currenz erscheinen, denn er hat im Productenhandel sein Schäfchen sonst ziemlich allein geschoren. Gut, wir werden Feinde haben, ant¬ wortete Moorfeld.
Ueber Lisbon hinaus verengerte sich der sociale Horizont jener ein¬ samen Gegend. Die übrigen Waldnachbarn Moorfeld's waren es nur sehr relativ, denn der nächste lag noch immer zehn Meilen fern. Wir werden nicht Ursache haben, Moorfeld's Runde durch dieselben auf jedem Schritte zu begleiten, da weder der rohe Styl dieser culturlosen Far¬ men, noch das stumpfe Menschenthum ihrer Inhaber ihm irgend ein nennenswerthes Interesse abnöthigt. Doch wollen wir einzelne seiner Besuche nicht mit Stillschweigen übergehen.
Gleich den ersten können wir mit seinen eigenen Worten nach ei¬ nem Briefe an Benthal erzählen. Noch war unser neuer Ansiedler nicht dazu gekommen, die Geschichte seines Ankaufs, die Charakteristik von Neu-Lisbon, von Anhorst u. s. w. zu Papier zu bringen, als er sich eines Tages hinsetzte, und folgende Zeilen niederschrieb:
Eine kleine Liebschaft! daß mir aber Möwe ja nicht eifersüchtig wird! Anhorst war nach Neu-Lisbon geritten in Besorgung einiger Allotria zu seiner Marktfahrt. Ich saß in meinem Blockpalast allein, spielte Violine, concipirte in Gedanken ein paar rückständige Briefe an Dich, welche dem gegenwärtigen vorzudatiren sind und, will's Gott, nächstens auch dran sollen. Aber noch binden sich meine Lebensgeister schwer an's Haus, ich warf Violine und Concepte bald hinter mich, und trabte auf ein paar Meilen in's Freie hinaus. Ohne meinen Stallmeister sollt' ich's freilich bleiben lassen, meine wilde Grafschaft zu inspiciren; das Ländchen hat so wenig Weg und Steg als der blaue Himmel, oder das grüne Meer. Es ging mir auch darnach. Denn kaum hatt' ich den Platanen und den Fichten, den Eichen, Gummi- und Eisenholzbäumen etc. ihren sechstägigen Herrn und Meister in verschiedenen Facaden gezeigt, als ich mit meinem Cäsar vollkommen im Irren trieb. Es ging wie mit einem Zauber zu, daß ich mich plötzlich in wildfremden Bezirken sah. Ich war einem Bache gefolgt, welchen ich lange für meinen Bach hielt, denn es ist merk¬ würdig wie gleich sich hier alle Naturansichten sind. Die stille Quell¬ rinne führte mich aber allmälig tiefer in das Geholz anstatt auf meine Boccage heraus; ich setzte ein paarmal über, je nachdem mir dieser
currenz erſcheinen, denn er hat im Productenhandel ſein Schäfchen ſonſt ziemlich allein geſchoren. Gut, wir werden Feinde haben, ant¬ wortete Moorfeld.
Ueber Lisbon hinaus verengerte ſich der ſociale Horizont jener ein¬ ſamen Gegend. Die übrigen Waldnachbarn Moorfeld's waren es nur ſehr relativ, denn der nächſte lag noch immer zehn Meilen fern. Wir werden nicht Urſache haben, Moorfeld's Runde durch dieſelben auf jedem Schritte zu begleiten, da weder der rohe Styl dieſer culturloſen Far¬ men, noch das ſtumpfe Menſchenthum ihrer Inhaber ihm irgend ein nennenswerthes Intereſſe abnöthigt. Doch wollen wir einzelne ſeiner Beſuche nicht mit Stillſchweigen übergehen.
