Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Chef eilte bei der ersten Meldung selbst hinaus. Es fand sich aber gleich, daß keine Gefahr vorhanden sei. Die Uebrigen waren gefolgt, der Kasten offen geblieben. Als die erste Unruhe sich gelegt, kehrten die Fremden zu der unterbrochenen Unterhaltung zurück. Auf einmal erblaßte der Capitän und stockte, doch bald sich fassend fuhr er mit einem starren Blick in den Kasten in seiner Rede fort; schloß aber kürzer und trockner als gewöhnlich, ließ den Deckel fallen und entließ verstimmt die Gesellschaft. Allein unter sich, nahmen die Offiziere keinen Anstand, ihn mit aller Ehrfurcht um die Ursache seines auffallenden Benehmens zu fragen, eben weil sie eine dunkle Ahnung von der höchst verdrießlichen Wahrheit hatten. Ich begreife freilich nicht, wie, erwiderte er, allein ein sehr kostbarer Ring ist wahrscheinlich durch mein Versehen, aus dem Kasten verschwunden. Es würde eine Beleidigung gegen meine Gäste gewesen sein, in ihrer Gegenwart dieses Verlustes zu erwähnen, und ich thue es auch jetzt nur auf eure Frage, weil ich weiß, daß Niemand von euch sich im mindesten bei einer solchen Nachricht betreten fühlen kann. Ihr solltet aber den Ring gekannt haben, -- und nun beschrieb er ihn mit wahrer Liebhabergenauigkeit auf das Ausführlichste, ohne irgend eine andere Absicht, als seiner Liebe zu der Sache Genüge zu thun. Er selbst berührte nach dieser Stunde nie mehr Chef eilte bei der ersten Meldung selbst hinaus. Es fand sich aber gleich, daß keine Gefahr vorhanden sei. Die Uebrigen waren gefolgt, der Kasten offen geblieben. Als die erste Unruhe sich gelegt, kehrten die Fremden zu der unterbrochenen Unterhaltung zurück. Auf einmal erblaßte der Capitän und stockte, doch bald sich fassend fuhr er mit einem starren Blick in den Kasten in seiner Rede fort; schloß aber kürzer und trockner als gewöhnlich, ließ den Deckel fallen und entließ verstimmt die Gesellschaft. Allein unter sich, nahmen die Offiziere keinen Anstand, ihn mit aller Ehrfurcht um die Ursache seines auffallenden Benehmens zu fragen, eben weil sie eine dunkle Ahnung von der höchst verdrießlichen Wahrheit hatten. Ich begreife freilich nicht, wie, erwiderte er, allein ein sehr kostbarer Ring ist wahrscheinlich durch mein Versehen, aus dem Kasten verschwunden. Es würde eine Beleidigung gegen meine Gäste gewesen sein, in ihrer Gegenwart dieses Verlustes zu erwähnen, und ich thue es auch jetzt nur auf eure Frage, weil ich weiß, daß Niemand von euch sich im mindesten bei einer solchen Nachricht betreten fühlen kann. Ihr solltet aber den Ring gekannt haben, — und nun beschrieb er ihn mit wahrer Liebhabergenauigkeit auf das Ausführlichste, ohne irgend eine andere Absicht, als seiner Liebe zu der Sache Genüge zu thun. Er selbst berührte nach dieser Stunde nie mehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038"/> Chef eilte bei der ersten Meldung selbst hinaus. Es fand sich aber gleich, daß keine Gefahr vorhanden sei. Die Uebrigen waren gefolgt, der Kasten offen geblieben. Als die erste Unruhe sich gelegt, kehrten die Fremden zu der unterbrochenen Unterhaltung zurück. Auf einmal erblaßte der Capitän und stockte, doch bald sich fassend fuhr er mit einem starren Blick in den Kasten in seiner Rede fort; schloß aber kürzer und trockner als gewöhnlich, ließ den Deckel fallen und entließ verstimmt die Gesellschaft.</p><lb/> <p>Allein unter sich, nahmen die Offiziere keinen Anstand, ihn mit aller Ehrfurcht um die Ursache seines auffallenden Benehmens zu fragen, eben weil sie eine dunkle Ahnung von der höchst verdrießlichen Wahrheit hatten.</p><lb/> <p>Ich begreife freilich nicht, wie, erwiderte er, allein ein sehr kostbarer Ring ist wahrscheinlich durch mein Versehen, aus dem Kasten verschwunden. Es würde eine Beleidigung gegen meine Gäste gewesen sein, in ihrer Gegenwart dieses Verlustes zu erwähnen, und ich thue es auch jetzt nur auf eure Frage, weil ich weiß, daß Niemand von euch sich im mindesten bei einer solchen Nachricht betreten fühlen kann. Ihr solltet aber den Ring gekannt haben, — und nun beschrieb er ihn mit wahrer Liebhabergenauigkeit auf das Ausführlichste, ohne irgend eine andere Absicht, als seiner Liebe zu der Sache Genüge zu thun.</p><lb/> <p>Er selbst berührte nach dieser Stunde nie mehr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Chef eilte bei der ersten Meldung selbst hinaus. Es fand sich aber gleich, daß keine Gefahr vorhanden sei. Die Uebrigen waren gefolgt, der Kasten offen geblieben. Als die erste Unruhe sich gelegt, kehrten die Fremden zu der unterbrochenen Unterhaltung zurück. Auf einmal erblaßte der Capitän und stockte, doch bald sich fassend fuhr er mit einem starren Blick in den Kasten in seiner Rede fort; schloß aber kürzer und trockner als gewöhnlich, ließ den Deckel fallen und entließ verstimmt die Gesellschaft.
Allein unter sich, nahmen die Offiziere keinen Anstand, ihn mit aller Ehrfurcht um die Ursache seines auffallenden Benehmens zu fragen, eben weil sie eine dunkle Ahnung von der höchst verdrießlichen Wahrheit hatten.
Ich begreife freilich nicht, wie, erwiderte er, allein ein sehr kostbarer Ring ist wahrscheinlich durch mein Versehen, aus dem Kasten verschwunden. Es würde eine Beleidigung gegen meine Gäste gewesen sein, in ihrer Gegenwart dieses Verlustes zu erwähnen, und ich thue es auch jetzt nur auf eure Frage, weil ich weiß, daß Niemand von euch sich im mindesten bei einer solchen Nachricht betreten fühlen kann. Ihr solltet aber den Ring gekannt haben, — und nun beschrieb er ihn mit wahrer Liebhabergenauigkeit auf das Ausführlichste, ohne irgend eine andere Absicht, als seiner Liebe zu der Sache Genüge zu thun.
Er selbst berührte nach dieser Stunde nie mehr
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/38>, abgerufen am 16.07.2024. |