Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

strebungen schienen dagegen zurückzutreten. Helene Langes nun
schon 16 Jahr altes Wort: "Und wenn wir auf alle anderen
Rechte verzichten dürfen, auf das Recht freier Bildung dürfen
wir es nicht. Denn auf ihm beruht die Zukunft. Es zu er-
kämpfen ist unsere geschichtliche Aufgabe" - entflammte damals
alle Gemüter. So konnte es kommen, daß Außenstehende lange
Jahre hindurch unter Frauenbewegung in erster Linie die Sehn-
sucht einiger, natürlich etwas "verdrehter" Frauen, studieren
zu dürfen, verstanden, das Bestreben einer Reihe emanzipa-
tionslustiger Damen, gemeinsam mit dem Studenten im Hörsaal
zu sitzen, und womöglich in Couleur wie er, mit kurzgeschorenen
Haaren, mit langer Pfeife oder mindestens Cigarette seine
Kneipgewohnheiten nachzuahmen.

Den Ernst und die Bedeutung dieses Kampfes für die
Frauenwelt ahnten nur wenige.

Eröffnung neuer Berufe, Vorbereitung dazu durch das
Universitätsstudium, das war zuerst das Ziel gewesen, das den
Frauen bei diesem Kampfe vorschwebte. Zwei Berufe waren
es vornehmlich, die sie für sich in Anspruch nehmen wollten:
der ärztliche Beruf und der wissenschaftliche Lehrberuf. Um
Freigebung dieser Berufe und der Vorbereitung dazu durch
Eröffnung der Universitäten bat Ende der 80er Jahre der
Allgemeine Deutsche Frauenverein in einer an
die Ministerien der verschiedenen Bundesstaaten gerichteten Ein-
gabe. Radikaler als er forderte der 1888 von Frau Kettler
gegründete Verein "Reform"1) "Erschließung aller auf wissen-
schaftlichen Studien beruhenden Berufe für das weibliche Ge-
schlecht, Zutritt zum Studium aller Wissenschaften, nicht nur
vereinzelter derselben".

Der Petition des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins

1) Jetzt Frauenbildung - Frauenstudium.

strebungen schienen dagegen zurückzutreten. Helene Langes nun
schon 16 Jahr altes Wort: „Und wenn wir auf alle anderen
Rechte verzichten dürfen, auf das Recht freier Bildung dürfen
wir es nicht. Denn auf ihm beruht die Zukunft. Es zu er-
kämpfen ist unsere geschichtliche Aufgabe“ – entflammte damals
alle Gemüter. So konnte es kommen, daß Außenstehende lange
Jahre hindurch unter Frauenbewegung in erster Linie die Sehn-
sucht einiger, natürlich etwas „verdrehter“ Frauen, studieren
zu dürfen, verstanden, das Bestreben einer Reihe emanzipa-
tionslustiger Damen, gemeinsam mit dem Studenten im Hörsaal
zu sitzen, und womöglich in Couleur wie er, mit kurzgeschorenen
Haaren, mit langer Pfeife oder mindestens Cigarette seine
Kneipgewohnheiten nachzuahmen.

Den Ernst und die Bedeutung dieses Kampfes für die
Frauenwelt ahnten nur wenige.

Eröffnung neuer Berufe, Vorbereitung dazu durch das
Universitätsstudium, das war zuerst das Ziel gewesen, das den
Frauen bei diesem Kampfe vorschwebte. Zwei Berufe waren
es vornehmlich, die sie für sich in Anspruch nehmen wollten:
der ärztliche Beruf und der wissenschaftliche Lehrberuf. Um
Freigebung dieser Berufe und der Vorbereitung dazu durch
Eröffnung der Universitäten bat Ende der 80er Jahre der
Allgemeine Deutsche Frauenverein in einer an
die Ministerien der verschiedenen Bundesstaaten gerichteten Ein-
gabe. Radikaler als er forderte der 1888 von Frau Kettler
gegründete Verein „Reform1) „Erschließung aller auf wissen-
schaftlichen Studien beruhenden Berufe für das weibliche Ge-
schlecht, Zutritt zum Studium aller Wissenschaften, nicht nur
vereinzelter derselben“.

