er Theile des Grundstückes nicht wiederverkaufen kann, bis das Ganze bezahlt ist, selbst wenn ihm eben dazu der Erlös mehr als reichlich verhülfe. Es bleibt ihm also nichts übrig, als die neunzig Waldboden-Acres nach und nach abzuklären und aus ihrem Ertrag den Kaufschilling zu tilgen, wenn er ihn als Zins nicht zehn- oder hundertfach inzwischen zahlen will. Das Klären geht aber so leicht nicht ohne fremde Beihilfe, und diese unterliegt gleichfalls wieder den Manövres der Landspeculanten. Denn kaum ist ein Knecht oder viel¬ mehr "hand" auf solch eine Hofstelle zugezogen, so währt es nicht lange und irgend ein unschuldiges Ding, das ein wandernder Hausirer, Arzt, sogar Seelsorger zu sein scheint, in Wahrheit aber ein Agent der allgegenwärtigen Landspeculation ist, -- ein solcher Emissär spricht dann auf dem Hofe ein, nimmt den Knecht bei Seite, was er doch für ein Thor sei, auf dem freien Boden Amerika's in einem Dienst¬ verhältnisse zu leben, er könne sein eigener Herr sein, man wisse ihm hier und dort eine hübsche Location, Geld brauche er nicht, der Boden überfließe von Fruchtbarkeit, er könne schon mit den ersten Ernten den Kaufschilling herausschlagen, u. s. w. u. s. w. Der Unselbstständige geht natürlich mit Freuden in diese Falle der Selbstständigkeit, läßt sich einen geschickt geknüpften Kaufcontract über den Kopf netzen und ist nun kein Knecht mehr, -- nämlich kein Farmersknecht, sondern ein Frohnknecht der Landcapitalisten. So bestocken diese Vampyre weite Landstrecken mit sogenannten freien Grundbesitzern, die aber Alle ihre gedrücktesten Leibeigenen sind. In diesem Systeme von Exploitation ist nun auch mein steinstarrer Westphale befangen. Er fühlt, daß ihm der Genuß des Lebens dabei fehlt, daß er mit eisernem Fleiß nicht von der Stelle rückt; aber er meint, er könne immer noch eiser¬ ner sein. "Da stehe der Mann vor! bete und arbeite!" sagt er, und das Uebrige sperrt er in sich hinein und keine Seele hat Schloß und Riegel dazu. Es ist etwas Thurmhaftes um den echt deutschen Mann, um seinen Selbstbegriff, um seine Forderung an sich, und -- um seine Beschränktheit! Der Mann zieht mich an in seinem Cha¬ rakter; aber will ich wirken auf ihn, so kann ich's nur durch die Frau.
Ich strebe nämlich darnach, die Lage dieser Familie, laß mich den knuffigen Ausdruck gebrauchen -- zu entamerikanern. Zu¬ nächst handelt es sich darum, das Grundstück frei zu zahlen, was
er Theile des Grundſtückes nicht wiederverkaufen kann, bis das Ganze bezahlt iſt, ſelbſt wenn ihm eben dazu der Erlös mehr als reichlich verhülfe. Es bleibt ihm alſo nichts übrig, als die neunzig Waldboden-Acres nach und nach abzuklären und aus ihrem Ertrag den Kaufſchilling zu tilgen, wenn er ihn als Zins nicht zehn- oder hundertfach inzwiſchen zahlen will. Das Klären geht aber ſo leicht nicht ohne fremde Beihilfe, und dieſe unterliegt gleichfalls wieder den Manövres der Landſpeculanten. Denn kaum iſt ein Knecht oder viel¬ mehr „hand“ auf ſolch eine Hofſtelle zugezogen, ſo währt es nicht lange und irgend ein unſchuldiges Ding, das ein wandernder Hauſirer, Arzt, ſogar Seelſorger zu ſein ſcheint, in Wahrheit aber ein Agent der allgegenwärtigen Landſpeculation iſt, — ein ſolcher Emiſſär ſpricht dann auf dem Hofe ein, nimmt den Knecht bei Seite, was er doch für ein Thor ſei, auf dem freien Boden Amerika's in einem Dienſt¬ verhältniſſe zu leben, er könne ſein eigener Herr ſein, man wiſſe ihm hier und dort eine hübſche Location, Geld brauche er nicht, der Boden überfließe von Fruchtbarkeit, er könne ſchon mit den erſten Ernten den Kaufſchilling herausſchlagen, u. ſ. w. u. ſ. w. Der Unſelbſtſtändige geht natürlich mit Freuden in dieſe Falle der Selbſtſtändigkeit, läßt ſich einen geſchickt geknüpften Kaufcontract über den Kopf netzen und iſt nun kein Knecht mehr, — nämlich kein Farmersknecht, ſondern ein Frohnknecht der Landcapitaliſten. So beſtocken dieſe Vampyre weite Landſtrecken mit ſogenannten freien Grundbeſitzern, die aber Alle ihre gedrückteſten Leibeigenen ſind. In dieſem Syſteme von Exploitation iſt nun auch mein ſteinſtarrer Weſtphale befangen. Er fühlt, daß ihm der Genuß des Lebens dabei fehlt, daß er mit eiſernem Fleiß nicht von der Stelle rückt; aber er meint, er könne immer noch eiſer¬ ner ſein. „Da ſtehe der Mann vor! bete und arbeite!“ ſagt er, und das Uebrige ſperrt er in ſich hinein und keine Seele hat Schloß und Riegel dazu. Es iſt etwas Thurmhaftes um den echt deutſchen Mann, um ſeinen Selbſtbegriff, um ſeine Forderung an ſich, und — um ſeine Beſchränktheit! Der Mann zieht mich an in ſeinem Cha¬ rakter; aber will ich wirken auf ihn, ſo kann ich's nur durch die Frau.
