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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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verhältnißmäßig merklich war und der eine Art Aussicht versprach.
Ich machte ein paar hundert Schritte darauf vorwärts und übersah
bald das Terrain. Der Bluff war eine Erderhebung wie etwa der
Kreuzberg bei Berlin oder das Laaer-Wäldchen bei Wien, oder der
Röderberg bei Frankfurt: von mehreren Seiten vollkommene und wie
es schien sterile Ebene, nach einer aber hügeliger Abhang, wo die
Quellwasser absickern mochten; in dieser Richtung war auch Feldanbau
und etwas Wald. Ein Mann kam von dort herauf, -- es war der
Mann! Ich erkannte ihn am Milcheimer, den er bei sich hatte, und
der leider! leer war. Die Kuh würde nun vor Abend nicht zu Hofe
kommen, sagte er. Wir maßen uns übrigens mit unerquicklichen Blicken.
Er mich mit Mißtrauen und einer störrischen Menschenscheu, ich ihn
mit einem Ausdruck von Mitleid und Enttäuschung, der vielleicht
nicht ganz schmeichelhaft war. "Der blühendste und geistvollste Stu¬
diosus" war ein gelbes Gerippe, den das Fieber durch und durch
entfleischt hatte, physisch und moralisch aufgezehrt. Ich sprach von
Europa, er war still; ich sprach von Amerika, er war stumm; ich
sprach von den Wissenschaften, er schwieg; ich sprach von der Land¬
wirthschaft, er antwortete nicht. Ich glaubte endlich sein Herz besser
zu treffen und sprach mit menschlichem und ärztlichem Antheil von
der Krankheit seiner Frau zu ihm; er unterbrach mich trocken: Das
Fieber müssen wir Alle durchmachen; -- Sie werden auch nicht ver¬
schont bleiben, setzte er hinzu und sein Blick fiel mit einem Ausdruck
von Neid auf meine Gestalt. Mein Anerbieten, womit ich ihm dienen
könne, nahm er übrigens ohne Umstände an; ich möge ihm von
Pittsburg ein paar Pfund Pulver und Schrot schicken, er verschieße
leider viel und treffe wenig, die Hand zittere ihm noch. An letztere
Bemerkung suchte ich wieder theilnehmend anzuknüpfen, er ließ sich
aber außer dem Nützlichkeitspunkt in nichts weiter ein, und war
stumm wie zuvor. Ich fühlte, wie ich ihm zur Last fiel, und nur um
der Frau Lebewohl zu sagen, begleitete ich ihn bis an die Hütte zu¬
rück. Die Frau war aber eingeschlummert. Ich brauchte mit meinem
Abzuge entsetzlich wenig Umstände zu machen. Ich schied aus diesem
Farm wie man sich mit gebildeten Aegyptiern begrüßt, -- wenn sie
Mumien sind und in den Hypogäen liegen.

verhältnißmäßig merklich war und der eine Art Ausſicht verſprach.
Ich machte ein paar hundert Schritte darauf vorwärts und überſah
bald das Terrain. Der Bluff war eine Erderhebung wie etwa der
Kreuzberg bei Berlin oder das Laaer-Wäldchen bei Wien, oder der
Röderberg bei Frankfurt: von mehreren Seiten vollkommene und wie
es ſchien ſterile Ebene, nach einer aber hügeliger Abhang, wo die
Quellwaſſer abſickern mochten; in dieſer Richtung war auch Feldanbau
und etwas Wald. Ein Mann kam von dort herauf, — es war der
Mann! Ich erkannte ihn am Milcheimer, den er bei ſich hatte, und
der leider! leer war. Die Kuh würde nun vor Abend nicht zu Hofe
kommen, ſagte er. Wir maßen uns übrigens mit unerquicklichen Blicken.
