Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.in die Schlacht zog, verscheuchte alle Beängstigungen. Unsere Sanitätskolonne zog dem Regimente nach und brachte am folgenden Morgen viele Wagen mit Verwundeten in unsere Lazarethe. Am folgenden 7. August war Sonntag und in der Pfalz der vor dem Krieg angeordnete Buss- und Bettag. Die Kirche war fast leer. Die Leute hatten alle Hände voll zu thun. Denn es folgte nun die Hochflut der Durchmärsche. Unsere Häuser lagen voll Soldaten, rings um die Stadt waren Biwaks. Die Ortsschelle machte bekannt, dass es in den Biwuaks an Lebensmitteln mangele. Wir schickten hinaus, was von Essbarem gerade vorhanden war. Zu den im Hause einquartierten Offitieren, Johannitern und Ärzten kamen noch evang. Feldgeistliche, die eine Ansprache, ein Glas Wein oder eine Tasse Thee suchten. Quartierzettel gab es nicht mehr. An der Hausthüre konnte man lesen, für wieviel Mann Unterkunft und Kost beansprucht wurde. Einmal fehlte es in einem Massenquartier der Kirche gegenüber an Nahrung. Ich liess die Leute antreten, setzte mich an ihre Spitze und fragte in der vom Pfarrhause aufwärts führenden Strasse von Haus zu Haus, wer noch Speise habe. Am Ende der Strasse waren Alle untergebracht. Der Bürgermeister wollte einmal auch die Kirche belegen. Ich erwiederte ihm, wenn Noth an Mann gehe, werde ich die Kirche öffnen. Aber vorher müsse die kathol. Kirche belegt werden, da in St. Ingbert doch die Katholiken immer den Vorrang beanspruchen. Darauf blieb die Kirche verschont. Mein Haus nahm natürlich Alle auf, die ihm zugewiesen wurden. Nur gegen einen Marketender mit Frauensperson, die als Frau figurierte, protestierte ich, weil er nicht ins Pfarrhaus, sondern in eine Kneipe zu Kollegen gehöre. Zum Glück konnten die Metzger und Bäcker uns liefern, was wir an Fleisch und Brod verlangten und der Garten lieferte trotz des trockenen Sommers Gemüse, besonders Bohnen, die ich mit Hilfe meiner Buben gehörig gegossen hatte. So gab es Mittags ohne Menuwechsel Bohnen und den immer neuen Gästen mundeten sie trefflich. Welche Armeekorps bei uns durchmarschierten, erinnere ich mich nicht mehr, Theile des 3. und 9. sicher, wahrscheinlich Hessen und Sachsen, zuletzt sicher die Pommern, welch einige in die Schlacht zog, verscheuchte alle Beängstigungen. Unsere Sanitätskolonne zog dem Regimente nach und brachte am folgenden Morgen viele Wagen mit Verwundeten in unsere Lazarethe. Am folgenden 7. August war Sonntag und in der Pfalz der vor dem Krieg angeordnete Buss- und Bettag. Die Kirche war fast leer. Die Leute hatten alle Hände voll zu thun. Denn es folgte nun die Hochflut der Durchmärsche. Unsere Häuser lagen voll Soldaten, rings um die Stadt waren Biwaks. Die Ortsschelle machte bekannt, dass es in den Biwuaks an Lebensmitteln mangele. Wir schickten hinaus, was von Essbarem gerade vorhanden war. Zu den im Hause einquartierten Offitieren, Johannitern und Ärzten kamen noch evang. Feldgeistliche, die eine Ansprache, ein Glas Wein oder eine Tasse Thee suchten. Quartierzettel gab es nicht mehr. An der Hausthüre konnte man lesen, für wieviel Mann Unterkunft und Kost beansprucht wurde. Einmal fehlte es in einem Massenquartier der Kirche gegenüber an Nahrung. Ich liess die Leute antreten, setzte mich an ihre Spitze und fragte in der vom Pfarrhause aufwärts führenden Strasse von Haus zu Haus, wer noch Speise habe. Am Ende der Strasse waren Alle untergebracht. Der Bürgermeister wollte einmal auch die Kirche belegen. Ich erwiederte ihm, wenn Noth an Mann gehe, werde ich die Kirche öffnen. Aber vorher müsse die kathol. Kirche belegt werden, da in St. Ingbert doch die Katholiken immer den Vorrang beanspruchen. Darauf blieb die Kirche verschont. Mein Haus nahm natürlich Alle auf, die ihm zugewiesen wurden. Nur gegen einen Marketender mit Frauensperson, die als Frau figurierte, protestierte ich, weil er nicht ins Pfarrhaus, sondern in eine Kneipe zu Kollegen gehöre. Zum Glück konnten die Metzger und Bäcker uns liefern, was wir an Fleisch und Brod verlangten und der Garten lieferte trotz des trockenen Sommers Gemüse, besonders Bohnen, die ich mit Hilfe meiner Buben gehörig gegossen hatte. So gab es Mittags ohne Menuwechsel Bohnen und den immer neuen Gästen mundeten sie trefflich. Welche Armeekorps bei uns durchmarschierten, erinnere ich mich nicht mehr, Theile des 3. und 9. sicher, wahrscheinlich Hessen und Sachsen, zuletzt sicher die Pommern, welch einige <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="94"/> in die Schlacht zog, verscheuchte alle Beängstigungen. Unsere Sanitätskolonne zog dem Regimente nach und brachte am folgenden Morgen viele Wagen mit Verwundeten in unsere Lazarethe.