ich werde mein Leben beschreiben. Die Welt wird um nichts besser, aber um Manches klüger daraus werden. Der Europäer mag sich vorsehen mit diesen Menschen.
Moorfeld hatte inzwischen ein Souper bestellt, aber Da Ponte dankte lebhaft für seine Aufmerksamkeit. Er pflege Abends nichts zu genießen. Nur ein Glas Wein sei ihm zuvor Bedürfniß gewesen eine Ohnmacht, ein plötzlicher Schwindel habe ihn angewandelt; "denn ach, mein Herr, es ist eine harte Arbeit, im zweiundsiebenzigsten Jahre auf Gönnerschaften auszugehen!" Alles, was er annehmen wollte, war ein Wagen.
So führte der Dichter Moorfeld den Dichter der alten kaiserlichen Wiener Oper jetzt in sein dürftiges Asyl zurück. Er behielt sich vor, den unglücklichen Greis demnächst wieder zu sehen: heute überließ er ihn seiner Ruhe und sich selbst -- seinen Reflexionen. --
Wo waren sie jetzt, die schönen Reden, die glänzenden Gedanken, die fruchtbaren, hinreißenden, überzeugenden Ideen, die Moorfeld zum Entsatze Benthal's tagsüber in so kampffertige Schlachtordnung auf¬ gestellt? Und doch sollte, mußte dieser Gang noch geschehen, -- stumm, mit zurückgepreßten Thränen, zitterten zwei edle Frauen jeder Secunde seines Erfolges entgegen! Mühsam sammelte Moorfeld seine Lebens¬ geister -- ach, da lag Alles auseinander, wüst, zerstückt, sinnlos! Der freie Zug, der zuckende Nerv, die unwiderstehliche Strömung -- kalt, lahm, todt war das Alles jetzt! Aber er mußte!
So fuhr er nach dem Clubbhause zurück.
Die lange Fensterreihe des Hauses flammte lichterloh in die Nacht hinaus. Jüngling im Feuerofen, werd' ich dich retten können? seufzte Moorfeld schwer beladenen Herzens, indem er die Treppen hinanstieg.
Ein Stewart führte ihn durch eine glitzernde, etwas grell ausge¬ schmückte Zeile von Sälen. Im Anblicke der Gesellschaft, die Moor¬ feld durchschritt, jener glattrasirten, gantirten und toupirten Härings- und Thran-Dynasten, die als flüsternde, vornehm-kühle Gentlemens mit einer Bildung, die vom heutigen Dollar datirt, der morgen wie¬ der verbanquerottirt sein kann, ihre in Eis gestellten, gespenstisch-jugend¬ lichen Gestalten oder vielmehr Etiquetten gegenseitig sich hier präsen¬ tirten: im Anblick dieser bleizuckernen Welt des Egoismus fühlte Moorfeld seine ganze Streitlust wieder erwacht. So trat er vor einen
ich werde mein Leben beſchreiben. Die Welt wird um nichts beſſer, aber um Manches klüger daraus werden. Der Europäer mag ſich vorſehen mit dieſen Menſchen.
Moorfeld hatte inzwiſchen ein Souper beſtellt, aber Da Ponte dankte lebhaft für ſeine Aufmerkſamkeit. Er pflege Abends nichts zu genießen. Nur ein Glas Wein ſei ihm zuvor Bedürfniß geweſen eine Ohnmacht, ein plötzlicher Schwindel habe ihn angewandelt; „denn ach, mein Herr, es iſt eine harte Arbeit, im zweiundſiebenzigſten Jahre auf Gönnerſchaften auszugehen!“ Alles, was er annehmen wollte, war ein Wagen.
So führte der Dichter Moorfeld den Dichter der alten kaiſerlichen Wiener Oper jetzt in ſein dürftiges Aſyl zurück. Er behielt ſich vor, den unglücklichen Greis demnächſt wieder zu ſehen: heute überließ er ihn ſeiner Ruhe und ſich ſelbſt — ſeinen Reflexionen. —
Wo waren ſie jetzt, die ſchönen Reden, die glänzenden Gedanken, die fruchtbaren, hinreißenden, überzeugenden Ideen, die Moorfeld zum Entſatze Benthal's tagsüber in ſo kampffertige Schlachtordnung auf¬ geſtellt? Und doch ſollte, mußte dieſer Gang noch geſchehen, — ſtumm, mit zurückgepreßten Thränen, zitterten zwei edle Frauen jeder Secunde ſeines Erfolges entgegen! Mühſam ſammelte Moorfeld ſeine Lebens¬ geiſter — ach, da lag Alles auseinander, wüſt, zerſtückt, ſinnlos! Der freie Zug, der zuckende Nerv, die unwiderſtehliche Strömung — kalt, lahm, todt war das Alles jetzt! Aber er mußte!
