Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.die lange diesem Zeitpunkt mit Furcht und Bangen entgegengesehen, ihm durchaus unmöglich, dem Freunde diese Verlegenheit zu eröffnen. Sein Begriff von Ehre sagte ihm, daß es nicht dieser entgegen sei, bei jugendlichen Zerstreuungen den Ueberfluß des Freundes zu theilen; allein bei dem kleinlichen Bedürfnisse des Lebens konnte er sich nicht dazu überreden; auch ahnete der in dieser Hinsicht mehr als billig sorglose Freund nicht diesen feindlichen Druck der Verhältnisse, dessen Wiederschein auf seinem Antlitz Woldemar ihm sorgfältig zu verbergen suchte. Er dachte schon daran, Zuflucht zu Wucherern und Juden zu nehmen, als seine sorgliche Mutter, als es eben die höchste Zeit war, ihn mit der Freudenbotschaft überraschte, daß alles Nöthige schon von ihr besorgt sei. Er sah sie betroffen, fast erschrocken an. Wundere dich nicht, sagte sie lächelnd, ich habe mich jahrelang dafür vorbereitet, und so wurde es mir endlich leicht, zu Stande zu bringen, was mir beim ersten Gedanken so schwer vorkam. Auch fand der dankbare Sohn zu seiner großen Verwunderung bald, daß sie fast zu reichlich für ihn gesorgt hatte, und daß die schweren goldenen Epauletts denen seiner reichsten Gefährten weder an Glanz, noch an Werth nachstanden. Das Schiff war bestiegen, die Anker gelichtet, und ein günstiger Wind führte das majestätische Gebäude, dessen mächtiges Fortschreiten die schwarzen Wollen des Kattegats in weißen Schaum verwandelte, durch das die lange diesem Zeitpunkt mit Furcht und Bangen entgegengesehen, ihm durchaus unmöglich, dem Freunde diese Verlegenheit zu eröffnen. Sein Begriff von Ehre sagte ihm, daß es nicht dieser entgegen sei, bei jugendlichen Zerstreuungen den Ueberfluß des Freundes zu theilen; allein bei dem kleinlichen Bedürfnisse des Lebens konnte er sich nicht dazu überreden; auch ahnete der in dieser Hinsicht mehr als billig sorglose Freund nicht diesen feindlichen Druck der Verhältnisse, dessen Wiederschein auf seinem Antlitz Woldemar ihm sorgfältig zu verbergen suchte. Er dachte schon daran, Zuflucht zu Wucherern und Juden zu nehmen, als seine sorgliche Mutter, als es eben die höchste Zeit war, ihn mit der Freudenbotschaft überraschte, daß alles Nöthige schon von ihr besorgt sei. Er sah sie betroffen, fast erschrocken an. Wundere dich nicht, sagte sie lächelnd, ich habe mich jahrelang dafür vorbereitet, und so wurde es mir endlich leicht, zu Stande zu bringen, was mir beim ersten Gedanken so schwer vorkam. Auch fand der dankbare Sohn zu seiner großen Verwunderung bald, daß sie fast zu reichlich für ihn gesorgt hatte, und daß die schweren goldenen Epauletts denen seiner reichsten Gefährten weder an Glanz, noch an Werth nachstanden. Das Schiff war bestiegen, die Anker gelichtet, und ein günstiger Wind führte das majestätische Gebäude, dessen mächtiges Fortschreiten die schwarzen Wollen des Kattegats in weißen Schaum verwandelte, durch das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036"/> die lange diesem Zeitpunkt mit Furcht und Bangen entgegengesehen, ihm durchaus unmöglich, dem Freunde diese Verlegenheit zu eröffnen. Sein Begriff von Ehre sagte ihm, daß es nicht dieser entgegen sei, bei jugendlichen Zerstreuungen den Ueberfluß des Freundes zu theilen; allein bei dem kleinlichen Bedürfnisse des Lebens konnte er sich nicht dazu überreden; auch ahnete der in dieser Hinsicht mehr als billig sorglose Freund nicht diesen feindlichen Druck der Verhältnisse, dessen Wiederschein auf seinem Antlitz Woldemar ihm sorgfältig zu verbergen suchte.</p><lb/> <p>Er dachte schon daran, Zuflucht zu Wucherern und Juden zu nehmen, als seine sorgliche Mutter, als es eben die höchste Zeit war, ihn mit der Freudenbotschaft überraschte, daß alles Nöthige schon von ihr besorgt sei. Er sah sie betroffen, fast erschrocken an. Wundere dich nicht, sagte sie lächelnd, ich habe mich jahrelang dafür vorbereitet, und so wurde es mir endlich leicht, zu Stande zu bringen, was mir beim ersten Gedanken so schwer vorkam. Auch fand der dankbare Sohn zu seiner großen Verwunderung bald, daß sie fast zu reichlich für ihn gesorgt hatte, und daß die schweren goldenen Epauletts denen seiner reichsten Gefährten weder an Glanz, noch an Werth nachstanden.</p><lb/> <p>Das Schiff war bestiegen, die Anker gelichtet, und ein günstiger Wind führte das majestätische Gebäude, dessen mächtiges Fortschreiten die schwarzen Wollen des Kattegats in weißen Schaum verwandelte, durch das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
die lange diesem Zeitpunkt mit Furcht und Bangen entgegengesehen, ihm durchaus unmöglich, dem Freunde diese Verlegenheit zu eröffnen. Sein Begriff von Ehre sagte ihm, daß es nicht dieser entgegen sei, bei jugendlichen Zerstreuungen den Ueberfluß des Freundes zu theilen; allein bei dem kleinlichen Bedürfnisse des Lebens konnte er sich nicht dazu überreden; auch ahnete der in dieser Hinsicht mehr als billig sorglose Freund nicht diesen feindlichen Druck der Verhältnisse, dessen Wiederschein auf seinem Antlitz Woldemar ihm sorgfältig zu verbergen suchte.
Er dachte schon daran, Zuflucht zu Wucherern und Juden zu nehmen, als seine sorgliche Mutter, als es eben die höchste Zeit war, ihn mit der Freudenbotschaft überraschte, daß alles Nöthige schon von ihr besorgt sei. Er sah sie betroffen, fast erschrocken an. Wundere dich nicht, sagte sie lächelnd, ich habe mich jahrelang dafür vorbereitet, und so wurde es mir endlich leicht, zu Stande zu bringen, was mir beim ersten Gedanken so schwer vorkam. Auch fand der dankbare Sohn zu seiner großen Verwunderung bald, daß sie fast zu reichlich für ihn gesorgt hatte, und daß die schweren goldenen Epauletts denen seiner reichsten Gefährten weder an Glanz, noch an Werth nachstanden.
Das Schiff war bestiegen, die Anker gelichtet, und ein günstiger Wind führte das majestätische Gebäude, dessen mächtiges Fortschreiten die schwarzen Wollen des Kattegats in weißen Schaum verwandelte, durch das
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/36>, abgerufen am 16.07.2024. |