gut. Die Prairien waren dunkel von Büffelheerden, die Creeks wim¬ melten von Bibern, täglich wurden siegreiche Gefechte mit den India¬ nern bestanden, wir behingen uns um und um mit Scalps, erbeuteten Weiber und lebten en Seigneur. Da geschah's mit dem Teufel, daß wir eines Tags gegen den Führer des Zugs uns einbildeten, eine kürzere Route, als die er selbst vorschlug, einschlagen zu können; Kürze aber war nöthig, denn wir betraten eben das Land der Gräber-Indianer, was ein heilloses Gesindel ist, und in seiner feigen, tückischen Kriegs¬ weise viel gefährlicher als die muthigsten Stämme. Wir konnten uns nicht einigen und trennten uns zu Vieren von der größeren Compagnie, der wir nach längstens drei Tagen, wie wir behaupteten, an einer Station unter befreundeten Stämmen vorausgekommen sein wallten. Das war mein letzter Zug. Wir waren wie gesagt zu Vieren: Au Reste und ich, ein Canadier Namens Sublette und ein mexikanischer Spanier, der aber kein Fettlappen war, wie die übrigen Männer seiner Nation. Außerdem führten wir drei gefangene Squaws mit uns. Wir nahmen unsern Weg, welchen wir abzuschneiden gedachten, durch eine Wüste, die von Wild und Wasser völlig entblößt war und nichts als den Anblick einer öden sandigen Fläche mit einer dünnen Bedeckung von Zwergfichten und Cedergestrüpp bot. Indeß erwarteten wir schon am Abend desselben Tags einen kleinen Creek unter Kirsch- und Cotton¬ bäumen und morgen meinten wir wieder in die Region des fetten Büffel¬ grases zu kommen. Der Tag ging zu Ende, aber weit und breit zeigte sich von einer Wasserstelle keine Spur. Wir mußten unser Lager auf¬ schlagen ohne die Pferde tränken zu können, indeß wir selbst vor Trock¬ niß fast verschmachteten und in jeder Stunde der Nacht aus dem er¬ bärmlichen Schlafe fuhren. Nur die Ueberzeugung, den Creek desto gewisser morgen zu erreichen, hielt uns bei Muthe. Indeß stürzten schon Tags darauf drei von unsern Thieren, und eins schleppte sich so erschöpft, daß wir es tödteten und sein Blut tranken. Den Creek aber erreichten wir auch heute nicht. Beim Anbruch des dritten Tages lagen abermals drei von unsern Thieren an den Pfählen, woran sie angepflöckt, todt. Wir besaßen jetzt nur noch eines und zwar in einem marschunfähigen Zustande. Wir schlachteten es, tranken sein Blut und machten es zu Fleisch, denn zu der gräßlichen Trockniß hatte sich nun¬ mehr auch wüthender Hunger eingestellt, und die Wüste war eben so
D.B. VIII. Der Amerika-Müde. 28
gut. Die Prairien waren dunkel von Büffelheerden, die Creeks wim¬ melten von Bibern, täglich wurden ſiegreiche Gefechte mit den India¬ nern beſtanden, wir behingen uns um und um mit Scalps, erbeuteten Weiber und lebten en Seigneur. Da geſchah's mit dem Teufel, daß wir eines Tags gegen den Führer des Zugs uns einbildeten, eine kürzere Route, als die er ſelbſt vorſchlug, einſchlagen zu können; Kürze aber war nöthig, denn wir betraten eben das Land der Gräber-Indianer, was ein heilloſes Geſindel iſt, und in ſeiner feigen, tückiſchen Kriegs¬ weiſe viel gefährlicher als die muthigſten Stämme. Wir konnten uns nicht einigen und trennten uns zu Vieren von der größeren Compagnie, der wir nach längſtens drei Tagen, wie wir behaupteten, an einer Station unter befreundeten Stämmen vorausgekommen ſein wallten. Das war mein letzter Zug. Wir waren wie geſagt zu Vieren: Au Reſte und ich, ein Canadier Namens Sublette und ein mexikaniſcher Spanier, der aber kein Fettlappen war, wie die übrigen Männer ſeiner Nation. Außerdem führten wir drei gefangene Squaws mit uns. Wir nahmen unſern Weg, welchen wir abzuſchneiden gedachten, durch eine Wüſte, die von Wild und Waſſer völlig entblößt war und nichts als den Anblick einer öden