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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Menschen im schwarzen Frack und weißer Cravatte und mit einem
Lächeln a la hausse auf der blank rasirten Lippe, den ihm der
Stewart als Mister Benthal vorstellte. Moorfeld hätte ihn kaum
noch erkannt. Aber Benthal erkannte ihn um so schneller. All
seine Züge gingen in Freudigkeit auf. Mit dem Ton seiner alten
Stimme und seines alten Herzens begrüßte er den wiederkehrenden
Freund. Vor Allem meine Entschuldigung, Verehrtester, für mein
Schweigen auf Ihr Reisejournal, redete er Moorfeld an. Sie denken
wohl, wie viel ich darauf zu antworten hatte, und ich war so occu¬
pirt! Aber Sie wissen schon, Sie waren bei Frau v. Milden, nicht
wahr? Gott! dort war ich nun auch schon nicht -- lassen Sie mich
zählen; -- mit Schaudern bring' ich's heraus, -- ja, sieben Tage
sind es! sieben Tage! Wie man in die Schulden geräth! Wer mir
das noch vor Kurzem gesagt hätte! Freilich hat mich mein liebes
Lorettohäuschen neuerer Zeit nicht immer so liebenswürdig behandelt,
wie ich's aus bessern Tagen, -- ach, es waren bessere Tage! -- gewohnt
bin. Ich weiß nicht, was die Frauen haben, ihr Ton ist manchmal
ein so fremdartiger! es scheint ordentlich, als ob sie einen unüberwind¬
lichen Stolz vor einem reichen Manne hätten. Und es ist doch nicht
meine Schuld, wenn ich mit meinem bischen Wissen endlich auch einen
Treffer ziehe. Aber vielleicht liegt's an mir selbst. Der Mensch beob¬
achtet sich vortrefflich, wenn er allein ist; wie ich mit den Frauen
umgegangen bin, darüber habe ich wahrhaftig kein Urtheil. Möglich,
daß ich nicht ganz correct war; mein Gott! eine solche Veränderung
der äußeren Lage darf wohl auch inwendig Manches verschieben --
aber nein! nein! was sag' ich: inwendig? Ein wenig Kopf verlieren,
ein wenig strudeln und wirbeln im Betragen, das hat ja mit dem
Herzen nichts zu thun. Ach, in solchen Lagen ist ein Freund wie Sie
ein wahrer Segen! Sie kommen jetzt wie vom Himmel geschickt. Wenn
man sich hier und dort mißversteht, hier und dort zu stolz oder zu
empfindlich ist, es einzugestehen, wenn unzeitiger Trotz, selbstgebildete
Leiden, wenn der ewig rege Kitzel der Verliebten: sich unglücklich zu
fühlen, kleine Zwiste zu raschem und unheilbarem Bruche auszuklüften
droht: da ist der treue, stätige Charakter eines Mittlers in seinem
schönsten und dankenswerthesten Berufe. Ich bitte, übernehmen Sie ihn
gleich, diesen Beruf. Entschuldigen Sie mich bei den Frauen, ehe ich

Menſchen im ſchwarzen Frack und weißer Cravatte und mit einem
Lächeln à la hausse auf der blank raſirten Lippe, den ihm der
Stewart als Miſter Benthal vorſtellte. Moorfeld hätte ihn kaum
noch erkannt. Aber Benthal erkannte ihn um ſo ſchneller. All
ſeine Züge gingen in Freudigkeit auf. Mit dem Ton ſeiner alten
Stimme und ſeines alten Herzens begrüßte er den wiederkehrenden
Freund. Vor Allem meine Entſchuldigung, Verehrteſter, für mein
Schweigen auf Ihr Reiſejournal, redete er Moorfeld an. Sie denken
wohl, wie viel ich darauf zu antworten hatte, und ich war ſo occu¬
pirt! Aber Sie wiſſen ſchon, Sie waren bei Frau v. Milden, nicht
wahr? Gott! dort war ich nun auch ſchon nicht — laſſen Sie mich
zählen; — mit Schaudern bring' ich's heraus, — ja, ſieben Tage
ſind es! ſieben Tage! Wie man in die Schulden geräth! Wer mir
das noch vor Kurzem geſagt hätte! Freilich hat mich mein liebes
Lorettohäuschen neuerer Zeit nicht immer ſo liebenswürdig behandelt,
wie ich's aus beſſern Tagen, — ach, es waren beſſere Tage! — gewohnt
bin. Ich weiß nicht, was die Frauen haben, ihr Ton iſt manchmal
ein ſo fremdartiger! es ſcheint ordentlich, als ob ſie einen unüberwind¬
lichen Stolz vor einem reichen Manne hätten. Und es iſt doch nicht
meine Schuld, wenn ich mit meinem bischen Wiſſen endlich auch einen
Treffer ziehe. Aber vielleicht liegt's an mir ſelbſt. Der Menſch beob¬
achtet ſich vortrefflich, wenn er allein iſt; wie ich mit den Frauen
umgegangen bin, darüber habe ich wahrhaftig kein Urtheil. Möglich,
daß ich nicht ganz correct war; mein Gott! eine ſolche Veränderung
der äußeren Lage darf wohl auch inwendig Manches verſchieben —
aber nein! nein! was ſag' ich: inwendig? Ein wenig Kopf verlieren,
ein wenig ſtrudeln und wirbeln im Betragen, das hat ja mit dem
Herzen nichts zu thun. Ach, in ſolchen Lagen iſt ein Freund wie Sie
ein wahrer Segen! Sie kommen jetzt wie vom Himmel geſchickt. Wenn
man ſich hier und dort mißverſteht, hier und dort zu ſtolz oder zu
empfindlich iſt, es einzugeſtehen, wenn unzeitiger Trotz, ſelbſtgebildete
Leiden, wenn der ewig rege Kitzel der Verliebten: ſich unglücklich zu
fühlen, kleine Zwiſte zu raſchem und unheilbarem Bruche auszuklüften
droht: da iſt der treue, ſtätige Charakter eines Mittlers in ſeinem
ſchönſten und dankenswertheſten Berufe. Ich bitte, übernehmen Sie ihn
gleich, dieſen Beruf. Entſchuldigen Sie mich bei den Frauen, ehe ich

