleichen Züge tragen, geben Sie mir die
Genugthuung, daß Sie mir ein glückliches — ein Ereigniß, das
Sie glücklich macht, mitgetheilt haben!
Verzeihung, mein Herr, ich kann unmöglich geben, was ich ſelbſt
entbehre.
Jetzt ergriff Moorfeld den zarten Arm der Dame, aber er führte
Sie an ihren Schaukelſtuhl zurück. Sie haben mir viel zu ſagen,
Madame, ſtammelte er; Sie ſollen es ſagen! Ein Menſchenherz für
ein Mutterherz!
Dieſe Art poetiſcher Dictatur mußte etwas haben, das gefiel;
auch war Miſtreß Bennet Pariſerin genug, den Umgangsformen eine
gemüthvollere Freiheit zu bewilligen, als es eine Amerikanerin gethan
D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 32
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/503>, abgerufen am 24.11.2024.
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