Gleich den erſten können wir mit ſeinen eigenen Worten nach ei¬ nem Briefe an Benthal erzählen. Noch war unſer neuer Anſiedler nicht dazu gekommen, die Geſchichte ſeines Ankaufs, die Charakteriſtik von Neu-Lisbon, von Anhorſt u. ſ. w. zu Papier zu bringen, als er ſich eines Tages hinſetzte, und folgende Zeilen niederſchrieb:
Eine kleine Liebſchaft! daß mir aber Möwe ja nicht eiferſüchtig wird! Anhorſt war nach Neu-Lisbon geritten in Beſorgung einiger Allotria zu ſeiner Marktfahrt. Ich ſaß in meinem Blockpalaſt allein, ſpielte Violine, concipirte in Gedanken ein paar rückſtändige Briefe an Dich, welche dem gegenwärtigen vorzudatiren ſind und, will's Gott, nächſtens auch dran ſollen. Aber noch binden ſich meine Lebensgeiſter ſchwer an's Haus, ich warf Violine und Concepte bald hinter mich, und trabte auf ein paar Meilen in's Freie hinaus. Ohne meinen Stallmeiſter ſollt' ich's freilich bleiben laſſen, meine wilde Grafſchaft zu inſpiciren; das Ländchen hat ſo wenig Weg und Steg als der blaue Himmel, oder das grüne Meer. Es ging mir auch darnach. Denn kaum hatt' ich den Platanen und den Fichten, den Eichen, Gummi- und Eiſenholzbäumen ꝛc. ihren ſechstägigen Herrn und Meiſter in verſchiedenen Façaden gezeigt, als ich mit meinem Cäſar vollkommen im Irren trieb. Es ging wie mit einem Zauber zu, daß ich mich plötzlich in wildfremden Bezirken ſah. Ich war einem Bache gefolgt, welchen ich lange für meinen Bach hielt, denn es iſt merk¬ würdig wie gleich ſich hier alle Naturanſichten ſind. Die ſtille Quell¬ rinne führte mich aber allmälig tiefer in das Geholz anſtatt auf meine Boccage heraus; ich ſetzte ein paarmal über, je nachdem mir dieſer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0349"n="331"/>
currenz erſcheinen, denn er hat im Productenhandel ſein Schäfchen<lb/>ſonſt ziemlich allein geſchoren. Gut, wir werden Feinde haben, ant¬<lb/>
wortete Moorfeld.</p><lb/><p>Ueber Lisbon hinaus verengerte ſich der ſociale Horizont jener ein¬<lb/>ſamen Gegend. Die übrigen Waldnachbarn Moorfeld's waren es nur<lb/>ſehr relativ, denn der nächſte lag noch immer zehn Meilen fern. Wir<lb/>
werden nicht Urſache haben, Moorfeld's Runde durch dieſelben auf jedem<lb/>
Schritte zu begleiten, da weder der rohe Styl dieſer culturloſen Far¬<lb/>
men, noch das ſtumpfe Menſchenthum ihrer Inhaber ihm irgend ein<lb/>
nennenswerthes Intereſſe abnöthigt. Doch wollen wir einzelne ſeiner<lb/>
Beſuche nicht mit Stillſchweigen übergehen.</p><lb/><p>Gleich den erſten können wir mit ſeinen eigenen Worten nach ei¬<lb/>
nem Briefe an Benthal erzählen. Noch war unſer neuer Anſiedler<lb/>
nicht dazu gekommen, die Geſchichte ſeines Ankaufs, die Charakteriſtik<lb/>
von Neu-Lisbon, von Anhorſt u. ſ. w. zu Papier zu bringen, als<lb/>
er ſich eines Tages hinſetzte, und folgende Zeilen niederſchrieb:</p><lb/><p>Eine kleine Liebſchaft! daß mir aber Möwe ja nicht eiferſüchtig<lb/>
wird! Anhorſt war nach Neu-Lisbon geritten in Beſorgung einiger<lb/>
Allotria zu ſeiner Marktfahrt. Ich ſaß in meinem Blockpalaſt allein,<lb/>ſpielte Violine, concipirte in Gedanken ein paar rückſtändige Briefe<lb/>
an Dich, welche dem gegenwärtigen vorzudatiren ſind und, will's Gott,<lb/>
nächſtens auch dran ſollen. Aber noch binden ſich meine Lebensgeiſter<lb/>ſchwer an's Haus, ich warf Violine und Concepte bald hinter mich,<lb/>
und trabte auf ein paar Meilen in's Freie hinaus. Ohne meinen<lb/>
