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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Ich hoffe nicht, daß ihr die Fähigkeit dazu abgeht. Beruhigen
Sie sich übrigens. Die Frage geht zur Hälfte auch die Frauen an.
Und ich gestehe Ihnen gern, ich kenne Amerika's Frauen wenig.

Darf ich mir ein Urtheil erlauben, Sir, so sind Sie überhaupt
ein Verächter des Geschlechts?

Ich bedauere, daß Sie einen so barbarischen Einfall ein Urtheil
nennen. Woraus schöpfen Sie dieses sogenannte Urtheil?

Aus Ihren Reisen, Sir. Wo die Phantasie auf so großartige
Bilderjagden auszieht, dort ist das Herz schwer zu fesseln. Sie haben
zwischen Tropen und Pol viel Schönes gesehen, Sir, aber wir sind
zu Hause geblieben, Sir, und sehen Sie, Sir, wir haben der Schön¬
heit doch voller und unmittelbarer in's Auge geschaut.

Wir brauchen kaum zu bemerken, in welcher Haltung Cölesten
gegenüber diese Worte gesprochen waren. Der Sprecher bemühte sich
offenbar, sein Gespräch so beziehungsvoll als möglich zu wenden.
Aber Moorfeld hatte kein Interesse ihn hier zu stören, sondern nur zu
überbieten. Er antwortete:

Was Sie an Ihrem Platze Holdes und Vortreffliches bewundern,
das gestehe ich Ihnen von ganzem Herzen zu, Sir. Ich sagte es ja:
ich kenne Amerika's Frauen wenig. Und sehen Sie, Sir, daß ich
selbst jetzt an diesem Platze stehe, das spricht nur für das Prinzip
der Reisen: wie wäre ich sonst hergekommen? Weiber erfüllen freilich
die ganze Welt; aber die ganze Welt will auch durchwandert sein,
um das Weib zu finden, das Idealweib, die Blüthe und den Hoch¬
begriff ihres Geschlechts.

Cöleste blickte fragend auf. Es war fast ein kindlicher Zug von
dem Mädchen, daß sie naiv zweifelte, ob solch ein hohes Wort für sie
gesprochen. Moorfeld's Auge aber mußte sie hinlänglich orientirt haben,
denn sie schlug das ihre nieder und -- gewährte als "Dame des Winkels"
Raum zwischen sich und Moorfeld, den dieser sogleich einnahm.

Der Rowdy warf sich in Fechterpositur.

Nun, bei Gott, rief er emphatisch, so möchte ich mein Vaterland
nicht hintansetzen! Sie werfen auf die Frauen Ihres Vaterlandes
ein Licht, Sir --

Erlauben Sie, Sir. Das Wort Vaterland hat einen vollgehalti¬
gen Begriff in der Politik. Der Amerikaner denkt sich ein lebens¬

Ich hoffe nicht, daß ihr die Fähigkeit dazu abgeht. Beruhigen
Sie ſich übrigens. Die Frage geht zur Hälfte auch die Frauen an.
Und ich geſtehe Ihnen gern, ich kenne Amerika's Frauen wenig.

Darf ich mir ein Urtheil erlauben, Sir, ſo ſind Sie überhaupt
ein Verächter des Geſchlechts?

Ich bedauere, daß Sie einen ſo barbariſchen Einfall ein Urtheil
nennen. Woraus ſchöpfen Sie dieſes ſogenannte Urtheil?

Aus Ihren Reiſen, Sir. Wo die Phantaſie auf ſo großartige
Bilderjagden auszieht, dort iſt das Herz ſchwer zu feſſeln. Sie haben
zwiſchen Tropen und Pol viel Schönes geſehen, Sir, aber wir ſind
zu Hauſe geblieben, Sir, und ſehen Sie, Sir, wir haben der Schön¬
heit doch voller und unmittelbarer in's Auge geſchaut.