So fuhr er nach dem Clubbhauſe zurück.
Die lange Fenſterreihe des Hauſes flammte lichterloh in die Nacht hinaus. Jüngling im Feuerofen, werd' ich dich retten können? ſeufzte Moorfeld ſchwer beladenen Herzens, indem er die Treppen hinanſtieg.
Ein Stewart führte ihn durch eine glitzernde, etwas grell ausge¬ ſchmückte Zeile von Sälen. Im Anblicke der Geſellſchaft, die Moor¬ feld durchſchritt, jener glattraſirten, gantirten und toupirten Härings- und Thran-Dynaſten, die als flüſternde, vornehm-kühle Gentlemens mit einer Bildung, die vom heutigen Dollar datirt, der morgen wie¬ der verbanquerottirt ſein kann, ihre in Eis geſtellten, geſpenſtiſch-jugend¬ lichen Geſtalten oder vielmehr Etiquetten gegenſeitig ſich hier präſen¬ tirten: im Anblick dieſer bleizuckernen Welt des Egoismus fühlte Moorfeld ſeine ganze Streitluſt wieder erwacht. So trat er vor einen
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ich werde mein Leben beſchreiben. Die Welt wird um nichts beſſer,
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vorſehen mit dieſen Menſchen.
Moorfeld hatte inzwiſchen ein Souper beſtellt, aber Da Ponte
dankte lebhaft für ſeine Aufmerkſamkeit. Er pflege Abends nichts
zu genießen. Nur ein Glas Wein ſei ihm zuvor Bedürfniß geweſen
eine Ohnmacht, ein plötzlicher Schwindel habe ihn angewandelt; „denn
ach, mein Herr, es iſt eine harte Arbeit, im zweiundſiebenzigſten Jahre
auf Gönnerſchaften auszugehen!“ Alles, was er annehmen wollte,
war ein Wagen.
So führte der Dichter Moorfeld den Dichter der alten kaiſerlichen
Wiener Oper jetzt in ſein dürftiges Aſyl zurück. Er behielt ſich vor,
den unglücklichen Greis demnächſt wieder zu ſehen: heute überließ er
ihn ſeiner Ruhe und ſich ſelbſt — ſeinen Reflexionen. —
Wo waren ſie jetzt, die ſchönen Reden, die glänzenden Gedanken,
die fruchtbaren, hinreißenden, überzeugenden Ideen, die Moorfeld zum
Entſatze Benthal's tagsüber in ſo kampffertige Schlachtordnung auf¬
geſtellt? Und doch ſollte, mußte dieſer Gang noch geſchehen, — ſtumm,
mit zurückgepreßten Thränen, zitterten zwei edle Frauen jeder Secunde
ſeines Erfolges entgegen! Mühſam ſammelte Moorfeld ſeine Lebens¬
geiſter — ach, da lag Alles auseinander, wüſt, zerſtückt, ſinnlos!
Der freie Zug, der zuckende Nerv, die unwiderſtehliche Strömung —
kalt, lahm, todt war das Alles jetzt! Aber er mußte!
So fuhr er nach dem Clubbhauſe zurück.
Die lange Fenſterreihe des Hauſes flammte lichterloh in die Nacht
hinaus. Jüngling im Feuerofen, werd' ich dich retten können? ſeufzte
Moorfeld ſchwer beladenen Herzens, indem er die Treppen hinanſtieg.
Ein Stewart führte ihn durch eine glitzernde, etwas grell ausge¬
ſchmückte Zeile von Sälen. Im Anblicke der Geſellſchaft, die Moor¬
feld durchſchritt, jener glattraſirten, gantirten und toupirten Härings-
und Thran-Dynaſten, die als flüſternde, vornehm-kühle Gentlemens
mit einer Bildung, die vom heutigen Dollar datirt, der morgen wie¬
der verbanquerottirt ſein kann, ihre in Eis geſtellten, geſpenſtiſch-jugend¬
lichen Geſtalten oder vielmehr Etiquetten gegenſeitig ſich hier präſen¬
tirten: im Anblick dieſer bleizuckernen Welt des Egoismus fühlte
Moorfeld ſeine ganze Streitluſt wieder erwacht. So trat er vor einen
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/495>, abgerufen am 25.11.2024.
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