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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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wartend auf der Strasse unter den auf ihre Quartierbillette wartenden 52.ern. Ein alter Mann ging neugierig um die Soldaten herum und fragte endlich einen auf sein Gewehr gelehnten Musketier: von welchem Regimente sind Sie? "Das will ich Ihnen sagen, erwiederte launig lächelnd der Brandenburger, wir sind das Regiment, das nie zurückgeht." Er hatte Recht. Das 52. Regiment hat es bei Mars-la-tour, wo mehr als 1/3 seiner Mannschaft gefallen sein soll, und dann im Januar 1871 auf dem Zuge und in der Schlacht bei Le Mans bewiesen, dass es nicht zurückgeht, auch vor erdrückender Übermacht nicht.

Wir bekamen gehörige Einquartierung, darunter 2 Offiziere. Als ich dem einen sein Zimmer anwies, sah er vorerst das Bett an und sagte mir: wenn man, wie wir diese Nacht, in strömendem Regen in nassen Wiesen biwaquiert hat, so ist schon der Anblick eines Bettes ein Hochgenuss. Derselbe Offizier neckte mich, als Aprikosen zum Nachtisch kamen: Ich sah Sie Aprikosen pflücken und meinte, Sie wollte dieselben vor uns in Sicherheit bringen. Ich erwiederte ihm: Sie mussten mit Blechlöffeln speisen, denn das Silber haben wir in Sicherheit gebracht, nicht vor Ihnen, sondern vor den Franzosen, die seit 8 Tagen 2 Stunden von hier stehen. Ihnen geben wir, was wir haben, auch die letzten Aprikosen. Gehen Sie nur hin und schlagen Sie die Franzosen.

Sie kamen noch denselben Tag zum Schlagen. Denn um 4 Uhr rief der Generalmarsch das Regiment in die Schlacht bei Spicheren.

Ich hatte um 11 Uhr einen preussischen Feldprediger aufgesucht, um mir für die Soldatenseelsorge einige Instruktionen und Hostien zu erbitten. Als wir miteinander verhandelten, erdröhnten die ersten Kanonenschüsse. Alles eilte auf die Strasse und die Offiziere steckten die Köpfe zusammen und jubelten: Wir kommen heute noch ran! Am Abende vorher hatten die Artillerieoffiziere das Terrain genau angesehen und in einzelnen Häusern gemahnt: wenn wir zurückgehen müssen, bleiben Sie nicht in Ihren Häusern. Auch dem Pfarrhause galt diese Mahnung, denn die Kirche bildete eine Verteidigungsposition. Diese Mahnung wirkte niederdrückend. Aber der Kampfesmuth, mit welchem das Regiment, "das nie zurückgeht"

wartend auf der Strasse unter den auf ihre Quartierbillette wartenden 52.ern. Ein alter Mann ging neugierig um die Soldaten herum und fragte endlich einen auf sein Gewehr gelehnten Musketier: von welchem Regimente sind Sie? ”Das will ich Ihnen sagen, erwiederte launig lächelnd der Brandenburger, wir sind das Regiment, das nie zurückgeht.“ Er hatte Recht. Das 52. Regiment hat es bei Mars-la-tour, wo mehr als 1/3 seiner Mannschaft gefallen sein soll, und dann im Januar 1871 auf dem Zuge und in der Schlacht bei Le Mans bewiesen, dass es nicht zurückgeht, auch vor erdrückender Übermacht nicht.

Wir bekamen gehörige Einquartierung, darunter 2 Offiziere. Als ich dem einen sein Zimmer anwies, sah er vorerst das Bett an und sagte mir: wenn man, wie wir diese Nacht, in strömendem Regen in nassen Wiesen biwaquiert hat, so ist schon der Anblick eines Bettes ein Hochgenuss. Derselbe Offizier neckte mich, als Aprikosen zum Nachtisch kamen: Ich sah Sie Aprikosen pflücken und meinte, Sie wollte dieselben vor uns in Sicherheit bringen. Ich erwiederte ihm: Sie mussten mit Blechlöffeln speisen, denn das Silber haben wir in Sicherheit gebracht, nicht vor Ihnen, sondern vor den Franzosen, die seit 8 Tagen 2 Stunden von hier stehen. Ihnen geben wir, was wir haben, auch die letzten Aprikosen. Gehen Sie nur hin und schlagen Sie die Franzosen.