Wir brauchen kaum zu bemerken, in welcher Haltung Cöleſten
gegenüber dieſe Worte geſprochen waren. Der Sprecher bemühte ſich
offenbar, ſein Geſpräch ſo beziehungsvoll als möglich zu wenden.
Aber Moorfeld hatte kein Intereſſe ihn hier zu ſtören, ſondern nur zu
überbieten. Er antwortete:

Was Sie an Ihrem Platze Holdes und Vortreffliches bewundern,
das geſtehe ich Ihnen von ganzem Herzen zu, Sir. Ich ſagte es ja:
ich kenne Amerika's Frauen wenig. Und ſehen Sie, Sir, daß ich
ſelbſt jetzt an dieſem Platze ſtehe, das ſpricht nur für das Prinzip
der Reiſen: wie wäre ich ſonſt hergekommen? Weiber erfüllen freilich
die ganze Welt; aber die ganze Welt will auch durchwandert ſein,
um das Weib zu finden, das Idealweib, die Blüthe und den Hoch¬
begriff ihres Geſchlechts.

Cöleſte blickte fragend auf. Es war faſt ein kindlicher Zug von
dem Mädchen, daß ſie naiv zweifelte, ob ſolch ein hohes Wort für ſie
geſprochen. Moorfeld's Auge aber mußte ſie hinlänglich orientirt haben,
denn ſie ſchlug das ihre nieder und — gewährte als „Dame des Winkels“
Raum zwiſchen ſich und Moorfeld, den dieſer ſogleich einnahm.

Der Rowdy warf ſich in Fechterpoſitur.

Nun, bei Gott, rief er emphatiſch, ſo möchte ich mein Vaterland
nicht hintanſetzen! Sie werfen auf die Frauen Ihres Vaterlandes
ein Licht, Sir —

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gen Begriff in der Politik. Der Amerikaner denkt ſich ein lebens¬

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[240/0258] Ich hoffe nicht, daß ihr die Fähigkeit dazu abgeht. Beruhigen Sie ſich übrigens. Die Frage geht zur Hälfte auch die Frauen an. Und ich geſtehe Ihnen gern, ich kenne Amerika's Frauen wenig. Darf ich mir ein Urtheil erlauben, Sir, ſo ſind Sie überhaupt ein Verächter des Geſchlechts? Ich bedauere, daß Sie einen ſo barbariſchen Einfall ein Urtheil nennen. Woraus ſchöpfen Sie dieſes ſogenannte Urtheil? Aus Ihren Reiſen, Sir. Wo die Phantaſie auf ſo großartige Bilderjagden auszieht, dort iſt das Herz ſchwer zu feſſeln. Sie haben zwiſchen Tropen und Pol viel Schönes geſehen, Sir, aber wir ſind zu Hauſe geblieben, Sir, und ſehen Sie, Sir, wir haben der Schön¬ heit doch voller und unmittelbarer in's Auge geſchaut. Wir brauchen kaum zu bemerken, in welcher Haltung Cöleſten gegenüber dieſe Worte geſprochen waren. Der Sprecher bemühte ſich offenbar, ſein Geſpräch ſo beziehungsvoll als möglich zu wenden. Aber Moorfeld hatte kein Intereſſe ihn hier zu ſtören, ſondern nur zu überbieten. Er antwortete: Was Sie an Ihrem Platze Holdes und Vortreffliches bewundern, das geſtehe ich Ihnen von ganzem Herzen zu, Sir. Ich ſagte es ja: ich kenne Amerika's Frauen wenig. Und ſehen Sie, Sir, daß ich ſelbſt jetzt an dieſem Platze ſtehe, das ſpricht nur für das Prinzip der Reiſen: wie wäre ich ſonſt hergekommen? Weiber erfüllen freilich die ganze Welt; aber die ganze Welt will auch durchwandert ſein, um das Weib zu finden, das Idealweib, die Blüthe und den Hoch¬ begriff ihres Geſchlechts. Cöleſte blickte fragend auf. Es war faſt ein kindlicher Zug von dem Mädchen, daß ſie naiv zweifelte, ob ſolch ein hohes Wort für ſie geſprochen. Moorfeld's Auge aber mußte ſie hinlänglich orientirt haben, denn ſie ſchlug das ihre nieder und — gewährte als „Dame des Winkels“ Raum zwiſchen ſich und Moorfeld, den dieſer ſogleich einnahm. Der Rowdy warf ſich in Fechterpoſitur. Nun, bei Gott, rief er emphatiſch, ſo möchte ich mein Vaterland nicht hintanſetzen! Sie werfen auf die Frauen Ihres Vaterlandes ein Licht, Sir — Erlauben Sie, Sir. Das Wort Vaterland hat einen vollgehalti¬ gen Begriff in der Politik. Der Amerikaner denkt ſich ein lebens¬

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/258>, abgerufen am 25.11.2024.