Landspeculation war und halb Lisbon die Baugefangenen, die er auf die Festung gebracht? Man müßte diese Brieftasche eingesehen haben. Daß eine Stadt auf so ungesundem Platze nicht mit rechten Dingen zugehe, hatte Moorfeld allerdings schon bei ihrem ersten Anblicke herausgefühlt. Das zweite Räthsel blieb nur noch, wie es zuging, daß sie überhaupt im Uebel verharrte und nicht weiter wanderte. Dieses Räthsel lag schon in einem durchsichtigeren Helldunkel. Natürlich führte es sich ebenfalls wieder auf Mr. Clahane zurück. Mr. Clahane war Storekeeper, d. h. er versah seine ländlichen Mitbürger mit den Producten der Industrie und nahm an Zahlungs Statt ihre Natur¬ producte dafür. Da fügte es nun ein merkwürdiges Schicksal, daß die Natur stets im Rückstande blieb gegen die Waarenwerthe des Mr. Clahane. Der hiesigen Natur mochte das allerdings nicht schwer fallen. Wer sich aber vom Schuldbuche des Storekeepers losgemacht, der brachte es wenigstens zu keinem Baarersparniß, um den rebellischen Gedanken des Auszuges zu fassen. Konnte aber Mr. Clahane durch¬ aus nicht umhin, auch einmal ein baares Stück Geld herauszugeben, so zahlte er entweder in Banknoten irgend einer brüchigen Bank, oder er speculirte auf irgend eine schwache Seite seines von der Passiva zur Activa abgefallenen Kunden, und Tausend gegen Eins war zu wetten, daß in den nächsten Tagen hier ein Stallion aus Kentucky, dort ein Uhrenhändler aus Connecticut herbeigeschneit kam, und in ei¬ nem feurigen Vollblutpferd, oder einer buntlackirten Stutzuhr das fatale Baar-Geld, den Hebel der Unabhängigkeit, wieder hinweg¬ manövrirt wurde.
Nächst diesem Würdigen war es ein Hochwürdiger und ein Ehr¬ würdiger, welche sich in die Herrschaft Neu-Lisbons theilten. Die Be¬ völkerung von mehreren hundert Seelen bestand nämlich aus zwei Confessionen: Katholiken und Methodisten. Der "Pater" der Ersten und der "Reverend" der Zweiten trübten nun weiterhin die trüben Verhältnisse dieser Stadtschaft. Die Herren bekämpften sich -- wir würden sagen auf Leben und Tod, wenn die Redensart nicht zu euro¬ päisch wäre. Aber der Amerikaner bekämpft sich nur auf Leben allein. Die beiden Pfaffen gingen nicht auf ihre gegenseitige Vernichtung, sondern Ueberbietung und Steigerung aus. So hatte der katholische sein Gotteshaus erst kürzlich in einem Style aufgebaut, der es zum
Landſpeculation war und halb Lisbon die Baugefangenen, die er auf die Feſtung gebracht? Man müßte dieſe Brieftaſche eingeſehen haben. Daß eine Stadt auf ſo ungeſundem Platze nicht mit rechten Dingen zugehe, hatte Moorfeld allerdings ſchon bei ihrem erſten Anblicke herausgefühlt. Das zweite Räthſel blieb nur noch, wie es zuging, daß ſie überhaupt im Uebel verharrte und nicht weiter wanderte. Dieſes Räthſel lag ſchon in einem durchſichtigeren Helldunkel. Natürlich führte es ſich ebenfalls wieder auf Mr. Clahane zurück. Mr. Clahane war Storekeeper, d. h. er verſah ſeine ländlichen Mitbürger mit den Producten der Induſtrie und nahm an Zahlungs Statt ihre Natur¬ producte dafür. Da fügte es nun ein merkwürdiges Schickſal, daß die Natur ſtets im Rückſtande blieb gegen die Waarenwerthe des Mr. Clahane. Der hieſigen Natur mochte das allerdings nicht ſchwer fallen. Wer ſich aber vom Schuldbuche des Storekeepers losgemacht, der brachte es wenigſtens zu keinem Baarerſparniß, um den rebelliſchen Gedanken des Auszuges zu faſſen. Konnte aber Mr. Clahane durch¬ aus nicht umhin, auch einmal ein baares Stück Geld herauszugeben, ſo zahlte er entweder in Banknoten irgend einer brüchigen Bank, oder er ſpeculirte auf irgend eine ſchwache Seite ſeines von der Paſſiva zur Activa abgefallenen Kunden, und Tauſend gegen Eins war zu wetten, daß in den nächſten Tagen hier ein Stallion aus Kentucky, dort ein Uhrenhändler aus Connecticut herbeigeſchneit kam, und in ei¬ nem feurigen Vollblutpferd, oder einer buntlackirten Stutzuhr das fatale Baar-Geld, den Hebel der Unabhängigkeit, wieder hinweg¬ manövrirt wurde.
