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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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den Jahren der Entwicklung der Einfluß der Lehrerinnen
nicht zu entbehren und nicht zu ersetzen sei, behalfen sich ver-
schiedene Schulbehörden damit, daß sie älteren Lehrerinnen -
ohne die Prüfung zu verlangen - den Titel Oberlehrerin
verliehen. Die Minderwertigkeit in der Vorbildung der Lehr-
kräfte drückt jedoch, Ausnahmen selbstverständlich zugegeben,
die ganze Schule in Ansehen und Erfolgen herab. Dazu
kommt, daß die Maibestimmungen einen neunjährigen Lehr-
gang für genügend erachteten und daß die Mehrzahl der
sogenannten höheren Mädchenschulen mit den Volksschulen,
nicht aber mit den höheren Knabenschulen rangiert, denen
sie tatsächlich ja auch noch nicht gleichzustellen sind. Sie in
das Dezernat für höheres Schulwesen einzureihen, ist bei ihrer
Ausgestaltung zu wirklich höheren Schulen selbstverständliche
Forderung.

Wie gering die Fürsorge des Staates für unser höheres
Mädchenschulwesen im Vergleich zu der den Knabenschulen zu-
gewandten Fürsorge auch heute noch ist, das mag die Tat-
sache erhellen, daß unter 200 preußischen höheren Mädchen-
schulen nur vier staatliche sich befinden, in ganz Preußen also
genau ebensoviel, so fügt Herr Stadtschulrat Lüngen in
Frankfurt a. M. hinzu, wie das Herzogtum Anhalt besitzt,
das hinsichtlich der Einwohnerzahl etwa mit der Stadt Frank-
furt a. M. auf derselben Stufe steht. 18 staatlichen Schulen für
Mädchen stehen in ganz Deutschland 250 staatliche oder vom Staate
unterstützte Anstalten für Knaben gymnasialer oder realisti-
scher Richtung gegenüber. 2,61 % der Staatszuschüsse kom-
men den öffentlichen höheren Mädchenschulen, 24,91 % den
höheren Knabenschulen zu gut.

Dazu stellt sich der von der preußischen Regierung zur
Weiterbildung der Lehrerin vorgeschriebene Weg nur als halbe

den Jahren der Entwicklung der Einfluß der Lehrerinnen
nicht zu entbehren und nicht zu ersetzen sei, behalfen sich ver-
schiedene Schulbehörden damit, daß sie älteren Lehrerinnen –
ohne die Prüfung zu verlangen – den Titel Oberlehrerin
verliehen. Die Minderwertigkeit in der Vorbildung der Lehr-
kräfte drückt jedoch, Ausnahmen selbstverständlich zugegeben,
die ganze Schule in Ansehen und Erfolgen herab. Dazu
kommt, daß die Maibestimmungen einen neunjährigen Lehr-
gang für genügend erachteten und daß die Mehrzahl der
sogenannten höheren Mädchenschulen mit den Volksschulen,
nicht aber mit den höheren Knabenschulen rangiert, denen
sie tatsächlich ja auch noch nicht gleichzustellen sind. Sie in
das Dezernat für höheres Schulwesen einzureihen, ist bei ihrer
Ausgestaltung zu wirklich höheren Schulen selbstverständliche
Forderung.

Wie gering die Fürsorge des Staates für unser höheres
Mädchenschulwesen im Vergleich zu der den Knabenschulen zu-
gewandten Fürsorge auch heute noch ist, das mag die Tat-
sache erhellen, daß unter 200 preußischen höheren Mädchen-
schulen nur vier staatliche sich befinden, in ganz Preußen also
genau ebensoviel, so fügt Herr Stadtschulrat Lüngen in
Frankfurt a. M. hinzu, wie das Herzogtum Anhalt besitzt,
das hinsichtlich der Einwohnerzahl etwa mit der Stadt Frank-
furt a. M. auf derselben Stufe steht. 18 staatlichen Schulen für
Mädchen stehen in ganz Deutschland 250 staatliche oder vom Staate
unterstützte Anstalten für Knaben gymnasialer oder realisti-
scher Richtung gegenüber. 2,61 % der Staatszuschüsse kom-
men den öffentlichen höheren Mädchenschulen, 24,91 % den
höheren Knabenschulen zu gut.

Dazu stellt sich der von der preußischen Regierung zur
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[54/0064] den Jahren der Entwicklung der Einfluß der Lehrerinnen nicht zu entbehren und nicht zu ersetzen sei, behalfen sich ver- schiedene Schulbehörden damit, daß sie älteren Lehrerinnen – ohne die Prüfung zu verlangen – den Titel Oberlehrerin verliehen. Die Minderwertigkeit in der Vorbildung der Lehr- kräfte drückt jedoch, Ausnahmen selbstverständlich zugegeben, die ganze Schule in Ansehen und Erfolgen herab. Dazu kommt, daß die Maibestimmungen einen neunjährigen Lehr- gang für genügend erachteten und daß die Mehrzahl der sogenannten höheren Mädchenschulen mit den Volksschulen, nicht aber mit den höheren Knabenschulen rangiert, denen sie tatsächlich ja auch noch nicht gleichzustellen sind. Sie in das Dezernat für höheres Schulwesen einzureihen, ist bei ihrer Ausgestaltung zu wirklich höheren Schulen selbstverständliche Forderung. Wie gering die Fürsorge des Staates für unser höheres Mädchenschulwesen im Vergleich zu der den Knabenschulen zu- gewandten Fürsorge auch heute noch ist, das mag die Tat- sache erhellen, daß unter 200 preußischen höheren Mädchen- schulen nur vier staatliche sich befinden, in ganz Preußen also genau ebensoviel, so fügt Herr Stadtschulrat Lüngen in Frankfurt a. M. hinzu, wie das Herzogtum Anhalt besitzt, das hinsichtlich der Einwohnerzahl etwa mit der Stadt Frank- furt a. M. auf derselben Stufe steht. 18 staatlichen Schulen für Mädchen stehen in ganz Deutschland 250 staatliche oder vom Staate unterstützte Anstalten für Knaben gymnasialer oder realisti- scher Richtung gegenüber. 2,61 % der Staatszuschüsse kom- men den öffentlichen höheren Mädchenschulen, 24,91 % den höheren Knabenschulen zu gut. Dazu stellt sich der von der preußischen Regierung zur Weiterbildung der Lehrerin vorgeschriebene Weg nur als halbe

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/64>, abgerufen am 06.05.2024.