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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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dominirendsten Gebäude von Neu-Lisbon machte. Die "Kathedrale"
war freilich nur aus Schindeln und Latten zusammengenagelt, aber
ihre gothische Form imponirte höchlich, und ihr Umfang hätte hundert
Lisboner Gemeinden aufnehmen können. Nebenbei, aber ganz im
Vertrauen, wollen wir verrathen, daß Mr. Clahane das Geld dazu
vorgeschossen. Ließ sich doch nun in den Zeitungen aller Seehäfen
von dem "Dombau" zu Neu-Lisbon trompeten! ließen sich doch die
Abbildungen von Neu-Lisbon jetzt mit der prächtigen Ansicht der
Kathedrale bereichern! und ob diese spanische Fliege von Quadern
oder Brettern war, lief für die Landjobberei auf eins hinaus. Die
Lithographie verstummte für beides, daß aber der Zeichner mit einer
schätzbaren Plumpheit und Härte seiner Striche viel näher dem Stein¬
als Holzcharakter kommen würde, stand von seiner amerikanischen Kunst¬
sinnigkeit ganz von selbst zu erwarten. Dieser Dom-Humbug war erst
im laufenden Sommer in Scene gesetzt worden, und der methodistische
Humbuger rüstete sich nun gleich umgehend darauf zu antworten. Er
wollte nach der Ernte einen Waldgottesdienst, ein sogenanntes camp¬
meeting
, vom Stapel lassen. Zu solchen Monstre-Andachten strömen
die Confessionellen auf hundert und mehr Meilen im Umkreis zu¬
sammen und gelingt es, einen Gastprediger von Ruf dafür heran¬
zuziehen, so hat der Ortsregisseur mit diesem Kassenstück oft einen
bleibenden Sieg errungen. Nebenbei, aber ganz im Vertrauen, wollen
wir verrathen, daß gleichfalls Mr. Clahane es war, welcher dem Re¬
verend zuerst diesen glücklichen Gedanken sufflirt hatte. Bei einem
solchen Volksauflauf mußte nämlich nicht nur der methodistische Him¬
mel, sondern auch der irdische Storekeeper seinen "Pile" machen; das
war klar.

Daß Moorfeld nun zu diesen Ortsautoritäten kein Verhältniß haben
könne, stand so ziemlich in der ersten Stunde fest. Die beiden Pfaffen
verketzerten ihn gleichzeitig. Der Methodist haßte ihn als einen "Pa¬
pisten" und der Katholik verschrie ihn gar als "Atheisten", weil Moor¬
feld als neu ankommender "Sohn der Kirche" versäumt hatte, ihn
zum Thee auf seinen Farm zu bitten, was des Paters erster Gedanke,
aber Moorfeld's allerletzter war.

Auch von Mr. Clahane, sagte Anhorst, haben wir wenig Gutes
zu erwarten. Meine Marktfahrt an die Seen wird ihm als Con¬

dominirendſten Gebäude von Neu-Lisbon machte. Die „Kathedrale“
war freilich nur aus Schindeln und Latten zuſammengenagelt, aber
ihre gothiſche Form imponirte höchlich, und ihr Umfang hätte hundert
Lisboner Gemeinden aufnehmen können. Nebenbei, aber ganz im
Vertrauen, wollen wir verrathen, daß Mr. Clahane das Geld dazu
vorgeſchoſſen. Ließ ſich doch nun in den Zeitungen aller Seehäfen
von dem „Dombau“ zu Neu-Lisbon trompeten! ließen ſich doch die
Abbildungen von Neu-Lisbon jetzt mit der prächtigen Anſicht der
Kathedrale bereichern! und ob dieſe ſpaniſche Fliege von Quadern
oder Brettern war, lief für die Landjobberei auf eins hinaus. Die
Lithographie verſtummte für beides, daß aber der Zeichner mit einer
ſchätzbaren Plumpheit und Härte ſeiner Striche viel näher dem Stein¬
als Holzcharakter kommen würde, ſtand von ſeiner amerikaniſchen Kunſt¬
ſinnigkeit ganz von ſelbſt zu erwarten. Dieſer Dom-Humbug war erſt
im laufenden Sommer in Scene geſetzt worden, und der methodiſtiſche
Humbuger rüſtete ſich nun gleich umgehend darauf zu antworten. Er
wollte nach der Ernte einen Waldgottesdienſt, ein ſogenanntes camp¬
meeting
, vom Stapel laſſen. Zu ſolchen Monſtre-Andachten ſtrömen
die Confeſſionellen auf hundert und mehr Meilen im Umkreis zu¬
ſammen und gelingt es, einen Gaſtprediger von Ruf dafür heran¬
zuziehen, ſo hat der Ortsregiſſeur mit dieſem Kaſſenſtück oft einen
bleibenden Sieg errungen. Nebenbei, aber ganz im Vertrauen, wollen
wir verrathen, daß gleichfalls Mr. Clahane es war, welcher dem Re¬
verend zuerſt dieſen glücklichen Gedanken ſufflirt hatte. Bei einem
ſolchen Volksauflauf mußte nämlich nicht nur der methodiſtiſche Him¬
mel, ſondern auch der irdiſche Storekeeper ſeinen „Pile“ machen; das
war klar.