Nächſt dieſem Würdigen war es ein Hochwürdiger und ein Ehr¬ würdiger, welche ſich in die Herrſchaft Neu-Lisbons theilten. Die Be¬ völkerung von mehreren hundert Seelen beſtand nämlich aus zwei Confeſſionen: Katholiken und Methodiſten. Der „Pater“ der Erſten und der „Reverend“ der Zweiten trübten nun weiterhin die trüben Verhältniſſe dieſer Stadtſchaft. Die Herren bekämpften ſich — wir würden ſagen auf Leben und Tod, wenn die Redensart nicht zu euro¬ päiſch wäre. Aber der Amerikaner bekämpft ſich nur auf Leben allein. Die beiden Pfaffen gingen nicht auf ihre gegenſeitige Vernichtung, ſondern Ueberbietung und Steigerung aus. So hatte der katholiſche ſein Gotteshaus erſt kürzlich in einem Style aufgebaut, der es zum
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Landſpeculation war und halb Lisbon die Baugefangenen, die er auf
die Feſtung gebracht? Man müßte dieſe Brieftaſche eingeſehen haben.
Daß eine Stadt auf ſo ungeſundem Platze nicht mit rechten Dingen
zugehe, hatte Moorfeld allerdings ſchon bei ihrem erſten Anblicke
herausgefühlt. Das zweite Räthſel blieb nur noch, wie es zuging,
daß ſie überhaupt im Uebel verharrte und nicht weiter wanderte.
Dieſes Räthſel lag ſchon in einem durchſichtigeren Helldunkel. Natürlich
führte es ſich ebenfalls wieder auf Mr. Clahane zurück. Mr. Clahane
war Storekeeper, d. h. er verſah ſeine ländlichen Mitbürger mit den
Producten der Induſtrie und nahm an Zahlungs Statt ihre Natur¬
producte dafür. Da fügte es nun ein merkwürdiges Schickſal, daß
die Natur ſtets im Rückſtande blieb gegen die Waarenwerthe des
Mr. Clahane. Der hieſigen Natur mochte das allerdings nicht ſchwer
fallen. Wer ſich aber vom Schuldbuche des Storekeepers losgemacht,
der brachte es wenigſtens zu keinem Baarerſparniß, um den rebelliſchen
Gedanken des Auszuges zu faſſen. Konnte aber Mr. Clahane durch¬
aus nicht umhin, auch einmal ein baares Stück Geld herauszugeben,
ſo zahlte er entweder in Banknoten irgend einer brüchigen Bank, oder
er ſpeculirte auf irgend eine ſchwache Seite ſeines von der Paſſiva
zur Activa abgefallenen Kunden, und Tauſend gegen Eins war zu
wetten, daß in den nächſten Tagen hier ein Stallion aus Kentucky,
dort ein Uhrenhändler aus Connecticut herbeigeſchneit kam, und in ei¬
nem feurigen Vollblutpferd, oder einer buntlackirten Stutzuhr das
fatale Baar-Geld, den Hebel der Unabhängigkeit, wieder hinweg¬
manövrirt wurde.
Nächſt dieſem Würdigen war es ein Hochwürdiger und ein Ehr¬
würdiger, welche ſich in die Herrſchaft Neu-Lisbons theilten. Die Be¬
völkerung von mehreren hundert Seelen beſtand nämlich aus zwei
Confeſſionen: Katholiken und Methodiſten. Der „Pater“ der Erſten
und der „Reverend“ der Zweiten trübten nun weiterhin die trüben
Verhältniſſe dieſer Stadtſchaft. Die Herren bekämpften ſich — wir
würden ſagen auf Leben und Tod, wenn die Redensart nicht zu euro¬
päiſch wäre. Aber der Amerikaner bekämpft ſich nur auf Leben allein.
Die beiden Pfaffen gingen nicht auf ihre gegenſeitige Vernichtung,
ſondern Ueberbietung und Steigerung aus. So hatte der katholiſche
ſein Gotteshaus erſt kürzlich in einem Style aufgebaut, der es zum
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/347>, abgerufen am 25.11.2024.
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