Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

Bild:
<< vorherige Seite

und dem kleinen Kathechismus Luthers zusammen gearbeitet war. Es war der Anfang weiterer Kämpfe.

In der Gen.Synode hatte ich meinen Sitz neben meinem derzeitigen Dekan Ritter, dessen Ernennung zum Dekan ein Missgriff gewesen war. Er war, abgesehen von kulinarischen und sonstigen Eigenheiten, in der theolog. Wissenschaft und im amtlichen Wirken schwach und gewann weder bei Geistlichen noch bei Laien Ansehen und Achtung. Bei den Kirchenvisitationen legte er grosses Gewicht auf die Verpflegung. Als Konsist.Rat König in St. Ingbert visitierte, kam er als überflüssiger Begleiter mit, wohnte aber den Verhandlungen mit dem Pfarrer und Presbyterium nicht an, sondern liess sich unterdessen das ganze Mittagessen auftragen und meinte vor dem Braten, er sei beinahe schon dreiviertels satt, ass sich dann völlig satt, setzte das Dessert drauf und reiste ab, um daheim irgend eine Funktion zu versehen. In der Gen.Synode von 1865 erregte er Aufsehen mit der Äusserung: Ich bin in der individuell befriedigenden Lage, bei vorwürfiger Frage mit Ja und mit Nein stimmen zu können. Er centerholte sich damit die Erwiederung, er gleiche nicht dem Apostel Paulus, dessen Rede nicht: Ja, ja und Nein, nein gewesen sei, und von Göthe müsse er sich sagen lassen, dass Ja und Nein eine schlechte Theologie abgebe.

In mir juckte und zuckte es oft, bei den Gen.Synodal-Verhandlungen das Wort zu nehmen, aber als jüngstes Mitglied hielt ich mich zurück und als Sohn schwieg ich, wenn mein Vater anders gesprochen hatte, als ich hätte sprechen müssen. Desto fleissiger folgte ich den Verhandlungen mit der Feder und reproduzierte sie darnach im "Evang. Kirchenboten" Vielen zu Dank.

In St. Ingbert entwickelte sich die prot. Schule sehr günstig. Lehrer Friedr. Vogelsang hatte zu Ende der 50ger und zu Anfang der 60ger Jahre schon sehr im Segen gearbeitet. Im Jahre 1864 war der hervorragend tüchtige und fleissige Lehrer Drumm gekommen. Die wachsende Schülerzahl forderte weitere Lehrkräfte. Im Konfirmandenunterrichte merkte ich, wie gut unterrichtet und geistig geschult die Kinder waren; das kommende Geschlecht versprach eine gute Zukunft der Gemeinde. In den Familien wurde ich mehr und mehr bekannt. Durch einen

und dem kleinen Kathechismus Luthers zusammen gearbeitet war. Es war der Anfang weiterer Kämpfe.

In der Gen.Synode hatte ich meinen Sitz neben meinem derzeitigen Dekan Ritter, dessen Ernennung zum Dekan ein Missgriff gewesen war. Er war, abgesehen von kulinarischen und sonstigen Eigenheiten, in der theolog. Wissenschaft und im amtlichen Wirken schwach und gewann weder bei Geistlichen noch bei Laien Ansehen und Achtung. Bei den Kirchenvisitationen legte er grosses Gewicht auf die Verpflegung. Als Konsist.Rat König in St. Ingbert visitierte, kam er als überflüssiger Begleiter mit, wohnte aber den Verhandlungen mit dem Pfarrer und Presbyterium nicht an, sondern liess sich unterdessen das ganze Mittagessen auftragen und meinte vor dem Braten, er sei beinahe schon dreiviertels satt, ass sich dann völlig satt, setzte das Dessert drauf und reiste ab, um daheim irgend eine Funktion zu versehen. In der Gen.Synode von 1865 erregte er Aufsehen mit der Äusserung: Ich bin in der individuell befriedigenden Lage, bei vorwürfiger Frage mit Ja und mit Nein stimmen zu können. Er centerholte sich damit die Erwiederung, er gleiche nicht dem Apostel Paulus, dessen Rede nicht: Ja, ja und Nein, nein gewesen sei, und von Göthe müsse er sich sagen lassen, dass Ja und Nein eine schlechte Theologie abgebe.

In mir juckte und zuckte es oft, bei den Gen.Synodal-Verhandlungen das Wort zu nehmen, aber als jüngstes Mitglied hielt ich mich zurück und als Sohn schwieg ich, wenn mein Vater anders gesprochen hatte, als ich hätte sprechen müssen. Desto fleissiger folgte ich den Verhandlungen mit der Feder und reproduzierte sie darnach im "Evang. Kirchenboten" Vielen zu Dank.