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[478/0496] Menſchen im ſchwarzen Frack und weißer Cravatte und mit einem Lächeln à la hausse auf der blank raſirten Lippe, den ihm der Stewart als Miſter Benthal vorſtellte. Moorfeld hätte ihn kaum noch erkannt. Aber Benthal erkannte ihn um ſo ſchneller. All ſeine Züge gingen in Freudigkeit auf. Mit dem Ton ſeiner alten Stimme und ſeines alten Herzens begrüßte er den wiederkehrenden Freund. Vor Allem meine Entſchuldigung, Verehrteſter, für mein Schweigen auf Ihr Reiſejournal, redete er Moorfeld an. Sie denken wohl, wie viel ich darauf zu antworten hatte, und ich war ſo occu¬ pirt! Aber Sie wiſſen ſchon, Sie waren bei Frau v. Milden, nicht wahr? Gott! dort war ich nun auch ſchon nicht — laſſen Sie mich zählen; — mit Schaudern bring' ich's heraus, — ja, ſieben Tage ſind es! ſieben Tage! Wie man in die Schulden geräth! Wer mir das noch vor Kurzem geſagt hätte! Freilich hat mich mein liebes Lorettohäuschen neuerer Zeit nicht immer ſo liebenswürdig behandelt, wie ich's aus beſſern Tagen, — ach, es waren beſſere Tage! — gewohnt bin. Ich weiß nicht, was die Frauen haben, ihr Ton iſt manchmal ein ſo fremdartiger! es ſcheint ordentlich, als ob ſie einen unüberwind¬ lichen Stolz vor einem reichen Manne hätten. Und es iſt doch nicht meine Schuld, wenn ich mit meinem bischen Wiſſen endlich auch einen Treffer ziehe. Aber vielleicht liegt's an mir ſelbſt. Der Menſch beob¬ achtet ſich vortrefflich, wenn er allein iſt; wie ich mit den Frauen umgegangen bin, darüber habe ich wahrhaftig kein Urtheil. Möglich, daß ich nicht ganz correct war; mein Gott! eine ſolche Veränderung der äußeren Lage darf wohl auch inwendig Manches verſchieben — aber nein! nein! was ſag' ich: inwendig? Ein wenig Kopf verlieren, ein wenig ſtrudeln und wirbeln im Betragen, das hat ja mit dem Herzen nichts zu thun. Ach, in ſolchen Lagen iſt ein Freund wie Sie ein wahrer Segen! Sie kommen jetzt wie vom Himmel geſchickt. Wenn man ſich hier und dort mißverſteht, hier und dort zu ſtolz oder zu empfindlich iſt, es einzugeſtehen, wenn unzeitiger Trotz, ſelbſtgebildete Leiden, wenn der ewig rege Kitzel der Verliebten: ſich unglücklich zu fühlen, kleine Zwiſte zu raſchem und unheilbarem Bruche auszuklüften droht: da iſt der treue, ſtätige Charakter eines Mittlers in ſeinem ſchönſten und dankenswertheſten Berufe. Ich bitte, übernehmen Sie ihn gleich, dieſen Beruf. Entſchuldigen Sie mich bei den Frauen, ehe ich

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/496>, abgerufen am 22.11.2024.