Ich ſtrebe nämlich darnach, die Lage dieſer Familie, laß mich den knuffigen Ausdruck gebrauchen — zu entamerikanern. Zu¬ nächſt handelt es ſich darum, das Grundſtück frei zu zahlen, was
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er Theile des Grundſtückes nicht wiederverkaufen kann, bis das
Ganze bezahlt iſt, ſelbſt wenn ihm eben dazu der Erlös mehr als
reichlich verhülfe. Es bleibt ihm alſo nichts übrig, als die neunzig
Waldboden-Acres nach und nach abzuklären und aus ihrem Ertrag
den Kaufſchilling zu tilgen, wenn er ihn als Zins nicht zehn- oder
hundertfach inzwiſchen zahlen will. Das Klären geht aber ſo leicht
nicht ohne fremde Beihilfe, und dieſe unterliegt gleichfalls wieder den
Manövres der Landſpeculanten. Denn kaum iſt ein Knecht oder viel¬
mehr „hand“ auf ſolch eine Hofſtelle zugezogen, ſo währt es nicht
lange und irgend ein unſchuldiges Ding, das ein wandernder Hauſirer,
Arzt, ſogar Seelſorger zu ſein ſcheint, in Wahrheit aber ein Agent
der allgegenwärtigen Landſpeculation iſt, — ein ſolcher Emiſſär ſpricht
dann auf dem Hofe ein, nimmt den Knecht bei Seite, was er doch
für ein Thor ſei, auf dem freien Boden Amerika's in einem Dienſt¬
verhältniſſe zu leben, er könne ſein eigener Herr ſein, man wiſſe ihm
hier und dort eine hübſche Location, Geld brauche er nicht, der Boden
überfließe von Fruchtbarkeit, er könne ſchon mit den erſten Ernten den
Kaufſchilling herausſchlagen, u. ſ. w. u. ſ. w. Der Unſelbſtſtändige
geht natürlich mit Freuden in dieſe Falle der Selbſtſtändigkeit, läßt
ſich einen geſchickt geknüpften Kaufcontract über den Kopf netzen und
iſt nun kein Knecht mehr, — nämlich kein Farmersknecht, ſondern ein
Frohnknecht der Landcapitaliſten. So beſtocken dieſe Vampyre weite
Landſtrecken mit ſogenannten freien Grundbeſitzern, die aber Alle ihre
gedrückteſten Leibeigenen ſind. In dieſem Syſteme von Exploitation
iſt nun auch mein ſteinſtarrer Weſtphale befangen. Er fühlt, daß
ihm der Genuß des Lebens dabei fehlt, daß er mit eiſernem Fleiß
nicht von der Stelle rückt; aber er meint, er könne immer noch eiſer¬
ner ſein. „Da ſtehe der Mann vor! bete und arbeite!“ ſagt er,
und das Uebrige ſperrt er in ſich hinein und keine Seele hat Schloß
und Riegel dazu. Es iſt etwas Thurmhaftes um den echt deutſchen
Mann, um ſeinen Selbſtbegriff, um ſeine Forderung an ſich, und —
um ſeine Beſchränktheit! Der Mann zieht mich an in ſeinem Cha¬
rakter; aber will ich wirken auf ihn, ſo kann ich's nur durch die Frau.
Ich ſtrebe nämlich darnach, die Lage dieſer Familie, laß mich
den knuffigen Ausdruck gebrauchen — zu entamerikanern. Zu¬
nächſt handelt es ſich darum, das Grundſtück frei zu zahlen, was
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/373>, abgerufen am 24.11.2024.
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