Sie kamen noch denselben Tag zum Schlagen. Denn um 4 Uhr rief der Generalmarsch das Regiment in die Schlacht bei Spicheren.

Ich hatte um 11 Uhr einen preussischen Feldprediger aufgesucht, um mir für die Soldatenseelsorge einige Instruktionen und Hostien zu erbitten. Als wir miteinander verhandelten, erdröhnten die ersten Kanonenschüsse. Alles eilte auf die Strasse und die Offiziere steckten die Köpfe zusammen und jubelten: Wir kommen heute noch ran! Am Abende vorher hatten die Artillerieoffiziere das Terrain genau angesehen und in einzelnen Häusern gemahnt: wenn wir zurückgehen müssen, bleiben Sie nicht in Ihren Häusern. Auch dem Pfarrhause galt diese Mahnung, denn die Kirche bildete eine Verteidigungsposition. Diese Mahnung wirkte niederdrückend. Aber der Kampfesmuth, mit welchem das Regiment, ”das nie zurückgeht“

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[93/0093] wartend auf der Strasse unter den auf ihre Quartierbillette wartenden 52.ern. Ein alter Mann ging neugierig um die Soldaten herum und fragte endlich einen auf sein Gewehr gelehnten Musketier: von welchem Regimente sind Sie? ”Das will ich Ihnen sagen, erwiederte launig lächelnd der Brandenburger, wir sind das Regiment, das nie zurückgeht.“ Er hatte Recht. Das 52. Regiment hat es bei Mars-la-tour, wo mehr als 1/3 seiner Mannschaft gefallen sein soll, und dann im Januar 1871 auf dem Zuge und in der Schlacht bei Le Mans bewiesen, dass es nicht zurückgeht, auch vor erdrückender Übermacht nicht. Wir bekamen gehörige Einquartierung, darunter 2 Offiziere. Als ich dem einen sein Zimmer anwies, sah er vorerst das Bett an und sagte mir: wenn man, wie wir diese Nacht, in strömendem Regen in nassen Wiesen biwaquiert hat, so ist schon der Anblick eines Bettes ein Hochgenuss. Derselbe Offizier neckte mich, als Aprikosen zum Nachtisch kamen: Ich sah Sie Aprikosen pflücken und meinte, Sie wollte dieselben vor uns in Sicherheit bringen. Ich erwiederte ihm: Sie mussten mit Blechlöffeln speisen, denn das Silber haben wir in Sicherheit gebracht, nicht vor Ihnen, sondern vor den Franzosen, die seit 8 Tagen 2 Stunden von hier stehen. Ihnen geben wir, was wir haben, auch die letzten Aprikosen. Gehen Sie nur hin und schlagen Sie die Franzosen. Sie kamen noch denselben Tag zum Schlagen. Denn um 4 Uhr rief der Generalmarsch das Regiment in die Schlacht bei Spicheren. Ich hatte um 11 Uhr einen preussischen Feldprediger aufgesucht, um mir für die Soldatenseelsorge einige Instruktionen und Hostien zu erbitten. Als wir miteinander verhandelten, erdröhnten die ersten Kanonenschüsse. Alles eilte auf die Strasse und die Offiziere steckten die Köpfe zusammen und jubelten: Wir kommen heute noch ran! Am Abende vorher hatten die Artillerieoffiziere das Terrain genau angesehen und in einzelnen Häusern gemahnt: wenn wir zurückgehen müssen, bleiben Sie nicht in Ihren Häusern. Auch dem Pfarrhause galt diese Mahnung, denn die Kirche bildete eine Verteidigungsposition. Diese Mahnung wirkte niederdrückend. Aber der Kampfesmuth, mit welchem das Regiment, ”das nie zurückgeht“

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/93>, abgerufen am 27.04.2024.