ſandigen Fläche mit einer dünnen Bedeckung von Zwergfichten und Cedergeſtrüpp bot. Indeß erwarteten wir ſchon am Abend deſſelben Tags einen kleinen Creek unter Kirſch- und Cotton¬ bäumen und morgen meinten wir wieder in die Region des fetten Büffel¬ graſes zu kommen. Der Tag ging zu Ende, aber weit und breit zeigte ſich von einer Waſſerſtelle keine Spur. Wir mußten unſer Lager auf¬ ſchlagen ohne die Pferde tränken zu können, indeß wir ſelbſt vor Trock¬ niß faſt verſchmachteten und in jeder Stunde der Nacht aus dem er¬ bärmlichen Schlafe fuhren. Nur die Ueberzeugung, den Creek deſto gewiſſer morgen zu erreichen, hielt uns bei Muthe. Indeß ſtürzten ſchon Tags darauf drei von unſern Thieren, und eins ſchleppte ſich ſo erſchöpft, daß wir es tödteten und ſein Blut tranken. Den Creek aber erreichten wir auch heute nicht. Beim Anbruch des dritten Tages lagen abermals drei von unſern Thieren an den Pfählen, woran ſie angepflöckt, todt. Wir beſaßen jetzt nur noch eines und zwar in einem marſchunfähigen Zuſtande. Wir ſchlachteten es, tranken ſein Blut und machten es zu Fleiſch, denn zu der gräßlichen Trockniß hatte ſich nun¬ mehr auch wüthender Hunger eingeſtellt, und die Wüſte war eben ſo
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nern beſtanden, wir behingen uns um und um mit Scalps, erbeuteten
Weiber und lebten en Seigneur. Da geſchah's mit dem Teufel, daß
wir eines Tags gegen den Führer des Zugs uns einbildeten, eine
kürzere Route, als die er ſelbſt vorſchlug, einſchlagen zu können; Kürze
aber war nöthig, denn wir betraten eben das Land der Gräber-Indianer,
was ein heilloſes Geſindel iſt, und in ſeiner feigen, tückiſchen Kriegs¬
weiſe viel gefährlicher als die muthigſten Stämme. Wir konnten uns
nicht einigen und trennten uns zu Vieren von der größeren Compagnie,
der wir nach längſtens drei Tagen, wie wir behaupteten, an einer
Station unter befreundeten Stämmen vorausgekommen ſein wallten.
Das war mein letzter Zug. Wir waren wie geſagt zu Vieren: Au
Reſte und ich, ein Canadier Namens Sublette und ein mexikaniſcher
Spanier, der aber kein Fettlappen war, wie die übrigen Männer ſeiner
Nation. Außerdem führten wir drei gefangene Squaws mit uns.
Wir nahmen unſern Weg, welchen wir abzuſchneiden gedachten, durch
eine Wüſte, die von Wild und Waſſer völlig entblößt war und nichts
als den Anblick einer öden ſandigen Fläche mit einer dünnen Bedeckung
von Zwergfichten und Cedergeſtrüpp bot. Indeß erwarteten wir ſchon
am Abend deſſelben Tags einen kleinen Creek unter Kirſch- und Cotton¬
bäumen und morgen meinten wir wieder in die Region des fetten Büffel¬
graſes zu kommen. Der Tag ging zu Ende, aber weit und breit zeigte
ſich von einer Waſſerſtelle keine Spur. Wir mußten unſer Lager auf¬
ſchlagen ohne die Pferde tränken zu können, indeß wir ſelbſt vor Trock¬
niß faſt verſchmachteten und in jeder Stunde der Nacht aus dem er¬
bärmlichen Schlafe fuhren. Nur die Ueberzeugung, den Creek deſto
gewiſſer morgen zu erreichen, hielt uns bei Muthe. Indeß ſtürzten
ſchon Tags darauf drei von unſern Thieren, und eins ſchleppte ſich
ſo erſchöpft, daß wir es tödteten und ſein Blut tranken. Den Creek
aber erreichten wir auch heute nicht. Beim Anbruch des dritten Tages
lagen abermals drei von unſern Thieren an den Pfählen, woran ſie
angepflöckt, todt. Wir beſaßen jetzt nur noch eines und zwar in einem
marſchunfähigen Zuſtande. Wir ſchlachteten es, tranken ſein Blut und
machten es zu Fleiſch, denn zu der gräßlichen Trockniß hatte ſich nun¬
mehr auch wüthender Hunger eingeſtellt, und die Wüſte war eben ſo
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/439>, abgerufen am 24.11.2024.
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