Daß Moorfeld nun zu dieſen Ortsautoritäten kein Verhältniß haben
könne, ſtand ſo ziemlich in der erſten Stunde feſt. Die beiden Pfaffen
verketzerten ihn gleichzeitig. Der Methodiſt haßte ihn als einen „Pa¬
piſten“ und der Katholik verſchrie ihn gar als „Atheiſten“, weil Moor¬
feld als neu ankommender „Sohn der Kirche“ verſäumt hatte, ihn
zum Thee auf ſeinen Farm zu bitten, was des Paters erſter Gedanke,
aber Moorfeld's allerletzter war.

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zu erwarten. Meine Marktfahrt an die Seen wird ihm als Con¬

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[330/0348] dominirendſten Gebäude von Neu-Lisbon machte. Die „Kathedrale“ war freilich nur aus Schindeln und Latten zuſammengenagelt, aber ihre gothiſche Form imponirte höchlich, und ihr Umfang hätte hundert Lisboner Gemeinden aufnehmen können. Nebenbei, aber ganz im Vertrauen, wollen wir verrathen, daß Mr. Clahane das Geld dazu vorgeſchoſſen. Ließ ſich doch nun in den Zeitungen aller Seehäfen von dem „Dombau“ zu Neu-Lisbon trompeten! ließen ſich doch die Abbildungen von Neu-Lisbon jetzt mit der prächtigen Anſicht der Kathedrale bereichern! und ob dieſe ſpaniſche Fliege von Quadern oder Brettern war, lief für die Landjobberei auf eins hinaus. Die Lithographie verſtummte für beides, daß aber der Zeichner mit einer ſchätzbaren Plumpheit und Härte ſeiner Striche viel näher dem Stein¬ als Holzcharakter kommen würde, ſtand von ſeiner amerikaniſchen Kunſt¬ ſinnigkeit ganz von ſelbſt zu erwarten. Dieſer Dom-Humbug war erſt im laufenden Sommer in Scene geſetzt worden, und der methodiſtiſche Humbuger rüſtete ſich nun gleich umgehend darauf zu antworten. Er wollte nach der Ernte einen Waldgottesdienſt, ein ſogenanntes camp¬ meeting, vom Stapel laſſen. Zu ſolchen Monſtre-Andachten ſtrömen die Confeſſionellen auf hundert und mehr Meilen im Umkreis zu¬ ſammen und gelingt es, einen Gaſtprediger von Ruf dafür heran¬ zuziehen, ſo hat der Ortsregiſſeur mit dieſem Kaſſenſtück oft einen bleibenden Sieg errungen. Nebenbei, aber ganz im Vertrauen, wollen wir verrathen, daß gleichfalls Mr. Clahane es war, welcher dem Re¬ verend zuerſt dieſen glücklichen Gedanken ſufflirt hatte. Bei einem ſolchen Volksauflauf mußte nämlich nicht nur der methodiſtiſche Him¬ mel, ſondern auch der irdiſche Storekeeper ſeinen „Pile“ machen; das war klar. Daß Moorfeld nun zu dieſen Ortsautoritäten kein Verhältniß haben könne, ſtand ſo ziemlich in der erſten Stunde feſt. Die beiden Pfaffen verketzerten ihn gleichzeitig. Der Methodiſt haßte ihn als einen „Pa¬ piſten“ und der Katholik verſchrie ihn gar als „Atheiſten“, weil Moor¬ feld als neu ankommender „Sohn der Kirche“ verſäumt hatte, ihn zum Thee auf ſeinen Farm zu bitten, was des Paters erſter Gedanke, aber Moorfeld's allerletzter war. Auch von Mr. Clahane, ſagte Anhorſt, haben wir wenig Gutes zu erwarten. Meine Marktfahrt an die Seen wird ihm als Con¬

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/348>, abgerufen am 10.05.2024.