Der Petition des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins

1) Jetzt Frauenbildung – Frauenstudium.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="69"/>
strebungen schienen dagegen zurückzutreten. Helene Langes nun<lb/>
schon 16 Jahr altes Wort: &#x201E;Und wenn wir auf alle anderen<lb/>
Rechte verzichten dürfen, auf das Recht freier Bildung dürfen<lb/>
wir es nicht. Denn auf ihm beruht die Zukunft. Es zu er-<lb/>
kämpfen ist unsere geschichtliche Aufgabe&#x201C; &#x2013; entflammte damals<lb/>
alle Gemüter. So konnte es kommen, daß Außenstehende lange<lb/>
Jahre hindurch unter Frauenbewegung in erster Linie die Sehn-<lb/>
sucht einiger, natürlich etwas &#x201E;verdrehter&#x201C; Frauen, studieren<lb/>
zu dürfen, verstanden, das Bestreben einer Reihe emanzipa-<lb/>
tionslustiger Damen, gemeinsam mit dem Studenten im Hörsaal<lb/>
zu sitzen, und womöglich in Couleur wie er, mit kurzgeschorenen<lb/>
Haaren, mit langer Pfeife oder mindestens Cigarette seine<lb/>
Kneipgewohnheiten nachzuahmen.</p><lb/>
        <p>Den Ernst und die Bedeutung dieses Kampfes für die<lb/>
Frauenwelt ahnten nur wenige.</p><lb/>
        <p>Eröffnung neuer Berufe, Vorbereitung dazu durch das<lb/>
Universitätsstudium, das war zuerst das Ziel gewesen, das den<lb/>
Frauen bei diesem Kampfe vorschwebte. Zwei Berufe waren<lb/>
es vornehmlich, die sie für sich in Anspruch nehmen wollten:<lb/>
der ärztliche Beruf und der wissenschaftliche Lehrberuf. Um<lb/>
Freigebung dieser Berufe und der Vorbereitung dazu durch<lb/>
Eröffnung der Universitäten bat Ende der 80er Jahre der<lb/><hi rendition="#g">Allgemeine Deutsche Frauenverein</hi> in einer an<lb/>
die Ministerien der verschiedenen Bundesstaaten gerichteten Ein-<lb/>
gabe. Radikaler als er forderte der 1888 von Frau <hi rendition="#g">Kettler</hi><lb/>
gegründete Verein &#x201E;<hi rendition="#g">Reform</hi>&#x201C;<note place="foot" n="1)">
 Jetzt Frauenbildung &#x2013; Frauenstudium.</note> &#x201E;Erschließung aller auf wissen-<lb/>
schaftlichen Studien beruhenden Berufe für das weibliche Ge-<lb/>
schlecht, Zutritt zum Studium <hi rendition="#g">aller</hi> Wissenschaften, nicht nur<lb/>
vereinzelter derselben&#x201C;.</p><lb/>
        <p>Der Petition des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0079] strebungen schienen dagegen zurückzutreten. Helene Langes nun schon 16 Jahr altes Wort: „Und wenn wir auf alle anderen Rechte verzichten dürfen, auf das Recht freier Bildung dürfen wir es nicht. Denn auf ihm beruht die Zukunft. Es zu er- kämpfen ist unsere geschichtliche Aufgabe“ – entflammte damals alle Gemüter. So konnte es kommen, daß Außenstehende lange Jahre hindurch unter Frauenbewegung in erster Linie die Sehn- sucht einiger, natürlich etwas „verdrehter“ Frauen, studieren zu dürfen, verstanden, das Bestreben einer Reihe emanzipa- tionslustiger Damen, gemeinsam mit dem Studenten im Hörsaal zu sitzen, und womöglich in Couleur wie er, mit kurzgeschorenen Haaren, mit langer Pfeife oder mindestens Cigarette seine Kneipgewohnheiten nachzuahmen. Den Ernst und die Bedeutung dieses Kampfes für die Frauenwelt ahnten nur wenige. Eröffnung neuer Berufe, Vorbereitung dazu durch das Universitätsstudium, das war zuerst das Ziel gewesen, das den Frauen bei diesem Kampfe vorschwebte. Zwei Berufe waren es vornehmlich, die sie für sich in Anspruch nehmen wollten: der ärztliche Beruf und der wissenschaftliche Lehrberuf. Um Freigebung dieser Berufe und der Vorbereitung dazu durch Eröffnung der Universitäten bat Ende der 80er Jahre der Allgemeine Deutsche Frauenverein in einer an die Ministerien der verschiedenen Bundesstaaten gerichteten Ein- gabe. Radikaler als er forderte der 1888 von Frau Kettler gegründete Verein „Reform“ 1) „Erschließung aller auf wissen- schaftlichen Studien beruhenden Berufe für das weibliche Ge- schlecht, Zutritt zum Studium aller Wissenschaften, nicht nur vereinzelter derselben“. Der Petition des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins 1) Jetzt Frauenbildung – Frauenstudium.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/79
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/79>, abgerufen am 24.11.2024.