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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Bitter muß es die Frau empfinden, daß sie unter ein Ge-
setz gebeugt wird, an dessen Gestaltung sie selbst nicht mit-
wirken durfte und das sie gerade dann im Stich läßt, wenn
sie seines Schutzes am meisten bedürfte.

Die Gesetzgeber selbst empfinden die Härte, die für viele
Frauen in den zum Beschluß erhobenen Bestimmungen liegt.
Um sich eine günstigere vermögensrechtliche Lage zu verschaffen,
wird daher der Frau Schließung eines Ehekontraktes freigestellt.

Da Aenderungen bis zu einer Revision des Gesetzes, also
auf Jahre hinaus, nicht zu erreichen sind, so richtete die Rechts-
kommission des Bundes deutscher Frauenvereine
,
die diese Fragen zu behandeln hat, ihr Augenmerk zunächst auf
möglichst wirksame Propaganda für häufige Schließung von Ehe-
kontrakten. Musterformulare - für vermögende Ehefrauen,
für berufstätige Ehefrauen, für Arbeiterinnen, für Frauen, die
im Handels- und Gewerbe- oder auch landwirtschaftlichem Be-
trieb ihres Mannes mit tätig sind u. s. w. - sind bereits in
Hunderttausenden von Exemplaren zur Verteilung gekommen1).
Jm Westen wohl mit besonders gutem Erfolg. Der Rhein
kannte ja längst Ehekontrakte, die Weiterführung dieser Sitte
machte also keinerlei Schwierigkeiten. Jn Cöln z. B. wurde
die dortige Rechtsschutzstelle für Frauen von den Behörden auf-
gefordert, den Standesbeamten Ehekontraktsformulare des
Bundes deutscher Frauenvereine behufs Verteilung an Ver-
lobte zu überweisen. - Anders in Nord- und Mitteldeutschland.
Dort bürgert sich der Ehekontrakt schwerer ein, man faßt ihn
vielfach als Zeichen wenig idealer Gesinnung, auch geradezu als
Mißtrauensvotum gegen den Bräutigam auf. Und gerade Män-

1) Zu beziehen durch die Schriftführerin der Rechtskommission
Freiin von Beschwitz, Dresden.

Bitter muß es die Frau empfinden, daß sie unter ein Ge-
setz gebeugt wird, an dessen Gestaltung sie selbst nicht mit-
wirken durfte und das sie gerade dann im Stich läßt, wenn
sie seines Schutzes am meisten bedürfte.

Die Gesetzgeber selbst empfinden die Härte, die für viele
Frauen in den zum Beschluß erhobenen Bestimmungen liegt.
Um sich eine günstigere vermögensrechtliche Lage zu verschaffen,
wird daher der Frau Schließung eines Ehekontraktes freigestellt.

Da Aenderungen bis zu einer Revision des Gesetzes, also
auf Jahre hinaus, nicht zu erreichen sind, so richtete die Rechts-
kommission des Bundes deutscher Frauenvereine
,
die diese Fragen zu behandeln hat, ihr Augenmerk zunächst auf
möglichst wirksame Propaganda für häufige Schließung von Ehe-
kontrakten. Musterformulare – für vermögende Ehefrauen,
für berufstätige Ehefrauen, für Arbeiterinnen, für Frauen, die
im Handels- und Gewerbe- oder auch landwirtschaftlichem Be-
trieb ihres Mannes mit tätig sind u. s. w. – sind bereits in
Hunderttausenden von Exemplaren zur Verteilung gekommen1).
Jm Westen wohl mit besonders gutem Erfolg. Der Rhein
kannte ja längst Ehekontrakte, die Weiterführung dieser Sitte
machte also keinerlei Schwierigkeiten. Jn Cöln z. B. wurde
die dortige Rechtsschutzstelle für Frauen von den Behörden auf-
gefordert, den Standesbeamten Ehekontraktsformulare des
Bundes deutscher Frauenvereine behufs Verteilung an Ver-
lobte zu überweisen. – Anders in Nord- und Mitteldeutschland.
Dort bürgert sich der Ehekontrakt schwerer ein, man faßt ihn
vielfach als Zeichen wenig idealer Gesinnung, auch geradezu als
Mißtrauensvotum gegen den Bräutigam auf. Und gerade Män-

1) Zu beziehen durch die Schriftführerin der Rechtskommission
Freiin von Beschwitz, Dresden.
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[205/0215] Bitter muß es die Frau empfinden, daß sie unter ein Ge- setz gebeugt wird, an dessen Gestaltung sie selbst nicht mit- wirken durfte und das sie gerade dann im Stich läßt, wenn sie seines Schutzes am meisten bedürfte. Die Gesetzgeber selbst empfinden die Härte, die für viele Frauen in den zum Beschluß erhobenen Bestimmungen liegt. Um sich eine günstigere vermögensrechtliche Lage zu verschaffen, wird daher der Frau Schließung eines Ehekontraktes freigestellt. Da Aenderungen bis zu einer Revision des Gesetzes, also auf Jahre hinaus, nicht zu erreichen sind, so richtete die Rechts- kommission des Bundes deutscher Frauenvereine, die diese Fragen zu behandeln hat, ihr Augenmerk zunächst auf möglichst wirksame Propaganda für häufige Schließung von Ehe- kontrakten. Musterformulare – für vermögende Ehefrauen, für berufstätige Ehefrauen, für Arbeiterinnen, für Frauen, die im Handels- und Gewerbe- oder auch landwirtschaftlichem Be- trieb ihres Mannes mit tätig sind u. s. w. – sind bereits in Hunderttausenden von Exemplaren zur Verteilung gekommen 1). Jm Westen wohl mit besonders gutem Erfolg. Der Rhein kannte ja längst Ehekontrakte, die Weiterführung dieser Sitte machte also keinerlei Schwierigkeiten. Jn Cöln z. B. wurde die dortige Rechtsschutzstelle für Frauen von den Behörden auf- gefordert, den Standesbeamten Ehekontraktsformulare des Bundes deutscher Frauenvereine behufs Verteilung an Ver- lobte zu überweisen. – Anders in Nord- und Mitteldeutschland. Dort bürgert sich der Ehekontrakt schwerer ein, man faßt ihn vielfach als Zeichen wenig idealer Gesinnung, auch geradezu als Mißtrauensvotum gegen den Bräutigam auf. Und gerade Män- 1) Zu beziehen durch die Schriftführerin der Rechtskommission Freiin von Beschwitz, Dresden.

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/215>, abgerufen am 27.04.2024.