Stallmeiſter ſollt' ich's freilich bleiben laſſen, meine wilde Grafſchaft<lb/>
zu inſpiciren; das Ländchen hat ſo wenig Weg und Steg als der<lb/>
blaue Himmel, oder das grüne Meer. Es ging mir auch darnach.<lb/>
Denn kaum hatt' ich den Platanen und den Fichten, den Eichen,<lb/>
Gummi- und Eiſenholzbäumen ꝛc. ihren ſechstägigen Herrn und<lb/>
Meiſter in verſchiedenen Fa<hirendition="#aq">ç</hi>aden gezeigt, als ich mit meinem Cäſar<lb/>
vollkommen im Irren trieb. Es ging wie mit einem Zauber zu, daß<lb/>
ich mich plötzlich in wildfremden Bezirken ſah. Ich war einem Bache<lb/>
gefolgt, welchen ich lange für <hirendition="#g">meinen</hi> Bach hielt, denn es iſt merk¬<lb/>
würdig wie gleich ſich hier alle Naturanſichten ſind. Die ſtille Quell¬<lb/>
rinne führte mich aber allmälig tiefer in das Geholz anſtatt auf meine<lb/>
Boccage heraus; ich ſetzte ein paarmal über, je nachdem mir dieſer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[331/0349]
currenz erſcheinen, denn er hat im Productenhandel ſein Schäfchen
ſonſt ziemlich allein geſchoren. Gut, wir werden Feinde haben, ant¬
wortete Moorfeld.
Ueber Lisbon hinaus verengerte ſich der ſociale Horizont jener ein¬
ſamen Gegend. Die übrigen Waldnachbarn Moorfeld's waren es nur
ſehr relativ, denn der nächſte lag noch immer zehn Meilen fern. Wir
werden nicht Urſache haben, Moorfeld's Runde durch dieſelben auf jedem
Schritte zu begleiten, da weder der rohe Styl dieſer culturloſen Far¬
men, noch das ſtumpfe Menſchenthum ihrer Inhaber ihm irgend ein
nennenswerthes Intereſſe abnöthigt. Doch wollen wir einzelne ſeiner
Beſuche nicht mit Stillſchweigen übergehen.
Gleich den erſten können wir mit ſeinen eigenen Worten nach ei¬
nem Briefe an Benthal erzählen. Noch war unſer neuer Anſiedler
nicht dazu gekommen, die Geſchichte ſeines Ankaufs, die Charakteriſtik
von Neu-Lisbon, von Anhorſt u. ſ. w. zu Papier zu bringen, als
er ſich eines Tages hinſetzte, und folgende Zeilen niederſchrieb:
Eine kleine Liebſchaft! daß mir aber Möwe ja nicht eiferſüchtig
wird! Anhorſt war nach Neu-Lisbon geritten in Beſorgung einiger
Allotria zu ſeiner Marktfahrt. Ich ſaß in meinem Blockpalaſt allein,
ſpielte Violine, concipirte in Gedanken ein paar rückſtändige Briefe
an Dich, welche dem gegenwärtigen vorzudatiren ſind und, will's Gott,
nächſtens auch dran ſollen. Aber noch binden ſich meine Lebensgeiſter
ſchwer an's Haus, ich warf Violine und Concepte bald hinter mich,
und trabte auf ein paar Meilen in's Freie hinaus. Ohne meinen
Stallmeiſter ſollt' ich's freilich bleiben laſſen, meine wilde Grafſchaft
zu inſpiciren; das Ländchen hat ſo wenig Weg und Steg als der
blaue Himmel, oder das grüne Meer. Es ging mir auch darnach.
Denn kaum hatt' ich den Platanen und den Fichten, den Eichen,
Gummi- und Eiſenholzbäumen ꝛc. ihren ſechstägigen Herrn und
Meiſter in verſchiedenen Façaden gezeigt, als ich mit meinem Cäſar
vollkommen im Irren trieb. Es ging wie mit einem Zauber zu, daß
ich mich plötzlich in wildfremden Bezirken ſah. Ich war einem Bache
gefolgt, welchen ich lange für meinen Bach hielt, denn es iſt merk¬
würdig wie gleich ſich hier alle Naturanſichten ſind. Die ſtille Quell¬
rinne führte mich aber allmälig tiefer in das Geholz anſtatt auf meine
Boccage heraus; ich ſetzte ein paarmal über, je nachdem mir dieſer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/349>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.