</p> <p>Am folgenden 7. August war Sonntag und in der Pfalz der vor dem Krieg angeordnete Buss- und Bettag. Die Kirche war fast leer. Die Leute hatten alle Hände voll zu thun. Denn es folgte nun die Hochflut der Durchmärsche. Unsere Häuser lagen voll Soldaten, rings um die Stadt waren Biwaks. Die Ortsschelle machte bekannt, dass es in den Biwuaks an Lebensmitteln mangele. Wir schickten hinaus, was von Essbarem gerade vorhanden war. Zu den im Hause einquartierten Offitieren, Johannitern und Ärzten kamen noch evang. Feldgeistliche, die eine Ansprache, ein Glas Wein oder eine Tasse Thee suchten. Quartierzettel gab es nicht mehr. An der Hausthüre konnte man lesen, für wieviel Mann Unterkunft und Kost beansprucht wurde. Einmal fehlte es in einem Massenquartier der Kirche gegenüber an Nahrung. Ich liess die Leute antreten, setzte mich an ihre Spitze und fragte in der vom Pfarrhause aufwärts führenden Strasse von Haus zu Haus, wer noch Speise habe. Am Ende der Strasse waren Alle untergebracht.</p> <p>Der Bürgermeister wollte einmal auch die Kirche belegen. Ich erwiederte ihm, wenn Noth an Mann gehe, werde ich die Kirche öffnen. Aber vorher müsse die kathol. Kirche belegt werden, da in St. Ingbert doch die Katholiken immer den Vorrang beanspruchen. Darauf blieb die Kirche verschont. Mein Haus nahm natürlich Alle auf, die ihm zugewiesen wurden. Nur gegen einen Marketender mit Frauensperson, die als Frau figurierte, protestierte ich, weil er nicht ins Pfarrhaus, sondern in eine Kneipe zu Kollegen gehöre. Zum Glück konnten die Metzger und Bäcker uns liefern, was wir an Fleisch und Brod verlangten und der Garten lieferte trotz des trockenen Sommers Gemüse, besonders Bohnen, die ich mit Hilfe meiner Buben gehörig gegossen hatte. So gab es Mittags ohne Menuwechsel Bohnen und den immer neuen Gästen mundeten sie trefflich.</p> <p>Welche Armeekorps bei uns durchmarschierten, erinnere ich mich nicht mehr, Theile des 3. und 9. sicher, wahrscheinlich Hessen und Sachsen, zuletzt sicher die Pommern, welch einige </p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0094]
in die Schlacht zog, verscheuchte alle Beängstigungen. Unsere Sanitätskolonne zog dem Regimente nach und brachte am folgenden Morgen viele Wagen mit Verwundeten in unsere Lazarethe.
Am folgenden 7. August war Sonntag und in der Pfalz der vor dem Krieg angeordnete Buss- und Bettag. Die Kirche war fast leer. Die Leute hatten alle Hände voll zu thun. Denn es folgte nun die Hochflut der Durchmärsche. Unsere Häuser lagen voll Soldaten, rings um die Stadt waren Biwaks. Die Ortsschelle machte bekannt, dass es in den Biwuaks an Lebensmitteln mangele. Wir schickten hinaus, was von Essbarem gerade vorhanden war. Zu den im Hause einquartierten Offitieren, Johannitern und Ärzten kamen noch evang. Feldgeistliche, die eine Ansprache, ein Glas Wein oder eine Tasse Thee suchten. Quartierzettel gab es nicht mehr. An der Hausthüre konnte man lesen, für wieviel Mann Unterkunft und Kost beansprucht wurde. Einmal fehlte es in einem Massenquartier der Kirche gegenüber an Nahrung. Ich liess die Leute antreten, setzte mich an ihre Spitze und fragte in der vom Pfarrhause aufwärts führenden Strasse von Haus zu Haus, wer noch Speise habe. Am Ende der Strasse waren Alle untergebracht.
Der Bürgermeister wollte einmal auch die Kirche belegen. Ich erwiederte ihm, wenn Noth an Mann gehe, werde ich die Kirche öffnen. Aber vorher müsse die kathol. Kirche belegt werden, da in St. Ingbert doch die Katholiken immer den Vorrang beanspruchen. Darauf blieb die Kirche verschont. Mein Haus nahm natürlich Alle auf, die ihm zugewiesen wurden. Nur gegen einen Marketender mit Frauensperson, die als Frau figurierte, protestierte ich, weil er nicht ins Pfarrhaus, sondern in eine Kneipe zu Kollegen gehöre. Zum Glück konnten die Metzger und Bäcker uns liefern, was wir an Fleisch und Brod verlangten und der Garten lieferte trotz des trockenen Sommers Gemüse, besonders Bohnen, die ich mit Hilfe meiner Buben gehörig gegossen hatte. So gab es Mittags ohne Menuwechsel Bohnen und den immer neuen Gästen mundeten sie trefflich.
Welche Armeekorps bei uns durchmarschierten, erinnere ich mich nicht mehr, Theile des 3. und 9. sicher, wahrscheinlich Hessen und Sachsen, zuletzt sicher die Pommern, welch einige
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