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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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eigentlich keine Aufgabe ist. Da es aber dann aus einem zehrenden
erst in ein müssiges Capital verwandelt ist, so handelt es sich ferner
darum, ihm einige tüchtige und vorzüglich treue Knechte zu werben,
die es ihm klären helfen. Dazu kannst Du vielleicht Hand bieten.
Und endlich kommt es darauf an, ihn zu bewegen, das Alles -- an¬
zunehmen. Hier liegt wahrscheinlich die unüberwindlichste Schwierigkeit.
Er wird stolz genug sein, einen Vorschuß zurückzuweisen, er wird
eigensinnig genug sein, Knechten, die er nicht selbst gewählt hat, zu
mißtrauen, ja, den ganzen Wirthschaftsplan, den er nicht selbst erzeugt
hat, kurzweg abzulehnen. Hierin hab' ich es nun mit der Frau.
Sie soll mir helfen ihn vorzubereiten, ihn zugänglich zu machen. Die
Frau ist über diese Sachen vernünftig, wie in der Regel die Frauen,
nur fehlt es ihr fast gänzlich an Selbstständigkeit. Auch glaube ich
ihr tiefer auf der Seele Grund zu schauen und -- diese Seele ist
mit ihren zartesten und festesten Fasern noch in Deutschland. Sie
erschrickt eigentlich vor meinem Projecte. Es thut ihr weh, mit diesem
Boden sich tiefer einzulassen. Ihr Verstand möchte wohl, aber das
Herz dazu fehlt.

Dieser Zug nach der Heimat ist's, was mich auch an dem Kinde,
an der kleinen Annette, rührt. Natürlich, daß sie die Heimath nur unter
dem Symbol des -- Spielzeugs in sich trägt. Ihr Spielzeug aber
waren Blumen. Sie hatte "zu Hause" ein paar Ellen Gartenland,
das ihre "Grafschaft" hieß, und das, so oft sie den Eltern eine beson¬
dere Freude gemacht, um ein paar Spannen vergrößert wurde. Die
Grafschaft avancirte nach und nach zum Fürstenthum, Großfürsten¬
thum, Herzog- und Großherzogthum, und eben war es daran, König¬
reich zu werden, als "der Hof" verkauft wurde und sie ans große
Wasser reisten. In diesem schnell entwickelten Staatsgebiete nun zog
sie Blumen. Wenn sie darauf zu sprechen kommt, so glaubt man
einen Fürsten zu hören, der seine Souveränetät verloren. Ich finde
sie auffallend bewandert in dem Bereiche der Botanik, das sie dabei
umspannte. Sie zeigt einen fein unterscheidenden und individualisiren¬
den Sinn für diese Seite des Naturlebens, sie scheint ihre Blumen-
Stöcke und -Büsche mit einer Aufmerksamkeit, ich möchte sagen mit
einer Geschwisterlichkeit gehegt zu haben, wie ich es einer kleinen
Annette auch tausendmal eher glaube, als einer heirathsfähigen Sa¬

eigentlich keine Aufgabe iſt. Da es aber dann aus einem zehrenden
erſt in ein müſſiges Capital verwandelt iſt, ſo handelt es ſich ferner
darum, ihm einige tüchtige und vorzüglich treue Knechte zu werben,
die es ihm klären helfen. Dazu kannſt Du vielleicht Hand bieten.
Und endlich kommt es darauf an, ihn zu bewegen, das Alles — an¬
zunehmen. Hier liegt wahrſcheinlich die unüberwindlichſte Schwierigkeit.
Er wird ſtolz genug ſein, einen Vorſchuß zurückzuweiſen, er wird
eigenſinnig genug ſein, Knechten, die er nicht ſelbſt gewählt hat, zu
mißtrauen, ja, den ganzen Wirthſchaftsplan, den er nicht ſelbſt erzeugt
hat, kurzweg abzulehnen. Hierin hab' ich es nun mit der Frau.
Sie ſoll mir helfen ihn vorzubereiten, ihn zugänglich zu machen. Die
Frau iſt über dieſe Sachen vernünftig, wie in der Regel die Frauen,
nur fehlt es ihr faſt gänzlich an Selbſtſtändigkeit. Auch glaube ich
ihr tiefer auf der Seele Grund zu ſchauen und — dieſe Seele iſt
mit ihren zarteſten und feſteſten Faſern noch in Deutſchland. Sie
erſchrickt eigentlich vor meinem Projecte. Es thut ihr weh, mit dieſem
Boden ſich tiefer einzulaſſen. Ihr Verſtand möchte wohl, aber das
Herz dazu fehlt.