Er mich mit Mißtrauen und einer ſtörriſchen Menſchenſcheu, ich ihn
mit einem Ausdruck von Mitleid und Enttäuſchung, der vielleicht
nicht ganz ſchmeichelhaft war. „Der blühendſte und geiſtvollſte Stu¬
dioſus“ war ein gelbes Gerippe, den das Fieber durch und durch
entfleiſcht hatte, phyſiſch und moraliſch aufgezehrt. Ich ſprach von
Europa, er war ſtill; ich ſprach von Amerika, er war ſtumm; ich
ſprach von den Wiſſenſchaften, er ſchwieg; ich ſprach von der Land¬
wirthſchaft, er antwortete nicht. Ich glaubte endlich ſein Herz beſſer
zu treffen und ſprach mit menſchlichem und ärztlichem Antheil von
der Krankheit ſeiner Frau zu ihm; er unterbrach mich trocken: Das
Fieber müſſen wir Alle durchmachen; — Sie werden auch nicht ver¬
ſchont bleiben, ſetzte er hinzu und ſein Blick fiel mit einem Ausdruck
von Neid auf meine Geſtalt. Mein Anerbieten, womit ich ihm dienen
könne, nahm er übrigens ohne Umſtände an; ich möge ihm von
Pittsburg ein paar Pfund Pulver und Schrot ſchicken, er verſchieße
leider viel und treffe wenig, die Hand zittere ihm noch. An letztere
Bemerkung ſuchte ich wieder theilnehmend anzuknüpfen, er ließ ſich
aber außer dem Nützlichkeitspunkt in nichts weiter ein, und war
ſtumm wie zuvor. Ich fühlte, wie ich ihm zur Laſt fiel, und nur um
der Frau Lebewohl zu ſagen, begleitete ich ihn bis an die Hütte zu¬
rück. Die Frau war aber eingeſchlummert. Ich brauchte mit meinem
Abzuge entſetzlich wenig Umſtände zu machen. Ich ſchied aus dieſem
Farm wie man ſich mit gebildeten Aegyptiern begrüßt, — wenn ſie
Mumien ſind und in den Hypogäen liegen.

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[296/0314] verhältnißmäßig merklich war und der eine Art Ausſicht verſprach. Ich machte ein paar hundert Schritte darauf vorwärts und überſah bald das Terrain. Der Bluff war eine Erderhebung wie etwa der Kreuzberg bei Berlin oder das Laaer-Wäldchen bei Wien, oder der Röderberg bei Frankfurt: von mehreren Seiten vollkommene und wie es ſchien ſterile Ebene, nach einer aber hügeliger Abhang, wo die Quellwaſſer abſickern mochten; in dieſer Richtung war auch Feldanbau und etwas Wald. Ein Mann kam von dort herauf, — es war der Mann! Ich erkannte ihn am Milcheimer, den er bei ſich hatte, und der leider! leer war. Die Kuh würde nun vor Abend nicht zu Hofe kommen, ſagte er. Wir maßen uns übrigens mit unerquicklichen Blicken. Er mich mit Mißtrauen und einer ſtörriſchen Menſchenſcheu, ich ihn mit einem Ausdruck von Mitleid und Enttäuſchung, der vielleicht nicht ganz ſchmeichelhaft war. „Der blühendſte und geiſtvollſte Stu¬ dioſus“ war ein gelbes Gerippe, den das Fieber durch und durch entfleiſcht hatte, phyſiſch und moraliſch aufgezehrt. Ich ſprach von Europa, er war ſtill; ich ſprach von Amerika, er war ſtumm; ich ſprach von den Wiſſenſchaften, er ſchwieg; ich ſprach von der Land¬ wirthſchaft, er antwortete nicht. Ich glaubte endlich ſein Herz beſſer zu treffen und ſprach mit menſchlichem und ärztlichem Antheil von der Krankheit ſeiner Frau zu ihm; er unterbrach mich trocken: Das Fieber müſſen wir Alle durchmachen; — Sie werden auch nicht ver¬ ſchont bleiben, ſetzte er hinzu und ſein Blick fiel mit einem Ausdruck von Neid auf meine Geſtalt. Mein Anerbieten, womit ich ihm dienen könne, nahm er übrigens ohne Umſtände an; ich möge ihm von Pittsburg ein paar Pfund Pulver und Schrot ſchicken, er verſchieße leider viel und treffe wenig, die Hand zittere ihm noch. An letztere Bemerkung ſuchte ich wieder theilnehmend anzuknüpfen, er ließ ſich aber außer dem Nützlichkeitspunkt in nichts weiter ein, und war ſtumm wie zuvor. Ich fühlte, wie ich ihm zur Laſt fiel, und nur um der Frau Lebewohl zu ſagen, begleitete ich ihn bis an die Hütte zu¬ rück. Die Frau war aber eingeſchlummert. Ich brauchte mit meinem Abzuge entſetzlich wenig Umſtände zu machen. Ich ſchied aus dieſem Farm wie man ſich mit gebildeten Aegyptiern begrüßt, — wenn ſie Mumien ſind und in den Hypogäen liegen.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/314>, abgerufen am 22.11.2024.