an ihrem Platze, und erhob ihr Auge zaudernd, fast furchtsam jetzt wieder zu Moorfeld, indem sich ihr Mund zu irgend einer Erwiederung öffnete. Aber nicht ihr Wort sollte Moorfeld vernehmen. Die Gemeinheit begehrte auch ihres Rechtes. Moorfeld sollte erinnert werden, in welcher Umgebung er stand, und daß er die Höhe dieses Augenblicks nur der Niedrigkeit abkämpfen könne. Derselbe Mensch, welcher zuvor gesprochen, trat jetzt wieder als Wortführer seines Cötus auf und sagte rasch, in der deutlichen Absicht, jedem andern Eindrucke zuvorzukommen: Wahr¬ haftig, Sir, Sie haben schöne Reisen gemacht, das ist ein Factum. Reisen, will mich bedünken, ist überhaupt das beste, wozu ein Gentle¬ man seine Mittel und seine Muße verwenden kann. Es hilft entweder große Lebensweisheit erwerben, oder mindestens -- eine große Leere ausfüllen.
Sehr wahr, Sir, antwortete Moorfeld gemessen, aber leider sehe ich Viele zu Hause bleiben, welche namentlich in letzterer Beziehung das dringendste Motiv hätten, auf Reisen zu gehen.
Moorfeld begleitete diese Zurechtweisung mit einem entsprechenden Blicke. Sein Widersacher war eine echte Rowdy-Gestalt. Er hand¬ habte eine Baguette, lang und dünn wie eine Macaroni, und fuchtelte höchst sittsam gegen sein grotesk chinirtes Beinkleid damit. Alle Fassung aber benahm es, zu sehen, daß der Mensch in zweierlei Schuhen ging: der eine lief in eine Spitze zu, der andere war breit abgehackt. Moorfeld erfuhr bei einer spätern Gelegenheit, daß es ihm eine starke Wette gegolten, in solchem Fußzeug Bennet's Salon zu besuchen. Uebrigens genoß er vor seinen Cammeraden die Auszeich¬ zeichnung einer schönen und tüchtigen Männerfigur, die ihre Ver¬ ballhornirung in forcirter Frechheit und Albernheit doppelt be¬ dauern ließ.
Der Rowdy antwortete: Wir Amerikaner kommen weniger zum Reisen, als irgend ein Volk der Welt. Denn erstens haben wir zu viel zu thun, und zweitens reist sich's nur als Garcon leicht; der Amerikaner aber heirathet früh, und das ist jedenfalls das beste was er thun kann.
Allerdings, die Ehe bessert, sagte Moorfeld.
Was wollen Sie damit sagen, Sir? Bedarf unsre Jugend in Ihren Augen der Besserung?
an ihrem Platze, und erhob ihr Auge zaudernd, faſt furchtſam jetzt wieder zu Moorfeld, indem ſich ihr Mund zu irgend einer Erwiederung öffnete. Aber nicht ihr Wort ſollte Moorfeld vernehmen. Die Gemeinheit begehrte auch ihres Rechtes. Moorfeld ſollte erinnert werden, in welcher Umgebung er ſtand, und daß er die Höhe dieſes Augenblicks nur der Niedrigkeit abkämpfen könne. Derſelbe Menſch, welcher zuvor geſprochen, trat jetzt wieder als Wortführer ſeines Cötus auf und ſagte raſch, in der deutlichen Abſicht, jedem andern Eindrucke zuvorzukommen: Wahr¬ haftig, Sir, Sie haben ſchöne Reiſen gemacht, das iſt ein Factum. Reiſen, will mich bedünken, iſt überhaupt das beſte, wozu ein Gentle¬ man ſeine Mittel und ſeine Muße verwenden kann. Es hilft entweder große Lebensweisheit erwerben, oder mindeſtens — eine große Leere ausfüllen.
Sehr wahr, Sir, antwortete Moorfeld gemeſſen, aber leider ſehe ich Viele zu Hauſe bleiben, welche namentlich in letzterer Beziehung das dringendſte Motiv hätten, auf Reiſen zu gehen.