Dieſer Zug nach der Heimat iſt's, was mich auch an dem Kinde,
an der kleinen Annette, rührt. Natürlich, daß ſie die Heimath nur unter
dem Symbol des — Spielzeugs in ſich trägt. Ihr Spielzeug aber
waren Blumen. Sie hatte „zu Hauſe“ ein paar Ellen Gartenland,
das ihre „Grafſchaft“ hieß, und das, ſo oft ſie den Eltern eine beſon¬
dere Freude gemacht, um ein paar Spannen vergrößert wurde. Die
Grafſchaft avancirte nach und nach zum Fürſtenthum, Großfürſten¬
thum, Herzog- und Großherzogthum, und eben war es daran, König¬
reich zu werden, als „der Hof“ verkauft wurde und ſie ans große
Waſſer reisten. In dieſem ſchnell entwickelten Staatsgebiete nun zog
ſie Blumen. Wenn ſie darauf zu ſprechen kommt, ſo glaubt man
einen Fürſten zu hören, der ſeine Souveränetät verloren. Ich finde
ſie auffallend bewandert in dem Bereiche der Botanik, das ſie dabei
umſpannte. Sie zeigt einen fein unterſcheidenden und individualiſiren¬
den Sinn für dieſe Seite des Naturlebens, ſie ſcheint ihre Blumen-
Stöcke und -Büſche mit einer Aufmerkſamkeit, ich möchte ſagen mit
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Annette auch tauſendmal eher glaube, als einer heirathsfähigen Sa¬

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[356/0374] eigentlich keine Aufgabe iſt. Da es aber dann aus einem zehrenden erſt in ein müſſiges Capital verwandelt iſt, ſo handelt es ſich ferner darum, ihm einige tüchtige und vorzüglich treue Knechte zu werben, die es ihm klären helfen. Dazu kannſt Du vielleicht Hand bieten. Und endlich kommt es darauf an, ihn zu bewegen, das Alles — an¬ zunehmen. Hier liegt wahrſcheinlich die unüberwindlichſte Schwierigkeit. Er wird ſtolz genug ſein, einen Vorſchuß zurückzuweiſen, er wird eigenſinnig genug ſein, Knechten, die er nicht ſelbſt gewählt hat, zu mißtrauen, ja, den ganzen Wirthſchaftsplan, den er nicht ſelbſt erzeugt hat, kurzweg abzulehnen. Hierin hab' ich es nun mit der Frau. Sie ſoll mir helfen ihn vorzubereiten, ihn zugänglich zu machen. Die Frau iſt über dieſe Sachen vernünftig, wie in der Regel die Frauen, nur fehlt es ihr faſt gänzlich an Selbſtſtändigkeit. Auch glaube ich ihr tiefer auf der Seele Grund zu ſchauen und — dieſe Seele iſt mit ihren zarteſten und feſteſten Faſern noch in Deutſchland. Sie erſchrickt eigentlich vor meinem Projecte. Es thut ihr weh, mit dieſem Boden ſich tiefer einzulaſſen. Ihr Verſtand möchte wohl, aber das Herz dazu fehlt. Dieſer Zug nach der Heimat iſt's, was mich auch an dem Kinde, an der kleinen Annette, rührt. Natürlich, daß ſie die Heimath nur unter dem Symbol des — Spielzeugs in ſich trägt. Ihr Spielzeug aber waren Blumen. Sie hatte „zu Hauſe“ ein paar Ellen Gartenland, das ihre „Grafſchaft“ hieß, und das, ſo oft ſie den Eltern eine beſon¬ dere Freude gemacht, um ein paar Spannen vergrößert wurde. Die Grafſchaft avancirte nach und nach zum Fürſtenthum, Großfürſten¬ thum, Herzog- und Großherzogthum, und eben war es daran, König¬ reich zu werden, als „der Hof“ verkauft wurde und ſie ans große Waſſer reisten. In dieſem ſchnell entwickelten Staatsgebiete nun zog ſie Blumen. Wenn ſie darauf zu ſprechen kommt, ſo glaubt man einen Fürſten zu hören, der ſeine Souveränetät verloren. Ich finde ſie auffallend bewandert in dem Bereiche der Botanik, das ſie dabei umſpannte. Sie zeigt einen fein unterſcheidenden und individualiſiren¬ den Sinn für dieſe Seite des Naturlebens, ſie ſcheint ihre Blumen- Stöcke und -Büſche mit einer Aufmerkſamkeit, ich möchte ſagen mit einer Geſchwiſterlichkeit gehegt zu haben, wie ich es einer kleinen Annette auch tauſendmal eher glaube, als einer heirathsfähigen Sa¬

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/374>, abgerufen am 24.11.2024.