Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.besiegte Meer. Aber nicht lange dauerte diese unstäte Gunst. Es erhob sich ein Sturm, der mit mehreren Unglücksfällen vereint sie zwang, in einem kleinen norwegischen Hafen einzulaufen. Hier auf der Rhede des kleinen Fleckens trat ein Unfall ein, der, an sich von keinem besondern Einfluß, doch wie eine böse Vorbedeutung einen unangenehmen Eindruck zurückließ. Der Capitän des Schiffes, ein bereits bejahrter Mann, dessen gebücktes Haupt und schneeweiße Haare ihm das Ansehen eines Greises verliehen, obgleich er, rüstig und kräftig, beides nur als ein Merkmal vieler ausgestandener Widerwärtigkeiten angab, hatte unter mehreren Eigenheiten auch eine besondere Neigung für Gemmen und Edelsteine und führte eine kleine Sammlung von Ringen, Brustnadeln und ungefaßten Seltenheiten, die einen immer kostbarer als die anderen, in einem zierlichen Kasten mit sich herum, ohne doch je die ersten zu tragen. Diesen Schatz bei jeder Gelegenheit vorzuzeigen und dem Zuschauer mit vieler Beredtsamkeit die Schönheit und Geschichte jedweden Steines zu erklären, war sein eigentliches Steckenpferd. So wurde auch eines Tages, als mehrere höhere Beamte des Städtchens bei ihm zu Mittag gegessen, der allen Offizieren schon wohlbekannte Kasten hervorgenommen. Während des Herumzeigens entstand plötzlich ein Lärm auf dem Verdeck; ein Rauch, der von unten aufstieg, gab Anlaß zu einem Feuergeschrei. Der besiegte Meer. Aber nicht lange dauerte diese unstäte Gunst. Es erhob sich ein Sturm, der mit mehreren Unglücksfällen vereint sie zwang, in einem kleinen norwegischen Hafen einzulaufen. Hier auf der Rhede des kleinen Fleckens trat ein Unfall ein, der, an sich von keinem besondern Einfluß, doch wie eine böse Vorbedeutung einen unangenehmen Eindruck zurückließ. Der Capitän des Schiffes, ein bereits bejahrter Mann, dessen gebücktes Haupt und schneeweiße Haare ihm das Ansehen eines Greises verliehen, obgleich er, rüstig und kräftig, beides nur als ein Merkmal vieler ausgestandener Widerwärtigkeiten angab, hatte unter mehreren Eigenheiten auch eine besondere Neigung für Gemmen und Edelsteine und führte eine kleine Sammlung von Ringen, Brustnadeln und ungefaßten Seltenheiten, die einen immer kostbarer als die anderen, in einem zierlichen Kasten mit sich herum, ohne doch je die ersten zu tragen. Diesen Schatz bei jeder Gelegenheit vorzuzeigen und dem Zuschauer mit vieler Beredtsamkeit die Schönheit und Geschichte jedweden Steines zu erklären, war sein eigentliches Steckenpferd. So wurde auch eines Tages, als mehrere höhere Beamte des Städtchens bei ihm zu Mittag gegessen, der allen Offizieren schon wohlbekannte Kasten hervorgenommen. Während des Herumzeigens entstand plötzlich ein Lärm auf dem Verdeck; ein Rauch, der von unten aufstieg, gab Anlaß zu einem Feuergeschrei. Der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037"/> besiegte Meer. Aber nicht lange dauerte diese unstäte Gunst. Es erhob sich ein Sturm, der mit mehreren Unglücksfällen vereint sie zwang, in einem kleinen norwegischen Hafen einzulaufen.</p><lb/> <p>Hier auf der Rhede des kleinen Fleckens trat ein Unfall ein, der, an sich von keinem besondern Einfluß, doch wie eine böse Vorbedeutung einen unangenehmen Eindruck zurückließ. Der Capitän des Schiffes, ein bereits bejahrter Mann, dessen gebücktes Haupt und schneeweiße Haare ihm das Ansehen eines Greises verliehen, obgleich er, rüstig und kräftig, beides nur als ein Merkmal vieler ausgestandener Widerwärtigkeiten angab, hatte unter mehreren Eigenheiten auch eine besondere Neigung für Gemmen und Edelsteine und führte eine kleine Sammlung von Ringen, Brustnadeln und ungefaßten Seltenheiten, die einen immer kostbarer als die anderen, in einem zierlichen Kasten mit sich herum, ohne doch je die ersten zu tragen. Diesen Schatz bei jeder Gelegenheit vorzuzeigen und dem Zuschauer mit vieler Beredtsamkeit die Schönheit und Geschichte jedweden Steines zu erklären, war sein eigentliches Steckenpferd.</p><lb/> <p>So wurde auch eines Tages, als mehrere höhere Beamte des Städtchens bei ihm zu Mittag gegessen, der allen Offizieren schon wohlbekannte Kasten hervorgenommen. Während des Herumzeigens entstand plötzlich ein Lärm auf dem Verdeck; ein Rauch, der von unten aufstieg, gab Anlaß zu einem Feuergeschrei. Der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
besiegte Meer. Aber nicht lange dauerte diese unstäte Gunst. Es erhob sich ein Sturm, der mit mehreren Unglücksfällen vereint sie zwang, in einem kleinen norwegischen Hafen einzulaufen.
Hier auf der Rhede des kleinen Fleckens trat ein Unfall ein, der, an sich von keinem besondern Einfluß, doch wie eine böse Vorbedeutung einen unangenehmen Eindruck zurückließ. Der Capitän des Schiffes, ein bereits bejahrter Mann, dessen gebücktes Haupt und schneeweiße Haare ihm das Ansehen eines Greises verliehen, obgleich er, rüstig und kräftig, beides nur als ein Merkmal vieler ausgestandener Widerwärtigkeiten angab, hatte unter mehreren Eigenheiten auch eine besondere Neigung für Gemmen und Edelsteine und führte eine kleine Sammlung von Ringen, Brustnadeln und ungefaßten Seltenheiten, die einen immer kostbarer als die anderen, in einem zierlichen Kasten mit sich herum, ohne doch je die ersten zu tragen. Diesen Schatz bei jeder Gelegenheit vorzuzeigen und dem Zuschauer mit vieler Beredtsamkeit die Schönheit und Geschichte jedweden Steines zu erklären, war sein eigentliches Steckenpferd.
So wurde auch eines Tages, als mehrere höhere Beamte des Städtchens bei ihm zu Mittag gegessen, der allen Offizieren schon wohlbekannte Kasten hervorgenommen. Während des Herumzeigens entstand plötzlich ein Lärm auf dem Verdeck; ein Rauch, der von unten aufstieg, gab Anlaß zu einem Feuergeschrei. Der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/37 |
Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/37>, abgerufen am 16.07.2024. |