Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Obgleich beide Freunde von jener Stunde an in schöner, ungetrübter, hingebender Vertraulichkeit zusammenlebten, jede kleine Sorge, jede begegnende Freude theilten, trübte doch eine kleine Wolke die Stirne des zwar immer ernsten, aber doch heitern Woldemar von dem Augenblick, wo sie zu diesem Freudenzug, denn das war er ihnen, beordert wurden. Hatte sehnend Liebe sich vielleicht in das Herz des Jünglings eingeschlichen? -- Für wahre, eigentliche Liebe fand sich in seinem Herzen noch kein Raum; es hing noch mit allen schwärmerischen Jugendgefühlen an dem seines Freundes; und verliebten Händeln, wie sehr sie auch dem jugendlichen Leben einen erhöheten Reiz verleihen und auch mit ihren schelmischen Geheimnissen einige Stunden der Freundschaft ausfüllen, dürfen wir nicht jenen Namen geben. Seine Sorge war anderer Art. -- Holger war Erbe nicht unvermögender Eltern. Woldemar besaß, nur eine arme Mutter. Wiewohl es selbst auf der Akademie eine ziemlich gewöhnliche Sitte war, daß die Stubengefährten ihre kleine Baarschaft mit einander theilten, wiewohl die beiden Freunde auch so zu sagen nur eine Kasse hatten, und es Woldemarn nie eingefallen war Anstand zu nehmen, diese als seine eigne anzusehen -- das kleinste Bedenken würde den Freund tief beleidigt haben --, war es doch nun, da seine erste große Seefahrt eine nicht unbedeutende Equipage erheischte, im Gefühl der Ohnmacht der geliebten Mutter, Obgleich beide Freunde von jener Stunde an in schöner, ungetrübter, hingebender Vertraulichkeit zusammenlebten, jede kleine Sorge, jede begegnende Freude theilten, trübte doch eine kleine Wolke die Stirne des zwar immer ernsten, aber doch heitern Woldemar von dem Augenblick, wo sie zu diesem Freudenzug, denn das war er ihnen, beordert wurden. Hatte sehnend Liebe sich vielleicht in das Herz des Jünglings eingeschlichen? — Für wahre, eigentliche Liebe fand sich in seinem Herzen noch kein Raum; es hing noch mit allen schwärmerischen Jugendgefühlen an dem seines Freundes; und verliebten Händeln, wie sehr sie auch dem jugendlichen Leben einen erhöheten Reiz verleihen und auch mit ihren schelmischen Geheimnissen einige Stunden der Freundschaft ausfüllen, dürfen wir nicht jenen Namen geben. Seine Sorge war anderer Art. — Holger war Erbe nicht unvermögender Eltern. Woldemar besaß, nur eine arme Mutter. Wiewohl es selbst auf der Akademie eine ziemlich gewöhnliche Sitte war, daß die Stubengefährten ihre kleine Baarschaft mit einander theilten, wiewohl die beiden Freunde auch so zu sagen nur eine Kasse hatten, und es Woldemarn nie eingefallen war Anstand zu nehmen, diese als seine eigne anzusehen — das kleinste Bedenken würde den Freund tief beleidigt haben —, war es doch nun, da seine erste große Seefahrt eine nicht unbedeutende Equipage erheischte, im Gefühl der Ohnmacht der geliebten Mutter, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0035"/> <p>Obgleich beide Freunde von jener Stunde an in schöner, ungetrübter, hingebender Vertraulichkeit zusammenlebten, jede kleine Sorge, jede begegnende Freude theilten, trübte doch eine kleine Wolke die Stirne des zwar immer ernsten, aber doch heitern Woldemar von dem Augenblick, wo sie zu diesem Freudenzug, denn das war er ihnen, beordert wurden. Hatte sehnend Liebe sich vielleicht in das Herz des Jünglings eingeschlichen? — Für wahre, eigentliche Liebe fand sich in seinem Herzen noch kein Raum; es hing noch mit allen schwärmerischen Jugendgefühlen an dem seines Freundes; und verliebten Händeln, wie sehr sie auch dem jugendlichen Leben einen erhöheten Reiz verleihen und auch mit ihren schelmischen Geheimnissen einige Stunden der Freundschaft ausfüllen, dürfen wir nicht jenen Namen geben.</p><lb/> <p>Seine Sorge war anderer Art. — Holger war Erbe nicht unvermögender Eltern. Woldemar besaß, nur eine arme Mutter. Wiewohl es selbst auf der Akademie eine ziemlich gewöhnliche Sitte war, daß die Stubengefährten ihre kleine Baarschaft mit einander theilten, wiewohl die beiden Freunde auch so zu sagen nur eine Kasse hatten, und es Woldemarn nie eingefallen war Anstand zu nehmen, diese als seine eigne anzusehen — das kleinste Bedenken würde den Freund tief beleidigt haben —, war es doch nun, da seine erste große Seefahrt eine nicht unbedeutende Equipage erheischte, im Gefühl der Ohnmacht der geliebten Mutter,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Obgleich beide Freunde von jener Stunde an in schöner, ungetrübter, hingebender Vertraulichkeit zusammenlebten, jede kleine Sorge, jede begegnende Freude theilten, trübte doch eine kleine Wolke die Stirne des zwar immer ernsten, aber doch heitern Woldemar von dem Augenblick, wo sie zu diesem Freudenzug, denn das war er ihnen, beordert wurden. Hatte sehnend Liebe sich vielleicht in das Herz des Jünglings eingeschlichen? — Für wahre, eigentliche Liebe fand sich in seinem Herzen noch kein Raum; es hing noch mit allen schwärmerischen Jugendgefühlen an dem seines Freundes; und verliebten Händeln, wie sehr sie auch dem jugendlichen Leben einen erhöheten Reiz verleihen und auch mit ihren schelmischen Geheimnissen einige Stunden der Freundschaft ausfüllen, dürfen wir nicht jenen Namen geben.
Seine Sorge war anderer Art. — Holger war Erbe nicht unvermögender Eltern. Woldemar besaß, nur eine arme Mutter. Wiewohl es selbst auf der Akademie eine ziemlich gewöhnliche Sitte war, daß die Stubengefährten ihre kleine Baarschaft mit einander theilten, wiewohl die beiden Freunde auch so zu sagen nur eine Kasse hatten, und es Woldemarn nie eingefallen war Anstand zu nehmen, diese als seine eigne anzusehen — das kleinste Bedenken würde den Freund tief beleidigt haben —, war es doch nun, da seine erste große Seefahrt eine nicht unbedeutende Equipage erheischte, im Gefühl der Ohnmacht der geliebten Mutter,
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/35>, abgerufen am 16.02.2025. |