Moorfeld begleitete dieſe Zurechtweiſung mit einem entſprechenden Blicke. Sein Widerſacher war eine echte Rowdy-Geſtalt. Er hand¬ habte eine Baguette, lang und dünn wie eine Macaroni, und fuchtelte höchſt ſittſam gegen ſein grotesk chinirtes Beinkleid damit. Alle Faſſung aber benahm es, zu ſehen, daß der Menſch in zweierlei Schuhen ging: der eine lief in eine Spitze zu, der andere war breit abgehackt. Moorfeld erfuhr bei einer ſpätern Gelegenheit, daß es ihm eine ſtarke Wette gegolten, in ſolchem Fußzeug Bennet's Salon zu beſuchen. Uebrigens genoß er vor ſeinen Cammeraden die Auszeich¬ zeichnung einer ſchönen und tüchtigen Männerfigur, die ihre Ver¬ ballhornirung in forcirter Frechheit und Albernheit doppelt be¬ dauern ließ.
Der Rowdy antwortete: Wir Amerikaner kommen weniger zum Reiſen, als irgend ein Volk der Welt. Denn erſtens haben wir zu viel zu thun, und zweitens reist ſich's nur als Garcon leicht; der Amerikaner aber heirathet früh, und das iſt jedenfalls das beſte was er thun kann.
Allerdings, die Ehe beſſert, ſagte Moorfeld.
Was wollen Sie damit ſagen, Sir? Bedarf unſre Jugend in Ihren Augen der Beſſerung?
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an ihrem Platze, und erhob ihr Auge zaudernd, faſt furchtſam jetzt wieder
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Aber nicht ihr Wort ſollte Moorfeld vernehmen. Die Gemeinheit begehrte
auch ihres Rechtes. Moorfeld ſollte erinnert werden, in welcher Umgebung
er ſtand, und daß er die Höhe dieſes Augenblicks nur der Niedrigkeit
abkämpfen könne. Derſelbe Menſch, welcher zuvor geſprochen, trat
jetzt wieder als Wortführer ſeines Cötus auf und ſagte raſch, in der
deutlichen Abſicht, jedem andern Eindrucke zuvorzukommen: Wahr¬
haftig, Sir, Sie haben ſchöne Reiſen gemacht, das iſt ein Factum.
Reiſen, will mich bedünken, iſt überhaupt das beſte, wozu ein Gentle¬
man ſeine Mittel und ſeine Muße verwenden kann. Es hilft entweder
große Lebensweisheit erwerben, oder mindeſtens — eine große Leere
ausfüllen.
Sehr wahr, Sir, antwortete Moorfeld gemeſſen, aber leider ſehe
ich Viele zu Hauſe bleiben, welche namentlich in letzterer Beziehung
das dringendſte Motiv hätten, auf Reiſen zu gehen.
Moorfeld begleitete dieſe Zurechtweiſung mit einem entſprechenden
Blicke. Sein Widerſacher war eine echte Rowdy-Geſtalt. Er hand¬
habte eine Baguette, lang und dünn wie eine Macaroni, und fuchtelte
höchſt ſittſam gegen ſein grotesk chinirtes Beinkleid damit. Alle
Faſſung aber benahm es, zu ſehen, daß der Menſch in zweierlei
Schuhen ging: der eine lief in eine Spitze zu, der andere war breit
abgehackt. Moorfeld erfuhr bei einer ſpätern Gelegenheit, daß es ihm
eine ſtarke Wette gegolten, in ſolchem Fußzeug Bennet's Salon zu
beſuchen. Uebrigens genoß er vor ſeinen Cammeraden die Auszeich¬
zeichnung einer ſchönen und tüchtigen Männerfigur, die ihre Ver¬
ballhornirung in forcirter Frechheit und Albernheit doppelt be¬
dauern ließ.
Der Rowdy antwortete: Wir Amerikaner kommen weniger zum
Reiſen, als irgend ein Volk der Welt. Denn erſtens haben wir zu
viel zu thun, und zweitens reist ſich's nur als Garcon leicht; der
Amerikaner aber heirathet früh, und das iſt jedenfalls das beſte was
er thun kann.
Allerdings, die Ehe beſſert, ſagte Moorfeld.
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/257>, abgerufen am 22.11.2024.
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