In St. Ingbert entwickelte sich die prot. Schule sehr günstig. Lehrer Friedr. Vogelsang hatte zu Ende der 50ger und zu Anfang der 60ger Jahre schon sehr im Segen gearbeitet. Im Jahre 1864 war der hervorragend tüchtige und fleissige Lehrer Drumm gekommen. Die wachsende Schülerzahl forderte weitere Lehrkräfte. Im Konfirmandenunterrichte merkte ich, wie gut unterrichtet und geistig geschult die Kinder waren; das kommende Geschlecht versprach eine gute Zukunft der Gemeinde. In den Familien wurde ich mehr und mehr bekannt. Durch einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="80"/>
und dem kleinen Kathechismus Luthers zusammen gearbeitet war. Es war der Anfang weiterer Kämpfe.</p>
        <p>In der Gen.Synode hatte ich meinen Sitz neben meinem derzeitigen Dekan Ritter, dessen Ernennung zum Dekan ein Missgriff gewesen war. Er war, abgesehen von kulinarischen und sonstigen Eigenheiten, in der theolog. Wissenschaft und im amtlichen Wirken schwach und gewann weder bei Geistlichen noch bei Laien Ansehen und Achtung. Bei den Kirchenvisitationen legte er grosses Gewicht auf die Verpflegung. Als Konsist.Rat König in St. Ingbert visitierte, kam er als überflüssiger Begleiter mit, wohnte aber den Verhandlungen mit dem Pfarrer und Presbyterium nicht an, sondern liess sich unterdessen das ganze Mittagessen auftragen und meinte vor dem Braten, er sei beinahe schon dreiviertels satt, ass sich dann völlig satt, setzte das Dessert drauf und reiste ab, um daheim irgend eine Funktion zu versehen. In der Gen.Synode von 1865 erregte er Aufsehen mit der Äusserung: Ich bin in der individuell befriedigenden Lage, bei vorwürfiger Frage mit Ja und mit Nein stimmen zu können. Er centerholte sich damit die Erwiederung, er gleiche nicht dem Apostel Paulus, dessen Rede nicht: Ja, ja und Nein, nein gewesen sei, und von Göthe müsse er sich sagen lassen, dass Ja und Nein eine schlechte Theologie abgebe.</p>
        <p>In mir juckte und zuckte es oft, bei den Gen.Synodal-Verhandlungen das Wort zu nehmen, aber als jüngstes Mitglied hielt ich mich zurück und als Sohn schwieg ich, wenn mein Vater anders gesprochen hatte, als ich hätte sprechen müssen. Desto fleissiger folgte ich den Verhandlungen mit der Feder und reproduzierte sie darnach im "Evang. Kirchenboten" Vielen zu Dank.</p>
        <p>In St. Ingbert entwickelte sich die prot. Schule sehr günstig. Lehrer Friedr. Vogelsang hatte zu Ende der 50ger und zu Anfang der 60ger Jahre schon sehr im Segen gearbeitet. Im Jahre 1864 war der hervorragend tüchtige und fleissige Lehrer Drumm gekommen. Die wachsende Schülerzahl forderte weitere Lehrkräfte. Im Konfirmandenunterrichte merkte ich, wie gut unterrichtet und geistig geschult die Kinder waren; das kommende Geschlecht versprach eine gute Zukunft der Gemeinde. In den Familien wurde ich mehr und mehr bekannt. Durch einen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0080] und dem kleinen Kathechismus Luthers zusammen gearbeitet war. Es war der Anfang weiterer Kämpfe. In der Gen.Synode hatte ich meinen Sitz neben meinem derzeitigen Dekan Ritter, dessen Ernennung zum Dekan ein Missgriff gewesen war. Er war, abgesehen von kulinarischen und sonstigen Eigenheiten, in der theolog. Wissenschaft und im amtlichen Wirken schwach und gewann weder bei Geistlichen noch bei Laien Ansehen und Achtung. Bei den Kirchenvisitationen legte er grosses Gewicht auf die Verpflegung. Als Konsist.Rat König in St. Ingbert visitierte, kam er als überflüssiger Begleiter mit, wohnte aber den Verhandlungen mit dem Pfarrer und Presbyterium nicht an, sondern liess sich unterdessen das ganze Mittagessen auftragen und meinte vor dem Braten, er sei beinahe schon dreiviertels satt, ass sich dann völlig satt, setzte das Dessert drauf und reiste ab, um daheim irgend eine Funktion zu versehen. In der Gen.Synode von 1865 erregte er Aufsehen mit der Äusserung: Ich bin in der individuell befriedigenden Lage, bei vorwürfiger Frage mit Ja und mit Nein stimmen zu können. Er centerholte sich damit die Erwiederung, er gleiche nicht dem Apostel Paulus, dessen Rede nicht: Ja, ja und Nein, nein gewesen sei, und von Göthe müsse er sich sagen lassen, dass Ja und Nein eine schlechte Theologie abgebe. In mir juckte und zuckte es oft, bei den Gen.Synodal-Verhandlungen das Wort zu nehmen, aber als jüngstes Mitglied hielt ich mich zurück und als Sohn schwieg ich, wenn mein Vater anders gesprochen hatte, als ich hätte sprechen müssen. Desto fleissiger folgte ich den Verhandlungen mit der Feder und reproduzierte sie darnach im "Evang. Kirchenboten" Vielen zu Dank. In St. Ingbert entwickelte sich die prot. Schule sehr günstig. Lehrer Friedr. Vogelsang hatte zu Ende der 50ger und zu Anfang der 60ger Jahre schon sehr im Segen gearbeitet. Im Jahre 1864 war der hervorragend tüchtige und fleissige Lehrer Drumm gekommen. Die wachsende Schülerzahl forderte weitere Lehrkräfte. Im Konfirmandenunterrichte merkte ich, wie gut unterrichtet und geistig geschult die Kinder waren; das kommende Geschlecht versprach eine gute Zukunft der Gemeinde. In den Familien wurde ich mehr und mehr bekannt. Durch einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-14T12:32:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-14T12:32:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-14T12:32:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die handschriftlichen Korrekturen in der Vorlage werden stillschweigend eingearbeitet, offensichtliche Verschreibungen ohne Kennzeichnung korrigiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/80
Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/80>, abgerufen am 08.10.2024.